Portrait von Otto Fricke
Otto Fricke
FDP
100 %
30 / 30 Fragen beantwortet
Frage von Jürgen P. •

Frage an Otto Fricke von Jürgen P. bezüglich Jugend

Sehr geehrter Herr Fricke,

anknüpfend an die Frage von Herrn Gengnagel, möchte ich Sie einerseits fragen, ob Sie den großartigen Beitrag "Minima moralia" von Prof. Dr. Reinhard Merkel in der FAZ vom 26.11.12, dort Seite 8, und die darin enthaltene Argumentation kennen, und andererseits, ob Sie gewillt sind, dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Beschneidung von Jungen zuzustimmen.

Ich persönlich fände eine solche Zustimmung fatal und ich vermute, dass dies der überwiegende Teil der Wähler in Ihrem Krefelder Wahlbezirk auch so empfinden würde.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jürgen Plehn

Portrait von Otto Fricke
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Dr. Plehn,

erst einmal wünsche ich Ihnen ein gutes Neues Jahr und entschuldige mich gleichsam für die lange Bearbeitungszeit. Die Feiertage gehörten ganz meiner Familie, die mich im letzten Jahr zu wenig gesehen haben.
Vielen Dank für den Hinweis auf den Artikel von Herrn Prof. Dr. Merkel zum Thema Beschneidung, den ich aufmerksam gelesen habe. Selbstverständlich war mir, als Stellvertretenes Mitglied im Familienausschuss, auch seine Stellungnahme < http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a06/anhoerungen/archiv/31_Beschneidung/04_Stellungnahmen/Stellungnahme_Merkel.pdf > zum Regierungsentwurf bekannt.
Da sie auf meine Antwort an Herrn Gengnagel verweisen, muss ich meine grundsätzliche Abwägung nicht noch einmal darlegen und darf ebenfalls auf meine Antwort an Herrn Müller < http://www.abgeordnetenwatch.de/otto_fricke-575-37569.html#questions > aufmerksam machen, in dem ich die intensive Auseinandersetzung der Abgeordneten mit den zuständigen Sachverständigen aus Medizin, Recht und Wissenschaft bzw. den Betroffenen darlege.
Sie werden sicherlich die sachliche und ausgewogene Debatte verfolgt und zur Kenntnis genommen haben, dass der Bundestag mit den Stimmen der Koalition und vieler Oppositionsabgeordneter die Beschneidung nun gesetzlich geregelt hat. Die Entscheidung fiel mit 434 Ja-Stimmen bei 100 Gegenstimmen und 46 Enthaltungen für den Gesetzesentwurf des Bundesregierung aus. Damit sind die ärztlich fachgerecht ausgeführte Beschneidungen bei Jungen bis zum sechsten Monat des Kindes grundsätzlich zulässig. Ich glaube, dass mit diesem Gesetzentwurf < http://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/RegE%20Gesetz_ueber_den_Umfang_der_Personensorge_bei_einer_Beschneidung_des_maennlichen_Kindes.pdf?__blob=publicationFile > ein guter Kompromiss gelungen ist. Der Bundestag hatte nach dem Urteil des Kölner Landgerichtes verlangt, dass die Bundesregierung "einen Gesetzentwurf vorzulegen (müsse), der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist". Die Bundesregierung sollte dabei nicht nur das Recht auf körperliche Unversehrtheit beachten, sondern auch die anderen betroffenen Rechte: die Religionsfreiheit und das Recht der Eltern auf Erziehung.
Der Regierungsentwurf ist dieser Aufforderung umfänglich nachgekommen. Beschneidungen werden künftig im Sinne des Kindeswohls sinnvoll eingegrenzt < http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-07/forderung-gesetz-beschneidung >. Ein neuer Paragraf 1631 d m Familienrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs klärt, dass der Erziehungsberechtigten das Recht hat, "in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll". Grenzen sind gesetzt, wenn das Kindeswohl gefährdet ist. In den ersten sechs Monaten darf auch ein entsprechend befähigter nicht-ärztlicher Beschneider den Eingriff vornehmen. Darüber hinaus stellt Deutschland damit unter Beweis, dass es ein weltoffenes und tolerantes Land ist und bleibt, in dem Juden und Muslime willkommen sind. Denn Religionsfreiheit und religiöse Toleranz sind tragende Pfeiler unserer demokratischen Gesellschaft.
Selbstverständlich hat mir die, vielfach geäußerte und relevante, Kritik diese Entscheidung keineswegs leicht gemacht. Es ist ein Thema, das weiterhin auf meiner persönliches Agenda bleibt, auch um die Entscheidung immer wieder zu reflektieren. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang noch auf das Abstimmungsverhalten meiner Krefelder Kollegen aufmerksam machen: Ansgar Heveling, MdB < http://www.ansgar-heveling.de/ > (CDU) und Sigmund Ehrmann, MdB < http://www.siegmund-ehrmann.de/ > (SPD) haben ebenfalls zugestimmt, während Bernd Scheelen, MdB < http://www.berndscheelen.de/joo/ > (SPD) das Gesetz abgelehnt hat. Daran kann man gut erkennen, wie kontrovers dieses Thema auch innerhalb der verschiedenen Fraktionen diskutiert wurde.
Es tut mir leid, dass ich diesmal Ihrem Anliegen damit nicht nachkommen konnte, möchte Sie aber ermutigen mir auch weiterhin Ihre Meinungen und Sichtweisen auf aktuelle politische und gesellschaftliche Herausforderungen mitzuteilen, denn nur wer seine Stimme erhebt, kann auch gehört werden.

Mit freundlichen Grüßen
Otto Fricke

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Otto Fricke
Otto Fricke
FDP