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Otto Fricke
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Frage von Heinrich V. •

Frage an Otto Fricke von Heinrich V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Fricke,

sind Sie für oder gegen diese geplante EU-Verfassung, welche in Volksbefragungen z. B. in Frankreich und Holland abgelehnt wurde ?

Dankbar wäre ich Ihnen auch, wenn Sie mir mal erklären könnten, warum unsere Landwirte in Nordrhein-Westfalen per Zwang einer Landwirtschaftskammer angehören müssen, während sie in den südlichen und östlichen Bundesländern keinem derartigen Kammerzwang unterliegen ?

Dies können Sie zum Beispiel bei Wikipedia.org (Agrarpolitik in Deutschland / im Absatz: Landwirtschaftskammern) per nachfolgendem Link nachlesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Agrarpolitik_in_Deutschland

Mit besten Grüßen nach Krefeld-Uerdingen

Heinrich Vetter

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Vetter,

in Ihrer ersten Frage sprechen Sie das Thema EU-Verfassung, und damit den Lissabonner Vertrag an, der ja als Verfassungsvertrag gewissermaßen einen Ersatz für die gescheiterte EU-Verfassung (die Voten der Volksbefragungen in den Niederlanden und in Frankreich haben Sie angesprochen) darstellen soll. Lassen Sie mich vorausschicken, dass der Vertrag aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion grundsätzlich sehr zu begrüßen ist. Er bringt die EU durch wichtige institutionelle Neuerungen einen merklichen Schritt voran und stellt eine erhebliche Verbesserung gegenüber der derzeit geltenden Rechtslage dar. Die Union wird durch den neuen Vertrag handlungsfähiger und demokratischer. Positiv hervorzuheben sind beispielsweise die gestärkte Rolle des Europäischen Parlaments, die stärkere Beteiligung der nationalen Parlamente an der EU-Gesetzgebung und die neuen Abstimmungsregeln im Rat der EU (´System der doppelten Mehrheit´), durch die Deutschland angemessener repräsentiert wird. Viele weitere positive Punkte ließen sich anführen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass die FDP-Bundestagsfraktion dem Vertrag uneingeschränkt positiv gegenüber steht. An einigen Stellen hätten wir uns mehr und besseres gewünscht. Kritisch sehen wir insbesondere, dass der ´freie und unverfälschte Wettbewerb´ - anders als im ursprünglichen Verfassungsvertrag - im Reformvertrag nicht mehr explizit als ´Ziel der Union´ genannt. Wachsamkeit ist aus unserer Sicht auch bei der Frage der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank angezeigt. Der Reformvertrag führt zwar nicht zu einer Änderung des rechtlichen Status der Bank, dennoch ist bedenklich, wenn die Zentralbank im Vertrag nur noch als eine EU-Institution unter vielen aufgeführt wird. Zu oft wurde schließlich auch den Sonderwünschen einzelner Staaten nachgegeben. Als Fazit bleibt: Der Lissabonner Vertrag ist ein Fortschritt gegenüber dem Vertrag von Nizza, doch wäre der ursprüngliche Verfassungsvertrag – und zwar durch eine Volksabstimmung bestätigt - für Europa besser gewesen. Wenn aber das Beste nicht zu erreichen ist, so ist man gut beraten, das Zweitbeste zu tun. Die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag hat dem Vertrag von Lissabon deshalb am 24. April einhellig zugestimmt.

Um Ihnen einen vollständigen Überblick über die Argumente der FDP zu verschaffen, verweise ich auf unseren Entschließungsantrag, den wir anlässlich der Ratifizierungsdebatte am 24. April 2008 in den Deutschen Bundestag eingebracht haben ( http://www.fdp-fraktion.de/files/538/EA-zum_Vertrag_von_Lissabon.pdf ).

Ich hoffe, ein wenig zur Aufklärung über den Vertrag von Lissabon beigetragen zu haben. Lassen Sie mich anmerken, dass eine seriöse Auseinandersetzung mit dem Vertrag zur Voraussetzung hat, dass nicht nur einzelne Normen aus dem Zusammenhang gerissen und tendenziös gedeutet werden. Bei einer Gesamtschau ist der Vertrag von Lissabon als das anzuerkennen, was er ist, nämlich ein Vertragswerk von 27 europäischen Ländern mit dem Ziel der Friedenserhaltung, Humanität und wirtschaftlicher Prosperität.

Beim Thema Landwirtschaftskammer ist mir Ihre leidenschaftlich ablehnende Haltung gegenüber der Verkammerung natürlich bekannt. Ich möchte hier zunächst darauf hinweisen, dass dieses Thema in die Zuständigkeit der Länder fällt und mir in diesem speziellen Fall die entsprechende Sachkenntnis fehlt. Mir sind in dieser Sache jedoch folgende Informationen zugetragen worden:

Dass es in diesem Bereich in NRW noch eine Verkammerung gibt, ist die Folge einer geschichtlichen Entwicklung, an der bisher kein Änderungsbedarf gesehen wurde. Es gab und gibt, im Gegensatz zu den Stimmen, die die Abschaffung der IHK-Verkammerung fordern, bisher angeblich keinerlei Stimmen bei den Landwirten, die auf eine Änderung drängen. Selbst unter Frau Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) gab es keinerlei Anstalten, die Verkammerung zu beenden, dies dürfte auf eine sehr große Akzeptanz der Landwirtschaftskammer bei den Landwirten zurückzuführen sein. Bei weitergehenden Fragen zu diesem sehr speziellen Thema bitte ich, sich an meine Kollegen im Landtag zu wenden, die Ihnen als Experten in diesem Gebiet sehr viel detaillierter zu antworten vermögen.

Es grüßt freundlich an den Niederrhein

Otto Fricke, MdB

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