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Sven Lehmann
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Frage von Philippe D. •

Wie ist Ihre Haltung zum Völkermord[1] Israels an den Palästinensern? Welche Maßnahmen schlagen Sie konkret vor, um diesen sofort zu stoppen. Und: Glauben Sie Antisemitismus wird instrumentalisiert?

Sehr geehrter Herr Lehmann,
das Israel einen Völkermord durchführt ist zunehmend unstrittig, wie folgende unabhängige Untersuchung zeigt: [1] www.ohchr.org/en/press-releases/2025/09/israel-has-committed-genocide-gaza-strip-un-commission-finds.
Mehr: https://docs.google.com/spreadsheets/d/1GqOe_ieQX2I9iCvOfG8VAdIMRijA0QT3ZMsMsdhn6JI/edit?gid=0#gid=0. Ein Holocaust-Überlebender kommt ebenfalls zu diesem Schluß: https://www.huffpost.com/entry/human-rights-watch-co-founder-and-holocaust-survivor-aryeh-neier-says-israel-committing-genocide_n_6655aacce4b022987c31721f. Genauso wie Menschrechtsorganisationen: https://www.btselem.org/publications/202507_our_genocide. Und nicht zuletzt die Wissenschaft: https://www.bbc.com/news/articles/cde3eyzdr63o.
Bündnis 90/Die Grünen hat in der alten Bundesregierung bis zuletzt noch Waffenlieferungen genehmigt: https://taz.de/Panzerteile-und-Rakentenwerfer-/!6110305/. Die Partei hat Israels Verbrechen damit direkt unterstützt.
Philippe D.

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Antwort von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Als Grüne im Bundestag sprechen wir uns seit vielen Jahren für eine Beendigung des israelisch-palästinensischen Konflikts unter Maßgabe des Völkerrechts und der Menschenrechte aus. Deutschland hat aufgrund seiner Geschichte eine besondere Verantwortung für die Sicherheit des Staates Israel. Die Entscheidung in der Frage von Völkermord obliegt den Gerichten. Doch es steht für uns außer Frage, dass die Menschenrechte der Palästinenserinnen und Palästinenser ebenso wie ihr Recht auf Selbstbestimmung zu schützen und zu verwirklichen sind. 

Nach der kürzlich vereinbarten Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel muss es nun darum gehen, den politischen Horizont nicht aus den Augen zu verlieren: Nur eine Zweistaatenlösung wird dauerhaften Frieden bringen – und dazu gehört die Anerkennung eines palästinensischen Staates. 

Wir Grüne im Bundestag unterstützen aktiv den Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung auf Grundlage der Grenzen von 1967. Einige Voraussetzungen hierfür sind, dass die Hamas ihre Waffen und ihre Macht abgibt, dass ein Wiederaufbau stattfindet, der die Bedürfnisse der palästinensischen Zivilbevölkerung in den Mittelpunkt stellt, und dass es zu einer funktionierenden, reformierten palästinensischen Verwaltung des Gazastreifens kommt. Zu den Voraussetzungen zählt unbedingt auch ein Ende der völkerrechtswidrigen Besatzungspolitik und Siedlergewalt im Westjordanland und in Ostjerusalem. Wir kritisieren jede Form der Annexion, der völkerrechtswidriger Siedlungspolitik und der Gewalt und Menschenrechtsverletzungen und appellieren an die israelische Regierung, diese zu beenden. 

Von der bislang passiven - und intern zerstrittenen - Bundesregierung fordern wir, sich gemeinsam mit unseren europäischen und internationalen Partnern mit aller Dringlichkeit für einen politischen Prozess zwischen der israelischen und palästinensischen Seite einzusetzen. Darin muss sowohl die israelische als auch die palästinensische Zivilgesellschaft eingeschlossen werden, besonders diejenigen Initiativen, die sich trotz des Hasses und aller Anfeindungen für Friedensdialog einsetzen. Eine solche Initiative muss nach dieser historischen Eskalation zwischen Israelis und Palästinenser*innen jetzt zwingend erfolgen, bevor sich dieses Fenster wieder schließt und in einem endlosen Kreislauf der Gewalt auch in Zukunft nach dem Krieg vor dem Krieg bedeutet. Die Bundesregierung muss sich explizit auch den Druck auf die israelische Regierung hochhalten, deren rechtsextreme Minister weiterhin sehr aktiv den völkerrechtlich als illegal verurteilten Pfad von Annexion, Vertreibung und Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung beschreiten.

Die Entscheidung der Bundesregierung, die Beschränkungen für Waffenexporte nach Israel zum 24. November wieder aufzuheben, halten wir für verfrüht. Ein uneingeschränkter Export von Rüstungsgütern sollte nur unter der Voraussetzung wieder aufgenommen werden, dass ein stabiler und dauerhafter Waffenstillstand erreicht ist und die Kampfhandlungen tatsächlich beendet sind.

Zudem muss die Situation im Westjordanland in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Dort kommt es immer wieder zu gewaltsamen Ausschreitungen jüdischer Siedler gegen palästinensisches Eigentum, und der Oktober war der Monat mit der höchsten Zahl an Übergriffen, die jemals dokumentiert wurden. Vor diesem Hintergrund zweifeln wir daran, dass die Bundesregierung die gesamte Lage ausreichend berücksichtigt, wenn sie diese Entscheidung trifft.

Die humanitäre Lage in Gaza ist auch nach dem kürzlich vereinbarten Waffenstillstandsabkommen katastrophal und das Leid der Zivilbevölkerung unermesslich. Dringend benötigte Nahrungsmittel, Medikamente und andere humanitäre Hilfsgüter, die an den Grenzen zu Gaza bereitstehen, müssen nun schnell, sicher und vollumfänglich in das zerstörte Küstengebiet gebracht werden. Nur so können die Hungersnot, die in vielen Teilen des Gazastreifens bereits besteht, zurückgedrängt werden und die 2.1 Millionen Palästinenser*innen, die zwei Jahre lang tagtäglich unter dem Krieg gelitten haben, mit dem Nötigsten versorgt werden.

Es braucht Empathie und Solidarität mit allen Betroffenen von Leid und Gewalt, wie auch Unterstützung für die israelischen und palästinensischen progressiven Kräfte.

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