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Frage von Roland F. •

Frage an Simon Pschorr von Roland F. bezüglich Soziale Sicherung

Im Hinblick auf die kommende Wahl interessiert mich ihre Position zu jedem der folgenden Punkte:

1. Die aktuelle Migrationspraxis, -politik ist für Deutschland und letztendlich auch für Europa mittel- und langfristig nicht tragbar. Sich bereits abzeichnende soziale Verwerfungen und der Kollaps unserer Sozialsysteme werden nach meiner Wahrnehmung nicht mehr aufzuhalten sein, wenn nicht umgehend Regelungen gefunden werden, um mindestens geltendes Recht umsetzen.
(Auch ich als Bürger bin zur Einhaltung geltender Gesetzte verpflichtet - auch wenn mir diese unter moralischen Gesichtspunkten manchmal zweifelhaft vorkommen.)
Durch welche Taten und ggf. Gesetzesänderungen wollen Sie illegale Migration nach Europa stoppen, die derzeitige Duldung illegaler Migration beenden oder gar legalisieren?

2. Ich halte ein Model der „Bürgerversicherung“ sowohl bei der Krankenversicherung als auch bei der Rentenversicherung, als die bisher gerechteste Lösung. Arbeitnehmer, Angestellte, Selbständige, Beamte – für alle die gleichen Regeln zu einer unpfändbaren, ggf. gedeckelten Grundabsicherung. Zusätzliche private Absicherung sollte auf Basis möglich sein. (evtl. Schweiz oder Österreich als Vorbild?)
Schwierigkeiten bei der Umstellung dürfen keinen Grund darstellen um bessere Lösungen als die derzeitigen, nicht zukunftsfähigen und ungerechten Modelle abzulösen.

3. Interessenkonflikte unserer Volksvertreter durch bezahlte Nebentätigkeiten in der Industrie und dem Banken-/Versicherungswesen als auch die Beeinflussung durch Lobbyisten sind kaum nachvollziehbar auszuschliessen.
Ich wünsche mir Politiker die sich unzweifelhaft nur dem Bürger verpflichtet fühlen.
Gesetzlich verpflichtende und für Bürger nachvollziehbare Transparenz ist überfällig.

4. Welche Koalitionspartner halten Sie für möglich, welche schliessen sie aus?

5. Sind Sie bereit, ihre Position ggf. auch entgegen einer Fraktionsmeinung zu vertreten?

Im Voraus vielen Dank für Ihre Antworten.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr F.,
vielen Dank für Ihre Fragen. Hier meine Antworten.
Gruß
Simon Pschorr

Im Hinblick auf die kommende Wahl interessiert mich ihre Position zu jedem der folgenden Punkte:

1. Die aktuelle Migrationspraxis, -politik ist für Deutschland und letztendlich auch für Europa mittel- und langfristig nicht tragbar. Sich bereits abzeichnende soziale Verwerfungen und der Kollaps unserer Sozialsysteme werden nach meiner Wahrnehmung nicht mehr aufzuhalten sein, wenn nicht umgehend Regelungen gefunden werden, um mindestens geltendes Recht umsetzen.
(Auch ich als Bürger bin zur Einhaltung geltender Gesetzte verpflichtet - auch wenn mir diese unter moralischen Gesichtspunkten manchmal zweifelhaft vorkommen.) Durch welche Taten und ggf. Gesetzesänderungen wollen Sie illegale Migration nach Europa stoppen, die derzeitige Duldung illegaler Migration beenden oder gar legalisieren?

