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Frage von Bernd K. •

Frage an Swen Schulz von Bernd K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Vielleicht können Sie mir bei der Entscheidungsfindung für mein zukünftiges Wahlverhalten behilflich sein, indem Sie mir Ihre Haltung zu den für mich gestern (6.5.2008) in der Presse recht überraschend auftauchenden Plänen einer erneuten Diätenerhöhung darlegen?

Wie verträgt sich diese geplante Erhöhung mit den Argumenten, die anläßlich einer vergleichbaren Angelegenheit (Rentenerhöhung zum 1.7.2008- ich habe mehrfach lesen dürfen, daß man die Kassen der Gemeinschaft nicht über Gebühr dürfe und wolle und wurde auf die ohnehin schon hohen Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln belehrt) aufgeführt wurden?

MfG

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Sehr geehrter Herr Kullmann,

vielen Dank für Ihre Frage.
Gerne möchte ich Ihnen etwas ausführlicher die Hintergründe schildern, warum es aktuell zu einer erneuten Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung kommen soll.
Viele Bürgerinnen und Bürger kritisieren, dass die Abgeordneten selbst über die Höhe von Entschädigung und Altersentschädigung entscheiden. Im Rahmen des geltenden Grundgesetzes ist es nicht möglich, die Entscheidung über die Höhe der Diät auf andere zu übertragen, obwohl auch ich und viele meiner Kolleginnen und Kollegen angesichts der öffentlichen Kritik eine solche Übertragung der Entscheidung befürworten. Allerdings muss nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes der Deutsche Bundestag selbst über jede Erhöhung der Entschädigung vor den Augen der Öffentlichkeit durch Gesetz entscheiden. Die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung kann daher nicht beispielsweise auf eine unabhängige Expertenkommission übertragen oder durch eine automatische jährliche Anpassung in der Höhe der durchschnittlichen Steigerung der Löhne und Gehälter ersetzt werden. Des Weiteren haben Abgeordnete nach Artikel 48 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung („Diät“) und eine entsprechende Altersentschädigung (Ruhegeld), die der Besoldung folgt. Der Bundesgesetzgeber hat den verfassungsrechtlichen Vorgaben und den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts bei der Verabschiedung des Abgeordnetengesetzes im Jahre 1977 Rechnung getragen, indem er als Orientierungsgröße für die Entschädigung der Abgeordneten die Bezüge solcher Amtsinhaber, die einer mit den Abgeordneten vergleichbaren Verantwortung und Belastung unterliegen, wählte. Als vergleichbar mit den Abgeordneten, die Wahlkreise mit 200 bis 300 Tausend Wahlberechtigten vertreten, wurden Bürgermeister kleiner Städte und von Gemeinden mit 50 bis 100 Tausend Einwohnern angesehen. Als vergleichbar wurden auch die einfachen Richter bei einem obersten Gerichtshof des Bundes (Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht, etc.) angesehen, die bei der Ausübung ihres Amtes ähnlich wie Abgeordnete unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind.
Diese Bezugsgrößen wurden bis 2007 nie erreicht. Bei der Verabschiedung des Abgeordnetengesetzes im Jahre 1977 betrug die gesetzlich festgesetzte Entschädigung 91,21 Prozent der Bezüge von Richtern oder Bürgermeistern. Dieses Verhältnis veränderte sich nicht zuletzt aufgrund wiederholter Nullrunden bis 1994 auf 76,67 Prozent. In den Folgejahren näherte sich die Abgeordnetenentschädigung den Bezugsgrößen zwar an und betrug seit 1. Januar 2003 monatlich 7.009 Euro. Trotz allem bestand immer noch eine Differenz von 659 Euro; das sind 9,4 Prozent. Um die Abgeordnetenentschädigung an die Bezugsgrößen aus dem Jahre 2007 anzugleichen wurde entschieden, die Entschädigung in zwei Schritten anzuheben: Zum 1. Januar 2008 wurde die Abgeordnetenentschädigung um 330 Euro und zum 1. Januar 2009 um 329 Euro auf 7668 Euro angehoben. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Das ist viel Geld. Die Abgeordneten verdienen damit mehr als die meisten ihrer Wählerinnen und Wähler. Es wäre deshalb auch nicht richtig, wenn sich Abgeordnete darüber beklagten, dass sie zu wenig verdienen.
