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Sarah Ryglewski
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Frage von Leif R. •

Frage an Sarah Ryglewski von Leif R. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Ryglewski,

mich interessiert, was aktiv getan wird, um die Produktionsmenge am Impfstoff zu erhöhen. Die EU-Länder haben sich bei der Impfstoffbeschaffung auf den Markt verlassen und verfolgen eine Versorgung der Bevölkerung über den Mechanismus des Preises. Ich empfinde dieses Vorgehen als radikal, es ist ein Ausdruck der Marktradikalität der Mitte. Dies sehe ich kritisch.

Gibt es Schritte, diese Mangelwirtschaft über staatliche Zwäge wie der Offenlegung von Produktionsgeheimnissen durch Unternehmen (Stichwort Patente) aufgrund der weltweiter humanitären Katastrophe zumindest mittelfristig (nach Einbindung von weiteren Fabriken weltweit) zu beheben?
Es wird niemandem geholfen sein, wenn wir in D Ende 2021 / Anfang 2022 geimpft sind, aber aus Schwellenländern Mutationen anrücken, die unsere Impfung direkt aushebeln.

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Sehr geehrter Herr Rehse,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Nach jetzigem Stand (22.03.) erhält Deutschland von Biontech/Pfizer mindestens 64,1 Millionen Dosen über die EU sowie eine gesicherte Option auf weitere 30 Millionen Dosen national. Moderna liefert 50,5 Millionen Dosen über die EU und AstraZeneca 56,3 Millionen Dosen ebenfalls über die EU.

CureVac wird mindestens 54,1 Millionen Dosen über die EU liefern und es besteht eine Option auf 20 Millionen Dosen, die national verfügbar wären. Johnson & Johnson wird 36,7 Millionen Dosen über die EU liefern und Sanofi/GSK wird mindestens 55 Millionen Dosen über die EU bereitstellen. (Informationen hierzu sind abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/stand-corona-impstoffe-1835338)

Es war immer klar, dass mit Erteilung einer Zulassung noch nicht sofort genügend Impfstoff für alle vorhanden sein kann. Der Impfstoff ist überall auf der Welt zu Anfang knapp. Grund dafür sind die hohe Nachfrage und die begrenzten Produktionskapazitäten, nicht die Gesamtbestellmenge. Darum war und ist es nötig, zu Beginn zu priorisieren.

Neben den zugelassenen Impfstoffen von Biontech/Pfizer, Moderna, AstraZeneca sowie Johnson & Johnson werden weltweit Impfstoffe mit verschiedenen Wirkprinzipien gegen Covid-19 entwickelt und erprobt. Vorausgesetzt, die Entwicklungen und die Zulassungen verlaufen positiv, ist davon auszugehen, dass im Laufe des Jahres 2021 weitere Impfstoffe zur Verfügung stehen werden. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden aktuell weltweit 63 mögliche Impfstoffe klinisch getestet. Hier finden sie die Zusammenstellung der WHO (engl).: https://www.who.int/publications/m/item/draft-landscape-of-covid-19-candidate-vaccines

Bei der Impfstoffentwicklung muss zunächst das Virus genau untersucht werden. In der sogenannten präklinischen Phase wird festgelegt, welche Bestandteile des Virus und welche Zusatzstoffe im Impfstoff berücksichtigt werden. Der Impfstoff wird zunächst an Tieren erprobt. Anschließend wird er in einem dreistufigen Verfahren an Freiwilligen getestet.

Phase I: Die Verträglichkeit eines Impfstoffs und seine Fähigkeit, eine Immunabwehrreaktion hervorzurufen, wird erstmals am Menschen getestet. Jedoch nur an maximal 100 gesunden Freiwilligen.

Phase II: Die richtige Dosis, die Verträglichkeit und die Immunabwehrreaktion werden an einer größeren Anzahl von Freiwilligen (mehrere Hundert) erprobt.

Phase III: In dieser Phase erhalten mehrere tausend bis mehrere zehntausend Freiwillige den Impfstoff. Im Alltag soll erprobt werden, ob er wirklich vor einer Infektion schützt und sicher ist. Seltene Nebenwirkungen werden erkennbar.

