Portrait von Ralf Stegner
Ralf Stegner
SPD
92 %
67 / 73 Fragen beantwortet
Zum Profil
Frage von Günther A. •

Was macht die SPD und die Bundesregierung so sicher, dass westliche Geheimdienstberichte über angebliche Kriegsvorbereitungen, Provokationen und 'Störversuche' Russlands alle stichhaltig sind?

Westliche Geheimdienstberichte (CIA, BND) haben häufig Falschinformationen verbreitet, auf deren Basis Regierungen der NATO-Mitgliedstaaten Entscheidungen für den Einsatz militärischer Mittel getroffen haben, weswegen sich der Verdacht aufdrängt, dass westliche Geheimdienste oft nicht objektiv berichten:

Beispiele:

1. Kosovo 1999: WDR-Dokumentation, Es begann mit einer Lüge, https://www.youtube.com/watch?v=ZtkQYRlXMNU

2. Irak, 2003: Julian Borgner, There were no weapons of mass destruction in Iraq. The Guardian,October 7, 2004: https://www.theguardian.com/world/2004/oct/07/usa.iraq1

3. Libyen, 2011: House of Commons Foreign Affairs Committee, Libya: Examination of intervention and

collapse ..., https://publications.parliament.uk/pa/cm201617/cmselect/cmfaff/119/119.pdf

4. Syrien, 2017: Rod Barton, The chemical attack in Syria: Sorting truth from propaganda, https://www.lowyinstitute.org/the-interpreter/chemical-attack-syria-sorting-truth-propaganda?utm_source=chatgpt.com

Portrait von Ralf Stegner
Antwort von SPD

Sehr geehrter Herr A.,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Zunächst einmal ist es richtig, dass Geheimdienste – auch westliche – in der Vergangenheit Fehleinschätzungen getroffen haben. Die von Ihnen genannten Beispiele (Kosovo, Irak, Libyen, Syrien) zeigen, dass Bewertungen von Konfliktlagen immer auch von der damaligen Informationslage und von politischen Rahmenbedingungen beeinflusst waren. Diese Erfahrungen sind der Bundesregierung und der SPD sehr bewusst. Genau deshalb gibt es heute deutlich strengere Kontrollmechanismen, parlamentarische Aufsicht und eine wesentlich kritischere öffentliche wie politische Begleitung solcher Einschätzungen als noch vor 20 Jahren.

Wenn heute über mögliche russische Provokationen oder Einflussoperationen berichtet wird, geht es nicht um ungeprüfte Geheimdienstinformationen, sondern um ein Zusammenspiel verschiedener Quellen – darunter Satellitendaten, diplomatische Berichte und Analysen internationaler Organisationen. Die vorliegenden Erkenntnisse werden sowohl von deutschen Sicherheitsbehörden als auch von Partnerdiensten sorgfältig überprüft und gegengeprüft, bevor politische Entscheidungen getroffen oder öffentliche Einschätzungen vorgenommen werden.

In Deutschland unterliegen die Nachrichtendienste zudem einer engen parlamentarischen Kontrolle. Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Deutschen Bundestages hat umfassende Einsichtsrechte in Akten, Berichte und Methoden des Bundesnachrichtendienstes, des Verfassungsschutzes und des Militärischen Abschirmdienstes. Es kann Zeugen laden, Nachfragen stellen und externe Sachverständige hinzuziehen. Ergänzend prüft die G10-Kommission die Rechtmäßigkeit von Überwachungsmaßnahmen und der Unabhängige Kontrollrat kontrolliert die Auslandsaufklärung des BND. Diese mehrschichtige Kontrolle stellt sicher, dass geheimdienstliche Informationen nicht unreflektiert übernommen, sondern rechtsstaatlich, methodisch und inhaltlich überprüft werden.

Die SPD und die Bundesregierung verlassen sich daher keinesfalls blind auf Geheimdienste, sondern bewerten deren Erkenntnisse stets im Gesamtzusammenhang mit diplomatischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Analysen. Niemand hat ein Interesse daran, durch Fehlinformationen eine Eskalation zu befördern – im Gegenteil: Die SPD steht für eine Politik der Deeskalation, Diplomatie und Abrüstung. Gleichzeitig darf Deutschland reale Bedrohungen – etwa durch russische Desinformationskampagnen, Cyberangriffe oder militärische Provokationen – nicht ignorieren, zumal diese durch unabhängige Quellen immer wieder bestätigt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Ralf Stegner

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Ralf Stegner
Ralf Stegner
SPD

Weitere Fragen an Ralf Stegner