Niemand macht Politik - oder sollte Politik machen -, weil er oder sie Geld verdienen will. Auch ein gut verdienender Rechtsanwalt, eine Managerin, ein Unternehmer, ein hoch bezahlter Wissenschaftler oder eine gut verdienende Künstlerin kann in die Berufspolitik gehen. Das geschieht auch. Sie müssen aber wissen, dass sie ihr früheres Einkommen dabei meistens nicht wieder erreichen, sondern weniger verdienen werden. Das ist bei einem öffentlichen Amt auch zumutbar, soweit zum Beispiel die Abgeordnetenentschädigung nicht zu gering und angemessen ist. Mit der Anhebung der Abgeordnetenentschädigung wurde zugleich die Steigerungsrate für die Altersversorgung von 3 auf 2,5 Prozent pro Mandatsjahr abgesenkt. Während früher ein Abgeordneter nach 8 Mandatsjahren bereits 35 Prozent der Abgeordnetenentschädigung als Altersversorgung erhielt, waren es nach 1995 nur 24 Prozent, seit 2008 sind es nur noch 20 Prozent.
Mir persönlich gingen diese Regelungen bezüglich der Alterentschädigung nicht weit genug. Meines Erachtens ist die Altersversorgung von Bundestagsabgeordneten überhöht. Schon Mitte 2004 hat eine Arbeitsgruppe der Spandauer SPD unter meiner Leitung eine Initiative zur Neuregelung der Bezahlung und Versorgung von Politikern erarbeitet. Ergebnis: Politiker sollen nach dem Willen der Spandauer SPD künftig in die gesetzlichen Sozialversicherungen einzahlen und auch nur in diesem Rahmen abgesichert werden. Darüber hinausgehende Absicherung müsste privat bezahlt werden.
Deshalb habe ich auch zur damaligen Abstimmung über die Abgeordnetenentschädigung eine persönliche Erklärung zu Protokoll gegeben. Aktuell haben die Tarifpartner nun im April 2008 einen Tarifabschluss erreicht, mit dem die Gehälter im öffentlichen Dienst in 2008 um 50 Euro zuzüglich 3,1 Prozent und in 2009 um weitere 2,8 Prozent steigen. Diese Erhöhung ist gerechtfertigt, denn nach Jahren der Lohnzurückhaltung können damit endlich auch die Arbeitnehmer an der guten wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben. Es ist daher auch richtig, dass der Tarifabschluss auf die Beamten und Pensionäre des Bundes übertragen und damit deren Bezüge entsprechend erhöht werden.
Damit kommt es nun aber zum ersten Mal zu einer Anpassung, wie sie in 2007 bei der Neuregelung der Abgeordnetenentschädigung vorgesehen wurde. Denn mit der Übertragung des Tarifabschlusses auf die Beamten steigt auch die Besoldung eines Bürgermeisters einer kleinen Stadt bzw. die Besoldung eines einfachen Bundesrichters mit. Die jetzt vorgesehene Anpassung der Abgeordnetenentschädigung vollzieht dieses Ergebnis nach. Damit steigt die Abgeordnetenentschädigung zum 1. Januar 2009 um weitere 278 Euro (3,63 Prozent) auf 7.946 Euro und zum 1. Januar 2010 um 213 Euro (2,68 Prozent) auf 8.159 Euro. Das entspricht dem Tarifabschluss von Verdi für den öffentlichen Dienst. Im Ergebnis wird die Abgeordnetenentschädigung zum 1. Januar 2010 genau dem dann erhöhten Niveau der Bezugsgrößen entsprechen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Allerdings: Die Anpassung erfolgt zeitlich versetzt um ein Jahr später als bei den Beamten. Auch wird die von Verdi für 2009 erreichte Einmalzahlung von 225 Euro nicht berücksichtigt.
An dieser Stelle möchte ich nochmals betonen, dass entgegen einer weit verbreiteten Vorstellung die Abgeordneten ihre Diäten voll versteuern müssen und auch keine jährlichen Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder ein 13. Monatsgehalt erhalten. Dabei wird es auch bleiben. Natürlich kann man dieses Vorgehen kritisieren. Ich glaube aber, dass eine Anpassung auf das beschriebene Niveau hoher Beamter vernünftig ist und dies ein rationales Kriterium darstellt. Die Entschädigung steigt nur dann, wenn sich die Vergütung vergleichbarer Bürgermeister und Bundesrichter ändert. Dies gilt übrigens für die Zukunft auch dann, wenn Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst ausbleiben. Dann kann es selbstverständlich auch keine Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung geben.
Sehr geehrter Herr Kullmann, vielleicht ist die Antwort jetzt doch etwas sehr ausführlich geworden. Bitte sehen Sie es mir nach. Bei allem Pro und Contra ist es mir wichtig, dass es mit diesen Hinweisen zu einer Versachlichung der Debatte kommt. Zudem ist es mir wichtig klarzustellen, dass die Bundestagsabgeordneten sich nicht einfach ohne Rücksicht auf die Bürgerinnen und Bürger ihre Bezüge nach Gutdünken erhöhen. Ich hoffe, dies ist mir ein wenig gelungen.
Sollten Sie näheren Gesprächsbedarf haben, können Sie sich mit Ihren Fragen und Anregungen gerne und jederzeit direkt an mich wenden. Sie erreichen mich unter