Verlaufen diese Prüfungen erfolgreich, kann ein Zulassungsverfahren beginnen. Ist dieses erfolgreich abgeschlossen, kann der Impfstoff eingesetzt werden.

Bis vor wenigen Jahren hätte man für das Durchlaufen aller Etappen zehn bis 20 Jahre angesetzt. Doch neue Technologien, Vorerfahrung mit Impfstoffprojekten gegen verwandte Viren und eine intensive Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Behörden, konnten es möglich machen, so schnell wie noch nie einen Impfstoff zu entwickeln, der den hohen nationalen und internationalen Qualitätsanforderungen entspricht.

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ist zuständig für die Genehmigungen der klinischen Prüfungen in Deutschland und an der europaweiten Zulassung durch europäische Arzneimittelbehörde EMA—Europäische Arzneimittelagentur beteiligt. Im PEI—Paul-Ehrlich-Institut und bei der EMA—Europäische Arzneimittelagentur werden alle Prozesse rund um einen Impfstoff gegen Covid-19 organisatorisch beschleunigt und mit erhöhtem Personaleinsatz bearbeitet. Die Expertinnen und Experten können oft schon vor dem Beginn des Zulassungsverfahrens erste Daten der Impfstoff-Entwickler sichten und bewerten. Dadurch nehmen die Genehmigungsprozesse bei gleichbleibender Sorgfalt weniger Zeit in Anspruch.

Bei der Anwendung von Impfstoffen am Menschen gilt es, Risiken soweit wie möglich zu vermeiden. Wichtiger als eine schnelle Impfstoff-Entwicklung sind andere Grundsätze, von denen nicht abgewichen wird: Der Impfstoff muss sicher, wirksam und gut erprobt sein.

Einzelne Hersteller haben ihrerseits die Verfahren beschleunigt – auf eigenes Risiko. Die Herstellung einer großen Anzahl von Impfdosen braucht Zeit, daher haben einige Unternehmen bereits mit der Produktion begonnen. Dabei tragen sie das Risiko, dass der entsprechende Impfstoff in der Erprobung scheitert und nach der unabhängigen Prüfung der Behörden nicht zugelassen wird.
Die Bundesregierung hat ein nationales Sonderprogramm zur Impfstoff-Entwicklung aufgelegt (https://www.bmbf.de/de/karliczek-zu-impfstoff-keine-riskante-abkuerzung-nehmen-12497.html). Unternehmen aus Deutschland konnten sich für eine Förderung aus dem Gesamtpaket in Höhe von 750 Millionen Euro bewerben. Mit dem Geld sollen die Unternehmen in die Lage versetzt werden, ihre Testreihen breiter aufzustellen, schneller voranzukommen und eigene Produktionskapazitäten aufzubauen. Ein Expertenrat hat die eingegangenen Anträge bewertet. Nach der Experten-Empfehlung fördert die Bundesregierung nun drei deutsche Hersteller, deren Projekte schon fortgeschritten sind:

• Die Firma Biontech mit rund 375 Millionen Euro: Das Unternehmen hat sich unter anderem auf die Entwicklung und Herstellung von innovativen Medikamenten auf Basis von Messenger Ribonukleinsäuren, also Boten-RNA oder kurz RNA spezialisiert. Die EU-Kommission hat dem Impfstoff von Biontech und Pfizer am 21. Dezember die Zulassung erteilt.

• Die Firma CureVac mit rund 252 Millionen Euro: Das Unternehmen entwickelt ebenfalls Arzneimittel und Impfstoffe auf RNA -Basis. CureVac hat im Dezember die zulassungsrelevanten Phase-Drei-Studie gestartet. Erste Datenpakete befinden sich zudem in der Überprüfung durch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA.

• Die IDT Biologika GmbH mit rund 114 Millionen Euro: Die Firma ist auf die Entwicklung und Fertigung von Virusimpfstoffen, viralen Vektoren und Biologika spezialisiert. IDT entwickelt einen Vektor-Impfstoff zur Immunisierung von Erwachsenen und älteren Risikogruppen. Ende September erteilte das Paul-Ehrlich-Institut die Genehmigung zur Durchführung der ersten klinischen Phase.

