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Otto Fricke
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Frage von Manfred I. •

Frage an Otto Fricke von Manfred I. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Fricke,

Ihr Brief an Herrn Vetter, Meerbusch, möchte ich zum Anlass nehmen, Sie zu Fragen, was sind eigentlich die so wichtigen Aufgaben der Kammern? Welche Aufgaben wurden den Kammern per Gesetz übertragen?
Für Ihre persönliche Antwort, ohne Vordruck aus der Kammern, danke ich schon jetzt.

Mit freundlichen Grüssen
M. Ittermann

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Ittermann,

Sie werden nicht erleben, dass ich mich bedingungslos vor die Kammern stelle und deren Arbeit kritiklos preise. Nein, ich habe auch meine Kritikpunkte, die ich in der Antwort an Herrn Vetter habe anklingen lassen. Ebenfalls in dieser Antwort finden Sie die Argumente, die aus meiner Sicht grundsätzlich für die Beibehaltung des Kammerwesens sprechen. Es geht für mich darum, eine sachgerechte Abwägung des Für und Wider dieser Pflichtmitgliedschaft vorzunehmen. Die Interessenvertretung auch kleinerer Gewerbetreibender durch die Kammern halte ich beispielsweise für eine sinnvolle Einrichtung. Die Frage, welche Pflichten, auch bei den Beiträgen, sich daraus ergeben, ist dabei kritisch zu hinterfragen. Sie funktioniert jedoch nur, wenn alle mitmachen. Würde die obligatorische Mitgliedschaft fallen, bestünde aus meiner Sicht die Gefahr, dass die Interessenvertretung geschwächt und nicht mehr effektiv wahrgenommen werden würde. Gerade im Bereich der Organisation von Ausbildungsplätzen bin ich froh, dass dies von den Kammern und nicht vom Staat geleistet wird. Hier sehe ich eine gesellschaftliche Aufgabe, die die Wirtschaft über das Kammerwesen in ihrer Verantwortung regeln sollte.

Um einmal einen Einblick in das Tätigkeitsfeld der Kammern zu geben, sei mir die folgende Aufzählung gestattet:(die ich nicht kopiert, sondern recherchiert habe)

IHKs halten ein umfangreiches Leistungsspektrum bereit, wie etwa die Betreuung von 870.000 Auszubildenden. In diesem Zusammenhang nehmen sie jährlich 270.000 Zwischenprüfungen und 322.000 Abschlussprüfungen ab. IHKs und Handwerkskammern haben den Ausbildungspakt aus der Taufe gehoben und bieten mit ihrem Engagement den Jugendlichen in Deutschland eine Perspektive. Gäbe es die Kammern nicht, müsste der Staat die gesamte duale Ausbildung übernehmen. Allein an Prüfungshonoraren kämen jährlich mehrere hundert Mio. Euro auf den Bund und damit die Steuerzahler zu.

Darüber hinaus leisten Kammern: z. B. die öffentliche Bestellung und Betreuung von etwa 7.700 Sachverständigen und die Beantwortung von rund 110.000 Anfragen von Gerichten, Unternehmen und Privatpersonen, die nach geeigneten Sachverständigen suchen, die Ausstellung von jährlich etwa 1,8 Millionen Exportdokumenten sowie etwa 370.000 Existenzgründungsberatungen.

IHKs haben innerhalb von 3 Monaten bereits etwa 100.000 Versicherungsvermittler in das Versicherungsvermittlerregister aufgenommen – ein Beispiel für eine weitere hoheitliche Aufgabe, die IHKs anstelle des Staates übernehmen. Daneben werden Einigungsstellen für Wettbewerbsstreitigkeiten betrieben, wo jährlich immerhin rund 930 Fälle verhandelt werden. Auch gutachterliche Stellungnahmen zu Förderanträgen, zur Eintragungsfähigkeit im Handelsregister oder zur Bauleitplanung werden von IHKs erbracht.

Nach meiner Einschätzung ist die staatliche Bereitstellung all dieser Leistungen keine Alternative. Vermutlich würden die gesamtwirtschaftlichen Kosten für diese Leistungen steigen. Insofern halte ich - unabhängig von der Notwendigkeit, die Kammertätigkeiten auch kritisch zu begleiten - die Pflichtmitgliedschaft bei einer derzeit durchschnittlichen Beitragslast der Mitglieder von 157 Euro pro Jahr für nach wie vor erforderlich und sachgerecht, und 40 Prozent aller Mitglieder einer IHK zahlen keinen Beitrag.

Damit überwiegen aus meiner Sicht die Vorteile dieser "Pflichtmitgliedschaft" gegenüber den Nachteilen.

Grundsätzlich halte ich dennoch jegliche Form von Pflichtmitgliedschaften für unglücklich. Hier jedoch fehlen andere Perspektiven, die derzeit praktikabel wären. Alternativ bliebe derzeit nur der Staat. Übernimmt dieser aber die Aufgaben der IHK´s, geht dies immer auch mit einer höheren Belastung der Steuerzahler einher, was auch bedacht werden muss. Wenn es also, wie vorliegend, keine anderen Möglichkeiten als die Pflichtmitgliedschaft gibt, muss diese so demokratisch wie möglich ausgestaltet werden. Das heißt, dass konkret, dass es mehr Partizipationsmöglichkeiten für Mitglieder geben muss. So sehe ich bei den IHK´s beispielsweise im Wahlverfahren Verbesserungsbedarf.

Wichtig ist aber auch, dass in dem vielstimmigen "Getöse" der unterschiedlichen Lobbyisten die Stimme der IHK´s immer klar und deutlich bei der Politik vernehmbar ist. Die Interessen der Angehörigen der Industrie, des Handels, sowie der übrigen Gewerbetreibenden jedenfalls werden durch die IHK wie durch kaum andere vertreten, jedenfalls so meine Erfahrung als Abgeordneter.

Mit freundlichen Grüßen

Otto Fricke

P.S.: Zu Ihrer Information können Sie im Folgenden auch § 1 IHKG lesen, der die Aufgaben der IHK´s klar umschreibt:

§ 1 [1] [Aufgaben und Befugnisse]

(1) Die Industrie- und Handelskammern haben, soweit nicht die Zuständigkeit der Organisationen des Handwerks nach Maßgabe des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) vom 17. September 1953 (Bundesgesetzbl. I S. 1411) gegeben ist, die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen; dabei obliegt es ihnen insbesondere, durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützten und zu beraten sowie für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken.

(2) Die Industrie- und Handelskammern können Anlagen und Einrichtungen, die der Förderung der gewerblichen Wirtschaft oder einzelner Gewerbezweige dienen, begründen, unterhalten und unterstützen sowie Maßnahmen zur Förderung und Durchführung der kaufmännischen und gewerblichen Berufsbildung unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des Berufsbildungsgesetzes, treffen.

(3) Den Industrie- und Handelskammern obliegt die Ausstellung von Ursprungszeugnissen und anderen dem Wirtschaftsverkehr dienenden Bescheinigungen, soweit nicht Rechtsvorschriften diese Aufgaben anderen Stellen zuweisen.

(4) Weitere Aufgaben können den Industrie- und Handelskammern durch Gesetz oder Rechtsverordnung übertragen werden.

(4a) Industrie- und Handelskammern können einzelne, ihnen nach diesem Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes obliegende Aufgaben einvernehmlich einer anderen Industrie- und Handelskammer übertragen oder zu ihrer Erfüllung öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse bilden.

(5) Nicht zu den Aufgaben der Industrie- und Handelskammern gehört die Wahrnehmung sozialpolitischer und arbeitsrechtlicher Interessen.

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