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Thomas Hitschler
SPD
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Frage von Peter K. •

Frage an Thomas Hitschler von Peter K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Hitschler,

für eine Wahlentscheidung ist mir wichtig, wie Sie die Frage zu einer Forderung für ein bundesweites Abstimmungsgesetz ( Volksabstimmungen ) beantworten. Wir Bürger sind der demokratische Souverän.
In Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes heißt es,
Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

Der Bundestag hat bis heute seine Pflicht nicht erfüllt, hier eine gesetzliche Regelung zu schaffen!

Ich bedanke mich im voraus für Ihre Antwort!

Mit freundlichen Grüßen

Peter Keller

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr K.,

vielen Dank für Ihre Frage. Demokratie lebt, wie der Name bereits sagt, vom Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Daher ist es unerlässlich, möglichst viele Arten der Beteiligung zu ermöglichen, damit sich möglichst viele Menschen einbringen können.
Es gibt aus diesem Grund mehrere Gesetze, die dies regeln. Hier ist zunächst das Bundeswahlgesetz zu nennen. Im BWahlG ist festgeschrieben, wie Wahlen auf Bundesebene ablaufen. Darüber hinaus gibt es das Gesetz über das Verfahren bei Volksentscheid, Volksbegehren und Volksbefragung nach Artikel 29 Abs. 6 des Grundgesetzes. Darin ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen in Deutschland Volksentscheide stattfinden können.
Zusätzlich gibt es noch die Möglichkeit, dass Bürgerinnen und Bürger sich durch Petitionen an den Deutschen Bundestag wenden. Dies beruht auf den Artikeln 17 und 45 des Grundgesetzes, sowie auf §110 der Geschäftsordnung des Bundestags.
Möglichkeiten zur Beteiligung am Gesetzgebungsprozess sind folglich gegeben und gesetzlich verankert. In unserem Wahlprogramm für die Bundestagswahl haben wir uns zudem vorgenommen, in diesem Bereich nachzuarbeiten: Zur Unterstützung der parlamentarischen Demokratie wollen wir direkte Demokratiebeteiligung auf Bundesebene stärken. Das Petitionsrecht beim Deutschen Bundestag wollen wir weiterentwickeln, etwa durch barrierefreien Zugang für Menschen mit Behinderungen, durch bessere Einbindung von Kindern und Jugendlichen, durch mehr öffentliche Ausschusssitzungen. Wir wollen auch eine Absenkung des Quorums für öffentliche Petitionen.
Der von Ihnen zitierte Artikel 20(2) GG sieht nicht zwingend vor, dass das Volk die Staatsgewalt direkt ausübt. Es ist vermutlich eine Glaubensfrage, ob man direkte oder repräsentative Demokratie bevorzugt. Sicher, eine direkte Demokratie, wie sie in der Schweiz ausgeübt wird, hat ihren Charme. Bürgerinnen und Bürger sind stärker in den Gesetzgebungsprozess eingebunden, was auf den ersten Blick eine größere Legitimierung bedeutet. Bisher ist dies in Deutschland auf Fragen der Neuregelung des Bundesgebiets beschränkt. Hier könnte ich mir durchaus eine Ausweitung auf weitere zentrale und wichtige Politikfelder vorstellen.
Allerdings bin ich, was die grundsätzliche parlamentarische Arbeit angeht, ein Fan der repräsentativen Demokratie. Als gewählte Volksvertreter sind die Abgeordneten des Bundestags und der Landesparlamente eine zusätzliche, nur ihrem Gewissen verpflichtete Kontrollinstanz. Gleichzeitig übernehmen sie auch Verantwortung für die von ihnen getroffenen Entscheidungen.
Der Vorteil von gewählten Repräsentanten ist meiner Ansicht nach, dass sie ausreichend Zeit haben, sich in Inhalt und Hintergründe von Gesetzentwürfen einzuarbeiten. Aus rein praktischen Gründen ist dies nicht allen Bürgerinnen und Bürger möglich. Ihnen bliebe nur, am Ende mit Ja oder Nein über einen vorgelegten Gesetzentwurf abzustimmen. In Parlamenten besteht hingegen die Möglichkeit, Gesetzentwürfe während des Gesetzgebungsprozesses zu verändern.
Trotz aller Vorteile bin ich aber der Ansicht, dass wir über die Arbeitsweise des Bundestags grundsätzlich nachdenken müssen. Im vergangenen Jahr habe ich, zusammen mit einigen Fraktionskolleginnen und – kollegen, daher eine Enquetekommission gefordert, die sich grundsätzlich mit Fragen der Zukunftsfähigkeit unseres parlamentarischen Systems befasst. Die letzte Enquetekommission zu Parlamentsfragen arbeitete von 1973 bis 1978. Damals erlebte VHS-Kassetten gerade ihre Markteinführung. Seitdem haben sich Gesellschaft und Technik rasant entwickelt.
Nun müssen gerade wir jüngeren Parlamentarier überlegen, was das für den parlamentarischen Betrieb bedeutet. Die Einbeziehung von Elementen direkter Demokratie gehört hier definitiv dazu.
Bislang ließ sich hierfür leider keine Mehrheit mit unserem Koalitionspartner finden. Mit anderen Mehrheiten nach der Bundestagswahl sieht dies hoffentlich anders aus. Das Papier finden Sie auch auf meiner Internetseite. Ansonsten schreiben Sie mir bitte unter thomas.hitschler@bundestag.de , dann schicke ich Ihnen das Papier zu.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen beantworten konnte uns stehe weiter gerne als Ansprechpartner zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Hitschler

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