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Otto Fricke
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Frage von Rolf W. •

Frage an Otto Fricke von Rolf W. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Fricke,

in Ihrem Wahlkreis vertreiben Sie per Plakat die Parole: „Endlich Schluss mit Schulden!“ Sie stimmten aber am 19.07.2012 für die Milliardenhilfen für spanische Banken. Sie stimmten am 29.06.2012 für den ESM. Sie stimmten zweimal für die Ausweitung des Euro-Rettungsschirmes. Sie haben mehr Schulden gemacht, als sämtliche sozial-liberalen Koalitionen in den 1970er Jahren zusammen. Wie passt das mit Ihrer Parole zusammen? Soll der Bürger Ihre Parole so verstehen, dass Sie nach der Bundestagswahl einen Währungsschnitt wie 1948 durchführen und damit die deutschen Bürger um ihr Hab und Gut betrügen wollen? Dann wäre in der Tat Schluss mit Schulden und Sie könnten am selben Tag noch damit beginnen, wieder neue Schulden zu machen. Bitte erklären Sie mir die „Message“ Ihrer Parole.

Mit freundlichen Grüßen
Rolf Werle

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Werle,

es freut mich sehr, dass Sie Ihre Anfrage, die mich bereits per Mail erreicht hat, auch hier bei Abgeordnetenwatch stellen, damit meine Antwort einem größeren Publikum zu Teil wird. Da beide Schreiben identisch sind, erlauben Sie mir auch unterschiedslos zu antworten.

Der in Ihrer Anfrage an mich formulierte Gedanke kommt mir bekannt vor, zumal er von einer ganz bestimmten "Alternativvorstellung" für Deutschlands Zukunft geprägt sein dürfte. Sie sprechen dabei nicht unsere eigene Haushaltspolitik in Deutschland, sondern die Auswirkungen der Eurokrise an. Lassen Sie mich daher zweigeteilt antworten. In dem ersten Teil möchte ich Ihnen meine Beweggründe für unsere Stabilisierungspolitik aufzeigen. Im zweiten Teil würde ich ihnen einige Hinweise zu unserer eigenen Haushaltspolitik geben wollen.

Teil 1:

In der Tat sind wir mit den bisherigen Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro auch Risiken für den Bundeshaushalt eingegangen. Wie immer im Leben gab es auch zu den von uns ergriffenen Stabilisierungsmaßnahmen mindestens eine "Alternative". Im konkreten Fall gibt es sogar im Grunde zwei andere Handlungsoptionen (insgesamt also drei Grundrichtungen, womit dann schon nicht mehr von "Alternativen" gesprochen werden kann, da dieser Begriff (lat. alter - neuter) zwingend bloß zwei Handlungsoptionen voraussetzt.

Nach der einen Handlungsoption hätten wir nichts getan und unsere Gemeinschaftswährung einfach gegen die Wand fahren lassen. Der Bankrott eines Mitgliedstaates hätte andere Mitgliedstaaten aufgrund des negativen Lerneffektes der Kapitalmärkte mit in den Abgrund gerissen. In der Folge wäre jedoch nicht nur der europäische Wirtschaftsraum zusammengebrochen (was uns als Exportnation durchaus tangiert hätte) sondern auch die deutschen Spareinlagen. Was bei einem solchen Szenario, abgesehen von dem politischen Trümmerfeld Europa, für staatliche Stabilisierungsmaßnahmen erforderlich gewesen wären kann nur im Billionenbereich taxiert werden.

In dem anderen Handlungsextrem würde man nach den Plänen von rot-grün vorgehen und alle Schulden Europas mittels der Einführung sog. Eurobonds vergemeinschaften. In der Konsequenz würde Deutschland für alle Schulden alleine haften (gesamtschuldnerisch) und es gäbe einen Reformdruck in Krisenländern.

Daher gehen wir Liberale den Mittelweg. Wir stützen Krisenstaaten der Eurozone, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, um die Eurozone wieder wettbewerbsfähig zu machen.

Feste Bedingungen hierfür sind, dass

1. andernfalls eine konkrete Ansteckungsgefahr auf die Gemeinschaftswährung insgesamt besteht.

2. ein effektives Sanierungsprogramm zur Beseitigung der Probleme ausgehandelt ist und

3. ein konkreter und realistischer Fahrplan zu Rückkehr des Staates an den Markt aufgestellt wurde (Schuldentragfähigkeit).

Jegliche Hilfsmaßnahmen stehen übrigens unter einem strikten Parlamentsvorbehalt, den die FDP koalitionsintern durchgesetzt hat. Keine Hilfsmaßnahme darf ohne vorherige Zustimmung des Deutschen Bundestages gestartet werden. Dieser Vorbehalt ist vom Bundesverfassungsgericht weitgehend bestätigt worden.

Eine stabile Gemeinschaftswährung ist die Grundvoraussetzung für Wachstum und Wohlstand in Deutschland und Europa. Nachdem der Stabilitätspakt von Maastricht durch die damalige rot-grüne Bundesregierung vier Mal in Folge gebrochen und danach aufgrund eigener finanzpolitischer Unzulänglichkeit auf rot-grüne Initiative bis zur Unkenntlichkeit aufgeweicht wurde, ließen auch andere Euro-Mitgliedstaaten die haushaltspolitischen Zügel locker. Die Folge ist die gegenwärtige Verschuldungskrise in Europa. Das süße Gift der Staatsverschuldung hat viele Staaten geschwächt und zu massiven Refinanzierungsproblemen geführt. Schwarz-Gelb musste diesen Scherbenhaufen mühsam aufkehren. Mit dem ESM haben wir ein Instrument geschaffen, das Staaten bei Gefahr für die Eurozone insgesamt stabilisieren kann, wenn sie im Gegenzug strenge Sanierungsauflagen zur Wiederherstellung ihrer Wettbewerbsfähigkeit erfüllen.