Im Gegenteil: Wir sind auf die gegenwärtige Migration sogar erheblich angewiesen. Junge Menschen, die ihren Platz auf dem Arbeitsmarkt finden, sind das Einzige, das die Sozialversicherungssysteme in Deutschland nachhaltig erhalten kann. Dazu müssen wir alles tun, um MigrantInnen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen - dazu gehört insbesondere der Spracherwerb in guten Schulen. Das dient auch nicht dazu, Deutschen die Arbeitsplätze wegzunehmen. Mit einem für alle geltenden Mindestlohn ohne Ausnahmen verhindern wir Lohndumping mit Geflüchteten! Diese sind bereit, viele Jobs zu übernehmen, die in Europa nur wenige zu übernehmen bereit sind - zum Beispiel in der Pflege. Ich möchte mit noch einem Irrtum aufräumen: Momentan findet keine "illegale" Migration statt. Die absolute Mehrzahl der nach Europa kommenden Menschen sind Asylsuchende. Diese werden durch die Genfer Flüchtlingskonvention, europäisches und deutsches Recht geschützt. Zum Zwecke der Durchführung eines Asylverfahrens einzureisen ist nicht illegal, sondern der einzige rechtlich zulässige Weg! Tatsächlich wird durch die Aufnahme von Geflüchteten kein Recht gebrochen, sondern es bewahrt. Der Begriff "illegale Migration" kommt aus dem Bereich des DUBLIN-III-Abkommens. Dieser Vertrag zwischen den europäischen Mitgliedsstaaten dient dazu, die Last der Flucht auf die südeuropäischen Staaten als Mittelmeeranrainer abzuwälzen und ist in sich schrecklich unsolidarisch. Hiernach sind (nur) die Staaten der Erstankunft verpflichtet, Asylanträge zu bearbeiten. Allerdings sieht das Abkommen selbst vor, dass es dann nicht angewendet werden muss, wenn besondere Situationen eintreten. 2015 und 2016, mit der Flucht so vieler Menschen aus Syrien, deren Land zerbombt und deren Städte zerstört sind, ist so eine Situation eingetreten. Aber: Entscheidend ist, dass wir die Ursachen des Fliehens bekämpfen und nicht nur Menschen aufnehmen. Dies geht aber nicht durch Schließung von Fluchtwegen, sondern indem wir Krieg, Hunger und Armut bekämpfen! Damit können wir anfangen, indem wir uns selbst nicht mehr an Kampfhandlungen beteiligen, keine Waffen mehr liefern und echte Hilfe zur Selbsthilfe leisten, das heißt anstatt subventioniertes Hähnchen Bildung und Know-How an betroffene Staaten vergeben.

2. Ich halte ein Model der „Bürgerversicherung“ sowohl bei der Krankenversicherung als auch bei der Rentenversicherung, als die bisher gerechteste Lösung. Arbeitnehmer, Angestellte, Selbständige, Beamte – für alle die gleichen Regeln zu einer unpfändbaren, ggf. gedeckelten Grundabsicherung. Zusätzliche private Absicherung sollte auf Basis möglich sein. (evtl. Schweiz oder Österreich als Vorbild?) Schwierigkeiten bei der Umstellung dürfen keinen Grund darstellen um bessere Lösungen als die derzeitigen, nicht zukunftsfähigen und ungerechten Modelle abzulösen.

Ich sehe das genauso wie Sie. Eine gleichberechtigte und gleich verpflichtete Beteiligung aller Bevölkerungsschichten an den Sozialsystemen muss her! Dazu gehört: Keine Beitragsbemessungsgrenze mehr, ab der nicht mehr eingezahlt werden muss. Keine private Krankenversicherung als Versicherung erster Klasse. Kein Beamten- und Richterprivileg mehr. Gerade Selbstständige würden sehr profitieren - Kleinselbständige und Soloselbständige werden zunehmend zu den Opfern einer rationalisierten Wirtschaft. Es ist Zeit für die Sozialversicherung über den Arbeitnehmer hinaus. Die Umsetzung dessen ist tatsächlich wie rechtlich kein Problem. Es fehlt bisher nur der Mut.

3. Interessenkonflikte unserer Volksvertreter durch bezahlte Nebentätigkeiten in der Industrie und dem Banken-/Versicherungswesen als auch die Beeinflussung durch Lobbyisten sind kaum nachvollziehbar auszuschliessen.
Ich wünsche mir Politiker die sich unzweifelhaft nur dem Bürger verpflichtet fühlen.
Gesetzlich verpflichtende und für Bürger nachvollziehbare Transparenz ist überfällig.

Deswegen hat sich DIE LINKE im Bundestag für ein Lobbyregister eingesetzt, das offenlegt, wer mit wem Kontakt hat. Wir wollen eine stärkere Regulierung des Zugangs zum Bundestag. Lobbyveranstaltungen sollen verboten werden. Auf europäischer Ebene stellt sich dieses Problem noch dringender. Hier müssen die großen Lobbyverbände aus der förmlichen Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren verdrängt werden. Darüber hinaus brauchen wir eine Grenze für Parteispenden. Diese machen gefügig. Als einzige Partei nehmen wir keine Spenden aus der Industrie oder von Unternehmen an.

4. Welche Koalitionspartner halten Sie für möglich, welche schliessen sie aus?

Momentan tatsächlich keinen. Die SPD hat sich leider gegen eine Kurs des sozialen Aufbruchs und für ein neoliberales Herumgeeiere entschieden. Die Grünen wissen noch weniger, wohin es gehen soll. Sollten beide Parteien wieder bereit sein, in Deutschland etwas verändern zu wollen, dann wäre auch ich dabei.

5. Sind Sie bereit, ihre Position ggf. auch entgegen einer Fraktionsmeinung zu vertreten?

Ja selbstverständlich. Deswegen ist das Mandat frei und unabhängig. Ich bin - auch bei der Arbeit - als Querkopf bekannt. Ein freier Wille ist die einzige absolute Freiheit, die einem niemand nehmen kann - denn man kann ihn auch nur selbst behaupten.