Bitte nehmen aus Ihrer Sicht Stellung zum Selbstbestimmungsgesetz. Erläutern Sie mir aus Ihrem Blickwinkel warum die CDU-Länder dieses Gesetz im Bundesrat durchgewunken haben.
Sehr geehrter Herr Bilger,vor vielen Jahren habe ich Sie als Christ bei einer Veranstaltung des Jugendverbandes EC erlebt. Deshalb interessiert mich dazu grundsätzlich Ihre Meinung.Der Blick von "oben": ich habe den Eindruck, dass die CDU seit Merkel einen Linkskurs fährt. Konservative Werte spielen nur noch eine untergeordnete Rolle. Wer soll konservative Werte vertreten wenn die CDU das Selbstbestimmungsgesetz durch den Bundesrat winkt? Wer gibt den linksorientierten NGOs Gegenwind, die wir mit Steuergeld bezahlen müssen? Wer sorgt dafür, dass im ÖRR nicht mehr der für mich offensichtlich linke Kurs in der Berichterstattung gefahren wird? Ich frage mich: wo sind Werte und Verlässlichkeit der CDU abgeblieben?Wenn Sie die Wahl hätten, würden Sie sich heute eher in der CDU oder in der Werteunion wohlfühlen? Warum?

Sehr geehrter Herr H.,
das Selbstbestimmungsgesetz der Ampel-Koalition hat die CDU/CSU im Deutschen Bundestag kritisiert und abgelehnt. Unsere Position als Unionsfraktion haben wir dazu im parlamentarischen Verfahren in der letzten Wahlperiode mehrfach deutlich gemacht: Dass Kinder und Jugendliche ohne qualifizierte Beratung ihren rechtlichen Geschlechtseintrag ändern können, sehen wir mit Blick auf den Kinder- und Jugendschutz kritisch. Ebenfalls sehen wir rechtliche Unsicherheiten und Missbrauchsmöglichkeiten, insbesondere durch den Wegfall der Informationspflicht an Sicherheitsbehörden. Daher haben wir in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD vereinbart, dass das Selbstbestimmungsgesetz evaluiert – und dann unter Umständen gegebenenfalls wieder verändert – wird.
Der Bundesrat hatte beim Selbstbestimmungsgesetz nur einen eingeschränkten Handlungsspielraum, da es sich um ein nicht zustimmungsbedürftiges Gesetz gehandelt hat. Das Abstimmungsverhalten der jeweiligen Bundesländer ist das Ergebnis der individuellen Beratungen der verschiedenen Landesregierungen, die außerhalb meines Mandatsbereichs liegen und deren Hintergründe mir nicht im Einzelnen bekannt sind. Grundsätzlich gilt: Besteht innerhalb einer Landesregierung keine Einigung über das Abstimmungsverhalten muss sich das Bundesland in der Regel enthalten und kann somit nicht zu einer Mehrheit gegen ein Gesetz beitragen.
Ihre grundsätzlichen Gedanken zur Ausrichtung meiner Partei, nehme ich sehr ernst. Ich bin fest überzeugt, dass wir in der CDU als Volkspartei unsere verschiedenen Strömungen bewahren sollten: das Konservative, das Christlich-Soziale und das Liberale. Dabei sollten wir nicht zu sehr den Blick auf andere Parteien richten, sondern uns darauf fokussieren, einen klaren Kurs zu wahren und die Probleme im Land mit unseren Konzepten anzupacken.
Zur Förderung von NGOs: Damit die deutsche Politik bei staatlich geförderten Organisationen in Zukunft wieder auf die notwendige politische Neutralität achtet, hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Wege einer sogenannten „Kleinen Anfrage“ einen sehr umfangreichen Fragenkatalog an die vorherige Rest-Ampel-Regierung gestellt, um für die notwendige Transparenz zu sorgen.
Zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Als CDU/CSU haben wir im Wahlprogramm niedergeschrieben, dass wir uns Mut und Tempo bei der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wünschen. Unabhängig davon, ob es sich um private Medien oder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk handelt, braucht es ein breites Informationsangebot, das nicht überwältigt, belehrt oder bevormundet, nicht tendenziös oder einseitig ist.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne unter steffen.bilger@bundestag.de zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Steffen Bilger MdB