Wie positionieren Sie sich zur frühkindlichen Bildung in Thüringen im Hinblick auf Familienbilder, Kinderrechte und pädagogische Leitvorstellungen?
Konkret interessiert mich, wie Sie das Verhältnis zwischen traditionellen Familienleitbildern und der gesellschaftlichen Vielfalt an Familienformen bewerten, ob Sie die ausdrückliche Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung unterstützen würden, welche Rolle Sie Inklusion und Diversität in Kindertagesstätten beimessen und inwieweit Werte wie Leistung, Disziplin oder Patriotismus aus Ihrer Sicht pädagogische Zielvorstellungen in diesem Bereich prägen sollten.

Sehr geehrte Frau D.,
ich finde persönlich, dass Familienbilder traditionell vermittelt werden sollten, d. h. in Form des klassischen Ideals einer Familie aus Mutter, Vater und Kindern. Ansonsten bin ich der Überzeugung, dass in der frühkindlichen Bildung alle politischen Bezüge ausgeklammert werden sollen, da diese auf eine Überbewältigung bzw. Vereinnahmung des Kindes abzielen. Dabei mache ich keine Unterscheidung, ob es sich um rechte oder linke Vorstellungen von Familie handelt.
Ich bin allerdings der Überzeugung, dass ohne eine politisch-propagandistische Beeinflussung sich das seit tausenden Jahren bestehende Ideal einer Familie aus Mutter, Vater und Kindern bereits aus der Natur heraus bei den meisten Menschen durchsetzen wird. Es ist die stabilste Form des Zusammenlebens, die die menschlichen Bedürfnisse in einzigartiger Weise abdeckt.
Die Alternativen dazu sind nach meiner persönlichen Überzeugung in der Regel Kompensationsversuche, welche mal mehr oder meistens weniger gelingen. Ich halte nichts davon, sie zum oft bemühten neuen Standard der "Vielfalt" zu erklären. Das vermag bei unerfahrenen jüngeren Menschen zunächst Überzeugungen wecken, weil es oberflächlich klug, modern und schön klingt. Über die Jahrzehnte eines Lebens wird die damit verbundene Erwartung jedoch in aller Regel bitter enttäuscht und genau jene Vereinsamung, Bindungsunfähigkeit und Leere produziert, unter der bereits jetzt Millionen Menschen leiden.
Natürlich gibt es auch hier bezogen auf 84 Millionen Menschen hunderttausende Ausnahmen, die von der Gesellschaft zu respektieren sind. Diesen erforderlichen Respekt sollte man in der Erziehung vermitteln, ohne jedoch für diese anderen Entwürfe menschlichen Zusammenlebens zu werben.
In Kindertagesstätten messe ich den Themen Inklusion und Diversität ebenso wenig Bedeutung bei wie Leistung, Disziplin und Patriotismus. Das sind aus meiner Sicht keine geeigneten pädagogischen Zielvorstellungen in diesem frühkindlichen Bildungsbereich. Vielmehr sollte bei Kindergartenkindern ein natürliches Verhaltens- und Wertefundament verankert werden, welches die Basis für einen freundlichen, aufgeschlossenen Umgang mit anderen Menschen ermöglicht, aber auch Aspekte der Vorsicht und Zurückhaltung im bei Kindern möglichen Umfang vermittelt.
Von speziellen Kinderrechten in der Verfassung halte ich nichts. Mir konnte bisher niemand erklären, welche rechtlichen Bedürfnisse von Kindern nicht bereits durch die Verfassung abgedeckt sind. Anders gesagt: Wir haben kein rechtliches Defizit, sondern ein vorsätzliches (politisches) Vollzugsdefizit. Alle bisherigen Versuche, spezielle "Kinderrechte" in der Verfassung zu verankern, wecken in mir den Verdacht, dass es in Wirklichkeit darum geht, diese neuen Regeln im Wege der praktischen Konkordanz gegen die aktuell verfassungsrechtlich garantierten Elternrechte in Stellung zu bringen und deren Schutzwirkung zugunsten staatlicher oder staatsnaher Akteure abzumindern oder aufzuheben. Das lehne ich auch mit Verweis auf die DDR-Erfahrungen strikt ab.
Freundliche Grüße
Stefan Möller