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Otto Fricke
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Frage von Karl Heinz K. •

Frage an Otto Fricke von Karl Heinz K. bezüglich Kultur

Sehr geehrter Herr Fricke,
meine Zuschrift habe ich bei der Rubrik Kultur eingestuft; nicht ohne Grund. Sie antworten Herrn Britzelmair am 0.1.04.2008 sehr ausführlich zum traurigen Thema der Zwangszugehörigkeit zur IHK, doch entspricht es unserer heutigen Kultur, daß man Selbständige per Zwang zur Mitgliedschaft nötigen darf? Der Europäische Gerichtshof hat sich zu diesem Thema wie folgt geäußert: Jedwede Art von Zwangsmitgliedschaft/en verstoßen gegen die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Da wir nun mal im europäischen Verbund sind, sollten wir uns auch danach verhalten und dazu gehört ja dann auch die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft zu dieser IHK. Selbständige sind nicht dumm, denn sonst könnten sie nicht überleben und sie brauchen aus diesem Grund auch keinen Zwang. Selbständige werden nur für das bezahlt was bestellt, geliefert wurde und auch einen Sinn hat. Ja und verhält es sich da bei der Rechnungsstellung der IHK? Ich habe noch nie dort etwas bestellt und noch nie etwas geliefert bekommen, doch trotzdem kommt jährlich eine eklige Zwangsrechnung ins Haus (ja, ich sage bewußt Zwangsrechnung, denn zahle ich nicht, dann droht mir das, was beim Herrn Britzelmair durchgezogen wurde: Pfändung der Konten, basta. Geht hier die Selbstherrlichkeit mit der IHK durch? Was also soll diese Basis der IHK, die mittlerweile von den meisten anderen Ländern abgeschafft wurde? Hat es diese IHK so nötig? Ist das Gebotene so dürftig, daß man auf den Zwang zurückgreifen muß?Offensichtlich schon, denn ich habe vor längerer Zeit mal bei der für mich zuständigen IHK-Krefeld um Auskünfte gebeten und wollte diese Fachleute einfach nur testen. Glauben Sie mir, es war mehr als blamabel, was da zum Vorschein kam. Aber so ist das nun wohl mal wenn man automatisch Jahr für Jahr durchgefüttert wird und der Ideen- und Einfallsreichtum versiegt. Herr Fricke und deshalb gehen wir gegen die Zwangsbasis der IHK an. M.f.G. K.H.Klementz

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Sehr geehrter Herr Klementz,

Ihren Unmut kann ich nachvollziehen. Gleich zu Beginn möchte ich nochmals festhalten, dass ich kein bedingungsloser Verfechter von Zwangsmitgliedschaften bin, zumal ich selbst Mitglied der Rechtsanwaltskammer bin (aber dort nicht in Ämtern). Dies habe ich auch in meinen bisherigen Antworten zu diesem Thema an Herrn Vetter am 07. August 2007, Herrn Ittermann und Frau Baumbach am 16. August 2007, Herrn Huber am 20. August 2007 und Herrn Britzelmair am 1. April stets betont. Damit ich mich nicht wiederhole, möchte ich auf meine Argumentation zu diesen Fragen inhaltlich verweisen.

Das von Ihnen angesprochene Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann aus meiner Sicht nicht generell gegen das Modell der IHKen herangezogen werden. Ein pauschales Verbot einer IH-Verkammerung kann ich dem Urteilsspruch vom 11.01.2006 jedenfalls nicht entnehmen, im Gegenteil, bereits im Tenor stellt das Gericht als erstes folgendes fest: „Ob positive und negative Koalitionsfreiheit in gleicher Weise durch Artikel 11 EMRK geschützt werden, kann nicht abstrakt, sondern nur anhand der besonderen Umstände des Falles beurteilt werden.“ .

Im konkret vom EGMR entschiedenen Fall ging es um einen Arbeitgeber, der die Beschäftigung eines Arbeitnehmers davon abhängig gemacht hatte, dass der Arbeitnehmer Mitglied in einer bestimmten Organisation ist. In dem Fall hatte ein dänischer Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern gefordert, Mitglied in einer Gewerkschaft zu werden, da er selbst einen Vertrag mit der Gewerkschaft abgeschlossen hatte, der vorsah, dass alle Arbeitnehmer Mitglieder sein müssen (sog. closed-shop agreement).

Dieser Fall ist aus meiner Sicht nicht direkt mit einer IHK-Mitgliedschaft vergleichbar, zumal in dem vom EGMR entschiedenen Fall Grundsätze des Arbeitsrechts im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung betroffen sind.

Darüber hinaus hat der EGMR darauf hingewiesen, dass im Bereich der Koalitionsfreiheit dem betreffenden Staat wegen des sensiblen Charakters der betroffenen sozialen und politischen Interessen ein weiter Ermessensspielraum zuzugestehen sei.

Das gesamte Urteil ist übrigens in der Zeitschrift RIW, Heft 5/2006 ab Seite 378 abgedruckt.

Soweit Sie selbst ausführen, dass Sie gegen die „Zwangsbasis der IHK“ vorgehen, ist das der richtige Weg, auch wenn ich inhaltlich nicht so sehr Ihrer Linie folgen kann. Nutzen Sie Ihre Möglichkeiten, um auf demokratischem Weg die Mehrheiten Ihrer IHK zu ändern, Suchen Sie Mitstreiter, die Ihren Weg unterstützen und die IHK in eine Richtung bewegen, die Sie für richtig halten. Denn: Letztlich hat in der Vollversammlung das „Grosse Unternehmen“ auch nicht mehr Macht, als der vermeintlich kleine Einzelunternehmer.

Es grüßt Sie freundlich

Otto Fricke

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