Der Fiskalvertrag beinhaltet dauerhaft verlässliche Defizitregeln, deren Verletzung automatisch zu Sanktionen führt. Dies sind die beiden zentralen Säulen der von dieser Koalition errichteten Stabilitätsunion. Rot-Grün will demgegenüber die Vergemeinschaftung aller Schulden über Eurobonds mit der Folge, dass sich keiner mehr an Regeln halten muss und Deutschland für alle Schulden haftet. Die FDP hingegen setzt auf Solidität bei der Haushaltsführung und kämpft für ein wettbewerbsfähiges Europa, das von Freiheit und Eigenverantwortung geprägt ist. Dieser Weg zur Errichtung einer Stabilitätsunion muss konsequent weiter beschritten werden.

Wir Liberale wollen uns aber nicht alleine auf Verträge verlassen, denn wir wissen aus Erfahrung mit dem Stabilitätspakt, dass Verträge von den jeweils amtierenden Regierungen interpretiert werden können. Besser als alle Verträge haben schon immer knappe Finanzmittel und steigende Zinsen auf Staatsschulden Regierungen zu Reformen motiviert. Um diese Motivation zu Reformen in den Krisenstaaten zu erhalten, und um unsere Steuerzahler vor unzumutbaren Belastungen zu schützen, haben wir uns daher mit Erfolg für begrenzte und knappe Finanzhilfen und gegen Vergemeinschaftung von Schulden eingesetzt, wie sie z.B. Grüne und SPD immer wieder gefordert haben.

Teil 2:

Zu der von mir auf den Plakaten aufgestellten Forderung nach einem Ende der Schuldenpolitik können wir auf Bundesebene (übrigens in krassem Gegensatz zum rot-grün regierten NRW) auf beachtliche Erfolge verweisen.

Haushaltspolitik unter FDP-Verantwortung macht eben offenbar doch den Unterschied.

Zentrale Säulen liberaler Haushaltspolitik sind Konsolidierung, Ausgabendisziplin, Wachstumsimpulse und der Verzicht auf Steuererhöhungen.

Die liberale Handschrift zeigt sich u.a. in folgenden Punkten:

1. Reduzierung der Nettokreditaufnahme (NKA) um 80 Mrd. € innerhalb von 4 Jahren (2010-2014)

2. Absenken des Ausgabenniveaus um 8,3 Mrd. € (2010-2014)

3. 2014 erstmals seit 40 Jahren ein strukturell ausgeglichener Haushalt

4. Keine Neuverschuldung in 2015 geplant

5. Schuldentilgung bereits 2015 vorgesehen

6. Seit 2012 - und damit 4 Jahre früher als verlangt - wird die von der Verfassung vorgegebene „Schuldenregel“ (0,35 % des BIP) eingehalten

Das kluge Zusammenspiel von Wachstums- und Konsolidierungspolitik trägt Früchte. Der Arbeitsmarkt ist auf hohem Niveau stabil, die Erwerbstätigenzahlen erzielen Rekordwerte, die Sozialkassen erwirtschaften Überschüsse und die Steuereinnahmen sprudeln. Dies ist auch gut für Europa. Deutschland trotzt der Staatsschuldenkrise und bleibt somit der finanzpolitische Stabilitätsanker im Euroraum.

Gegenüber dem zuletzt vom SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück aufgestellten Haushalt 2010 (NKA: 86,1 Mrd. €) kann die Nettokreditaufnahme um rd. 80 Mrd. € auf 6,2 Mrd. € im Jahr 2014 abgesenkt werden. Dies ist die niedrigste Neuverschuldung des Bundes seit 40 Jahren.

Die Ausgabendisziplin ist ein Markenzeichen der Koalition und steht beispielhaft für erfolgreiche Haushaltskonsolidierung. Für das Jahr 2014 ist eine nochmalige Reduzierung des Ausgabenniveaus vorgesehen. Mit geplanten 295,4 Mrd. € liegen die Ausgaben damit um 8,3 Mrd. € unter den Ausgaben zu Beginn der Legislaturperiode (2010: 303,7 Mrd. €).

Eine Absenkung der Ausgaben, wie sie uns in dieser Legislatur gelungen ist, ist einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik! Im Gegensatz zu dieser wachstumsorientierten Sparpolitik erhöhte etwa Rot-Grün in ihrer Regierungszeit die Ausgaben um rd. 13 Mrd. Euro (1999-2005) und die „Große Koalition“ um 31,3 Mrd. Euro (2006-2009). Diese Zahlen belegen, dass Haushaltspolitik nur verantwortungsvoll gestaltet wird, wenn die FDP regiert.

Vielleicht konnte ich ihnen mit diesen, zugegeben etwas umfangreicheren, Informationen mein Hauptanliegen für die nächste Legislatur etwas näher bringen und die "wahre Alternative" zu gefährlichen Radikallösungen aufzeigen.

Mit freundlichen Grüßen

Otto Fricke

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