Die Bundesregierung hat mit den Impfstoffentwicklern vereinbart, dass sie größere Mengen eines potenziellen Impfstoffs der Bevölkerung in Deutschland und Europa zur Verfügung stellen werden.

Weitere Informationen zu den geförderten Projekten finden Sie hier beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (https://www.bmbf.de/de/karliczek-unsere-foerderung-ebnet-der-impfstoff-forschung-gegen-covid-19-den-weg-12729.html).

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat gemeinsam mit anderen globalen Akteuren eine historische Initiative zum Kampf gegen das Coronavirus gestartet: Den „Access to Covid-19 Tools Accelerator“ (ACT-A: https://www.who.int/initiatives/act-accelerator). Ziel des globalen Zusammenschlusses ist es, die Entwicklung, Produktion und den gleichberechtigten Zugang zu Impfstoffen, Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten für Covid-19 weltweit voranzutreiben.

Unter dem Dach des ACT-A führt die Impfallianz Gavi gemeinsam mit der Initiative CEPI den Bereich für Impfstoffe an. Während CEPI für die Impfstoff-Entwicklung verantwortlich ist, setzt sich Gavi im Rahmen der Covax-Initiative (https://www.gavi.org/vaccineswork/covax-explained) dafür ein, dass zugelassene Coronavirus-Impfstoffe schnellstmöglich produziert, eingekauft und fair an die teilnehmenden Länder verteilt werden. So sollen bis Ende 2021 insgesamt zwei Milliarden Impfstoffdosen bereitgestellt werden. Eine Milliarde davon soll an 92 Länder mit einem niedrigen Entwicklungsniveau gehen.

So beteiligt sich Deutschland:

• Access to Covid-19 Tools Accelerator: Über den ACT-A—Access to Covid-19 Tools Accelerator konnten bisher Mittel in Höhe von knapp 13,5 Milliarden Euro eingeworben werden – der Großteil davon stammt von mehr als 40 Regierungen weltweit. Wichtige Beiträge kommen aber beispielsweise auch von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung. Im Februar 2021 sagte die Bundesregierung weitere 1,5 Milliarden Euro für den ACT-A zu (https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/g7-videokonferenz-merkel-1859822). Mit 600 Millionen Euro hatte Deutschland den ACT-A bereits unterstützt.

• Covax-Initiative: Die Bundesregierung ist zudem als EU-Mitglied über das sogenannte Team Europe an der Covax-Initiative beteiligt. Covax ist die Impfstoff-Säule des ACT-Accelerators (https://ec.europa.eu/germany/news/20200831-covid-19-impfstoff-covax_de).

• Impfallianz Gavi: Der Impfallianz Gavi hat die Bundesregierung darüber hinaus zusätzliche Mittel von bis zu 100 Millionen Euro für die Bekämpfung des Coronavirus zugesagt. Diese Mittel werden in vollem Umfang in die Impfstoffversorgung für Entwicklungsländer fließen (https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/global-gegen-corona-1794542).

• Initiative CEPI: Die seit 2017 bestehende Förderung für die Impfstoff-Entwicklungs-Initiative CEPI (https://www.bmbf.de/de/coronavirus-was-tut-das-bmbf-11069.html) hat das Bundesforschungsministerium in diesem Jahr um 140 Millionen Euro auf rund 230 Millionen Euro aufgestockt. In die von CEPI initiierten Entwicklungsprojekte ist auch das deutsche Unternehmen CureVac eingebunden (https://www.bmbf.de/de/curevac-und-cepi-bauen-kooperation-zur-entwicklung-eines-impfstoffs-gegen-das-coronavirus-10797.html).

Ich hoffe ich konnte alle Aspekte Ihrer Frage für Sie verständlich und zufriedenstellend beantworten. Bei weiteren Fragen schreiben Sie mir sehr gerne an sarah.ryglewski@bundestag.de

Mit freundlichen Grüßen
Sarah Ryglewski

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