Swen Schulz, MdB
Deutscher Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin
oder per E-Mail unter
swen.schulz@bundestag.de

Sie können auch in eine meiner Bürgersprechstunden kommen. Einen Termin können Sie unter 030 / 36757090 vereinbaren.

Mit den besten Grüßen
Swen Schulz, MdB

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Sehr geehrter Herr Kullmann,

wie Sie den Medien entnehmen können, sind die Pläne einer aktuellen Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung vom Tisch. Nach intensiven internen Diskussionen insbesondere in der SPD-Bundestagsfraktion ist der Entschluss gefasst worden, die für 2009 und 2010 geplanten Diätenerhöhungen nicht vorzunehmen. In meiner letzten Antwort hatte ich Ihnen ja bereits geschildert, dass die aktuellen Erhöhungspläne auf einen Beschluss aus dem vergangenen Jahr zurückzuführen sind, die Diäten künftig nur noch dann anzuheben, falls sich auch die Besoldungen von Bürgermeistern oder Bundesrichtern erhöhen. Da dieser Fall jedoch so kurzfristig nach der letzten Anpassung der Diäten eingetreten ist, wurde entschieden, dass die jetzt diskutierte Erhöhung nicht vollzogen wird.

Ich befürworte die im letzten Jahr getroffene Entscheidung, dass sich die Abgeordnetenentschädigung an der Besoldung für Bürgermeister und Bundesrichter orientiert, unterstütze aber die jetzt getroffene Entscheidung, die Diskussion erst wieder in der nächsten Legislaturperiode aufzunehmen. Durch die Kurzfristigkeit wurde die geplante Anpassung nicht als logische Folge der getroffenen Grundsatzentscheidung verstanden, sondern als willkürliche Erhöhung wahrgenommen.

Zudem wird dadurch die Möglichkeit geöffnet, in diesem Zusammenhang auch über eine weitere Absenkung der Altersvorsorge der Abgeordneten nachzudenken. Ich hatte Ihnen ja bereits geschrieben, dass mir dieser Aspekt wichtig ist. Sollte ich in der nächsten Legislaturperiode wieder dem Bundestag angehören, werde ich mich weiterhin dafür einsetzen. Mit den besten Grüßen

Swen Schulz