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Svenja Schulze
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Frage von Dieter B. •

Kann es Ihrer Meinung nach in Deutschland mehrere Formen der Demokratie nebeneinander geben?

Das Grundgesetz ist die Grundlage unserer Demmokratie. Dazu heißt es im Artikel 38 GG: "Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages .... gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen."

Warum gibt es dann eine sogen. Fraktionsdisziplin? Wird da nicht die o. g. Demokratie ersetzt durch eine Demokratie, die sich nach den Richtlinien der Fraktion, der Partei o. ä. bestimmt.

Ein Teilantwort darauf liefert zwar der link:

https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/politiklexikon/296347/fraktionsdisziplin/

Trotzdem bleibt aber doch die Möglichkeit, dass der einzelne Abgeordnete (m/w/d) nicht frei und dem Willen seiner Wähler gemäß entscheiden kann, weil er zwar bei der nächsten Wahl von seinen Wählern gewählt werden könnte, was ihm (m/w/d) aber nichts nützen würde, wenn er als "Abweichler" erst gar nicht mehr von seiner Partei nominiert werden würde.

Können sie diese Diskrepanz erklären?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr B.,

zwischen Fraktionsdisziplin und auftragsfreier Mandatsausübung (GG, Art. 38) besteht kein grundsätzlicher Widerspruch, sondern ein Spannungsverhältnis.

Fraktionen sind Gruppen von Abgeordneten, die sich freiwillig zusammenschließen, um ihre gemeinsamen politischen Interessen und Ziele im Parlament gemeinsam zu verfolgen. Abgeordnete schließen sich zu Fraktionen zusammen, weil mit dem Fraktionsstatus bestimmte parlamentarische (Sonder-)Rechte verbunden sind. Hierzu zählen u.a. Antrags-, Mitgliedschafts- und Rederechte in den Ausschüssen und im Plenum des Bundestages, ein Recht auf zusätzliche finanzielle Mittel und Sitzungsräume, Fragerechte wie Große und Kleine Anfragen oder Kompetenzen im Gesetzgebungsprozess.

All dies trägt dazu bei, dass Fraktionen in unserer Parteiendemokratie als „mit eigenen Rechten ausgestattete Teile des Bundestages“ (BVerfGE 2, 143) „maßgebliche Faktoren der politischen Willensbildung“ (BVerfGE 80, 188) sind. Durch ihre parlamentarische Arbeit und ihr geschlossenes Auftreten schaffen die Fraktionen wichtige Voraussetzungen für die wirksame Vertretung der Interessen der Bürgerinnen und Bürger. Die wichtige Rolle von Fraktionen ist durch die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verbürgt und bestätigt.

Es gibt in der Geschäftsordnung der SPD-Bundestagsfraktion keine Regelung zum Stimmverhalten. Es gibt jedoch einen einstimmig zu Beginn der Legislatur verabschiedeten Beschluss über das Selbstverständnis der Fraktion. Darin ist festgehalten, dass es dem Selbstverständnis der Fraktion entspricht, in der Fraktion getroffene Entscheidungen geschlossen im Bundestag zu vertreten. Ausdrücklich ist festgehalten, dass die „Legitimität von abweichenden Stimmverhalten in Gewissensfragen davon unberührt ist“. Ein Fraktionszwang, also der Zwang in einer bestimmten Art und Weise abzustimmen, ist daher in der SPD-Bundestagsfraktion zu Recht ausgeschlossen. Richtigerweise kann und muss es aber eine Fraktionsdisziplin oder Fraktionssolidarität geben, d.h. der freiwillige Entschluss der Abgeordneten einen mehrheitlich gefassten Beschluss der Fraktion im Bundestag zu unterstützen. Jede Fraktion muss sich, um Beschlüsse im Bundestag durchzusetzen, auf ihre Abgeordneten verlassen können.

In vielen parlamentarischen Systemen hat sich die Fraktionsdisziplin als bewährte Praxis etabliert. Insgesamt trägt die Fraktionsdisziplin dazu bei, die Umsetzung politischer Programme zu gewährleisten und die Einheit und Kohärenz der Fraktionspolitik zu bewahren. Sie stellt sicher, dass Regierungsentscheidungen verlässlich getroffen werden können und politische Instabilitäten vermieden werden. Historische Beispiele zeigen, dass Regierungen mit Fraktionsdisziplin tendenziell stabiler und erfolgreicher in der Umsetzung ihrer Politik sind.

Mit freundlichen Grüßen
Svenja Schulze

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