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Rita Hagl-Kehl
SPD
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Frage von Andrea G. •

Frage an Rita Hagl-Kehl von Andrea G. bezüglich Energie

Sehr geehrte Frau Hagl-Kehl,

Wie werden Sie in der kommenden Woche im Bundestag stimmen, wenn das neue Kohleausstiegsgesetz verabschiedet wird? Die Mitglieder der Kohlekommission kritisieren, dass es hinter dem ausgehandelten Mindest-Kompromiss zurückbleibt. Zudem zementiert es Kohleverstromung für 18 weitere Jahre, obgleich sie schon jetzt nur durch Subventionen von Szeuerzahlenden wirtschaftlich ist. Durch öffentlich-rechtliche Verträge mit RWE u LEAG würde ein früherer Ausstieg (und er wird kommen) die Steuerzahlenden >4Milliarden Eur kosten, Geld welches wir dringend für den sozialverträglichen ökologischen Wandel brauchen werden, besonders weil wir schon jetzt die Mittel künftiger Generationen für Konjunkturhilfe ausheben.

Herzlichen Dank für Ihre Antwort

Mit freundlichen Grüßen
Andrea Grahm

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Grahm,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht zum Kohleausstieg über die online-Plattform abgeordnetenwatch.de.

Bei der Diskussion zur Thematik wurden die drei Themenkomplexe Kohleausstieg, Beschäftigung und Strukturwandel gemeinsam betrachtet. Die verschiedenen Argumente haben wir als SPD-Bundestagsfraktion sorgfältig abgewogen, sodass ich persönlich, aber auch wir als gesamte Fraktion am Ende zum Entschluss gekommen sind, dem Gesetz zur Förderung des Strukturwandels und dem Kohleausstiegsgesetz zuzustimmen. Wir halten es für einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer sicheren und klimaschonenden Energieversorgung und für ein notwendiges Förderpaket zur Unterstützung der Beschäftigten und der Regionen, die von dem eingeleiteten Strukturwandel betroffen sind.

Es gibt nun einen klaren Fahrplan für den Ausstieg aus der Kohleverstromung. Deutschland ist weltweit das erste hochindustrialisierte Land, das den Ausstieg aus Kohle und Atom gesetzlich fixiert. Diesen Ausstieg brauchen wir, um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen und die drohende Klimakatastrophe abzuwenden.

Spätestens 2038 wird das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet. Auf dem Weg dorthin wird die Verbrennung von Braun- und Steinkohle in festgelegten Stufen schrittweise verringert. Es gibt festgelegte Zeitpunkte, an denen überprüft wird, ob der Ausstieg beschleunigt werden kann. Der SPD-Bundestagsfraktion war wichtig, dass ein früherer Ausstieg vor 2038 möglich ist.

Bereits bis Ende 2022 werden acht der ältesten Kraftwerksblöcke zur Verstromung von Braunkohle abgeschaltet, der erste noch in diesem Jahr! Bis 2030 werden die Braunkohlekapazitäten mehr als halbiert. Auch bei der Steinkohle werden noch 2020 die ersten vier Gigawatt vom Netz gehen. In den Jahren 2026, 2029 und 2032 wird überprüft, ob das Enddatum für alle Kraftwerke (Braun- und Steinkohle) nach 2030 um jeweils drei Jahre vorgezogen und der Kohleausstieg bereits 2035 abgeschlossen werden kann. Gesetzlich geregelt wird außerdem, dass der eingesparte CO2-Ausstoß nicht an anderer Stelle in Europa emittiert wird, sondern die CO2-Zertifikate vom Markt genommen werden. Nur so wirkt der Kohleausstieg voll und ganz für den Klimaschutz.

Die Große Koalition hatte sich mit der Einsetzung einer sog. Kohlekommission dafür entschieden, den Kohleausstieg unter Einbeziehung aller betroffenen Interessen zu regeln. Sie überlässt nicht dem Markt die Entscheidung, was mit den Beschäftigten in den Revieren und mit den Regionen passiert. Nur auf der Grundlage des in der Kohlekommission erarbeiteten Kompromisses kann nun ein stetiger, planbarer und für alle verlässlicher Ausstiegspfad gewährleistet werden. Die Kohlekommission hat zur Umsetzung der Ziele im Braunkohlebereich eine „einvernehmliche Vereinbarung auf vertraglicher Grundlage mit den Betreibern“ vorgeschlagen. Diese solle „sowohl eine Einigung über Entschädigungsleistungen für die Betreiber als auch Regelungen über die sozialverträgliche Gestaltung der Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung“ enthalten. Die Betreiber von Braunkohlekraftwerken werden deshalb mit insgesamt 4,35 Milliarden Euro für die Stilllegungen entschädigt. Damit ist es möglich, das von der Kohlekommission empfohlene Einvernehmen mit den Kraftwerksbetreibern und letztlich auch Rechtssicherheit herzustellen. Schwer kalkulierbare rechtliche Risiken werden so auf ein Minimum beschränkt. Im Gegenzug verzichten die Unternehmen auf mögliche Klagen gegen Stilllegungen und auf betriebsbedingte Kündigungen. Die Höhe der Entschädigungssumme ist das Ergebnis der Verhandlungen mit den Kraftwerksbetreibern und soll insbesondere potenzielle entgangene Gewinne ausgleichen und für den Strukturwandel innerhalb der Unternehmen wirken.

Es ist uns gelungen, die Vorschläge der Kohlekommission nahezu 1:1 umzusetzen. Alle großen Wegmarken werden eingehalten, die wenigen Abweichungen vom Vorschlag sind aus unserer Sicht erträglich.

Als einziges Industrieland der Erde steigt Deutschland gleichzeitig aus der Kernenergie und der Kohleverstromung aus! Aus diesem Grund brauchen wir jetzt rasch einen massiven weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien. Im Klimaschutzprogramm haben wir uns mit dem Koalitionspartner darauf verständigt, den Anteil des in Deutschland verbrauchten Stroms aus nachhaltigen Quellen in den nächsten zehn Jahren von 40 auf mindestens 65 Prozent zu steigern. Im Kohleausstiegsgesetz konnte erreicht werden, dass die Festlegung auf 65 Prozent nun erstmals auch im Erneuerbare-Energien-Gesetz verankert ist. Zudem hat der Deutsche Bundestag erst kürzlich beschlossen, Solarstrom stärker zu fördern und den Ausbau von Windkraftanlagen zu erleichtern.

Ich bin der Auffassung, dass dieses Gesetzespaket Deutschland auf dem langen Weg zur Klimaneutralität einen weiteren großen Schritt voranbringt, Rechts- und Planungssicherheit für Beschäftigte, Regionen und Unternehmen bietet und sozial ausgewogen ist.

Besten Dank für Ihr Engagement und freundliche Grüße
Rita Hagl-Kehl

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