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Oliver Krauß
CDU
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Frage von Anna L. •

Wie positionieren Sie sich hinsichtlich der Prüfung eines potentiellen Verbots der AfD?

Sehr geehrter Herr Krauß,
ich wende mich an Sie als mein zuständiger demokratischer Vertreter für meinen Wahlkreis im Landtag NRW. Ich möchte Sie bitten sich im Rahmen Ihrer Möglichkeiten dafür einzusetzen, dass die Prüfung eines Verbots der AfD beim zuständigen Bundesverfassungsgericht beantragt wird. Die vor zwei Tagen veröffentlichte Correctiv-Recherche zeigt deutlich, dass die AfD starke Tendenzen hat, unsere Demokratie zu untergraben. Und wenn eine Partei bestrebt ist, die Demokratie abzuschaffen, ist es demokratisch diese Partei zu verbieten. Wir müssen in Deutschland aus unserer Geschichte lernen und ich möchte Sie bitten Ihren Teil dazu beizutragen.
Herzlichen Dank und freundliche Grüße

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau L,

für Ihre Anfrage über das Internet-Portal „abgeordnetenwatch.de“ bedanke ich mich vielmals, insbesondere für Ihr Engagement für unsere freiheitliche Verfassungsordnung, demokratisch, rechtsstaatlich, offen und tolerant.

Wichtig ist mir zunächst zu verdeutlichen, dass ich als Abgeordneter des nordrhein-westfälischen Landtags auf ein Parteiverbotsverfahren, wie es mit nachvollziehbaren Argumenten gewünscht wird, keinen unmittelbaren Einfluss nehmen kann. Ein Parteiverbotsverfahren können nur die Bundesregierung, der Bundesrat und der Bundestag beantragen. Es sind alle drei oberste Bundesorgane. Über ein Verbot entscheidet ausschließlich das Bundesverfassungsgericht.

Zweimal sind in der Geschichte der Bundesrepublik Parteiverbote ausgesprochen worden: im Jahr 1952 gegen die „Sozialistische Reichspartei“ (SRP) und im Jahr 1956 gegen die „Kommunistische Partei Deutschlands“ (KPD). Spätere Verbotsverfahren gegen die NPD hatten keinen Erfolg.

Ich teile Ihre Auffassung, „dass die AfD starke Tendenzen hat, unsere Demokratie zu untergraben“. In mehreren Bundesländern wird die AfD bzw. auch ihre Jugendorganisation, die „Junge Alternative“, als gesichert rechtsextrem eingestuft. Auch in Nordrhein-Westfalen beobachtet der Verfassungsschutz genau, „ob und wie sich große Teile der Organisation der Partei der AfD explizit gegen die verfassungsmäßige Ordnung“ unseres Landes richten.

Die Frage, was für und was gegen ein Verbotsverfahren spricht, ist selbstverständlich regelmäßig Thema auch im nordrhein-westfälischen Landtag. Es gibt unterschiedliche Einschätzungen, soweit ich sehe, nicht nur in der CDU. Durch das „Geheimtreffen in Potsdam“ mit der Aktionsrichtung, Millionen von Mitmenschen zu vertreiben, hat die rechtsextreme Bewegung nochmal eine neue Qualität erhalten. Das ist rechtsextrem, ohne Wenn und Aber.

Persönlich bin ich in der Momentaufnahme skeptisch, ob ein Verbotsverfahren den Erfolg haben kann, den sich viele Mitbürgerinnen und Mitbürger wünschen – ganz einfach gesagt, dass es die AfD nicht mehr gibt. Ich will meine Einschätzung gerne kurz begründen. In einer Petition, auf die ich kürzlich in dem nämlichen Anliegen, für ein Verbotsverfahren einzutreten, angesprochen wurde, lautet die Argumentation beispielhaft: "Die Anzeichen sind erdrückend […]. Stellt sich heraus, dass die AfD unsere Demokratie bedroht, dann muss sie verboten werden. Eine solche Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht würde Klarheit schaffen. Wenn die Voraussetzungen wirklich nicht erfüllt sein sollten, dann können wir alle erleichtert sein wegen dieser Bestätigung. Falls die AfD wirklich hinter unserer Verfassung steht, sollte sie einer solchen Prüfung gelassen entgegensehen." 

Wäre das wirklich so? Wenn ein Parteiverbotsverfahren zu dem Schluss käme, dass „Voraussetzungen wirklich nicht erfüllt sind“, dann ist es von da aus gedanklich nicht weit bis zu dem Folgeschluss: die AfD ist legal und sie ist sogar legitim – gewissermaßen mit „Zertifikat“ des Bundesverfassungsgerichtes. Zumindest ich wäre in einem solchen Fall nicht bei denen, die dann „alle erleichtert“ sind.

Ein Parteiverbotsverfahren muss oder müsste aus meiner Sicht absolut rechtssicher und mit guten Erfolgsaussichten angestrengt werden. Eine nur kurze Internetrecherche zeigt schon die Besorgnis, dass ein Verfahren inklusive eines Vorverfahrens („ob das Hauptverfahren eröffnet wird oder der Antrag als unzulässig bzw. als nicht hinreichend begründet zurückzuweisen ist“) als sehr langwierig zu vermuten ist, mit hohen „Hürden“, die es aus guten Gründen gibt. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat bietet, wie ich gesehen habe, auf der eigenen Internetpräsenz einen kompakten Überblick, unter:

https://www.bmi.bund.de/DE/themen/verfassung/parteienrecht/parteiverbot/parteiverbot-node.html

Sie schreiben: „Und wenn eine Partei bestrebt ist, die Demokratie abzuschaffen, ist es demokratisch, diese Partei zu verbieten.“ Wichtig ist die Feststellung: „Eine Partei kann nur dann verboten werden, wenn sie nicht nur eine verfassungsfeindliche Haltung vertritt […]. Die Partei muss vielmehr planvoll das Funktionieren der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigen wollen.“ Diesbezüglich sind Bilder aber noch (?) uneinheitlich.

Wenn ein Parteiverbotsverfahren lange Zeit läuft, ist eine Wahrscheinlichkeit nicht zu übersehen, dass sich Stimmung währenddessen zugunsten der AfD wandelt – und den demokratischen Parteien angekreidet wird, sie könnten die Probleme nicht fair lösen, für die die AfD ihre „einfachen Lösungen“ zynisch vorspielt. Neue Verschwörungstheorien und die Parolen wären absehbar, dass einer „erschöpften Demokratie“ nichts anderes mehr einfällt, als diejenigen verbieten zu wollen, die den vermeintlichen „Klartext sprechen“. Vertrauen in die Demokratie würde beschädigt. Die AfD würde sich in der sprichwörtlichen „Märtyrerrolle“ befinden.

Wenn es die Erkenntnisse der genauen weiteren Beobachtung in Zukunft allerdings als notwendig erscheinen lassen, die äußersten rechtsstaatlichen Konsequenzen zu ziehen, wenn der Weg des Parteiverbotsverfahrens gewählt wird und wenn er Erfolg hat – auch dann ist das rechtsextreme Gedankengut nicht „aus der Welt“. Es wird sich andere Wege suchen, um Menschen gegeneinander auszuspielen, zu spalten und die zu verführen, die unzufrieden sind oder mit Angst in die Zukunft blicken.

Deshalb finde ich, was aus allen demokratischen Parteien im Moment sehr betont wird, richtig: Die politische Entscheidungsfindung in Deutschland muss wieder besser werden, im fairen politischen Ringen um die besten politischen Lösungen. Die Bedrohung unserer freiheitlichen Ordnung greift in der Mitte unserer Gesellschaft alle an: alle, die ein vernünftiges Menschenbild haben. Es liegt an den demokratischen Parteien, miteinander zu reden, Argumente zu tauschen und gemeinsam aufzubauen. Man muss nicht einer Meinung sein, aber man muss zusammenarbeiten und zu Ergebnissen kommen, die weiterhelfen. Mit dieser Zusammenarbeit müssen Politikerinnen und Politiker wieder viel mehr überzeugen, um auch die zurückzugewinnen, die sich aus Enttäuschung abgewendet haben – und nicht, weil sie dem menschenverachtenden Bild im Kern der AfD zustimmen.

Und das gilt auch für uns in der Gesellschaft, die verliert, wenn sie Besitzstand nur verwalten will. Jede und jeder kann eigene Grenzen überwinden, entdecken, neu wagen und gemeinschaftlich neu machen. Die großen und bunten Kundgebungen gegen die, die ein weltoffenes Land geringachten, machen großen Mut – und Eindruck. Es gibt bemerkbar ein neues Bewusstsein davon, dass Demokratie und Rechtsstaat keine Selbstverständlichkeit sind. Sondern dass wir sie schützen müssen – und dass sehr viele das gerade tun. Damit werden auch Mitmenschen erreicht, die der AfD nicht aus Überzeugung, sondern vor allem aus Protest zugestimmt haben. Es ist jetzt noch klarer zu sehen, was auf dem Spiel steht: Menschenwürde, Gleichberechtigung, Respekt, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit … .

Dafür weiter einig zusammenzustehen und nicht nachzulassen, für unsere Verfassung ein inneres Engagement einzugehen, finde ich ganz besonders wichtig. Friedrich Merz hat es als Bundesvorsitzender der CDU kürzlich so gesagt, aber die Sichtweise ist natürlich nicht nur Sache der CDU: Wenn wieder mehr Mitmenschen in den demokratischen Parteien mitarbeiten – „sei es die SPD, die FDP, die Grünen, die CDU, die CSU“ … –, wäre das zusätzlich zu den Kundgebungen eine große Hilfe. Es wird gebraucht, dass viele sich in den Parteien einmischen, um an der politischen Willensbildung auch auf die größere Dauer mitzuwirken – Position beziehen, diskutieren, Unterschiede aufnehmen, für eigene Überzeugungen vielleicht sogar kandieren. Da „liegt auch ein Teil der Schwäche unserer Demokratie“, dass die Bereitschaft, Bindungen einzugehen, oft eher abnimmt.

Sehr geehrte Frau L,

ich hoffe, ich konnte Ihnen verdeutlichen, warum ich in der jetzigen Abwägung die Einleitung eines Parteiverbotsverfahren für eher nachteilig halte, um das Ziel zu erreichen, die AfD und die niedrige Gesinnung in ihr zu entkräften. Es ist, wie gesagt, eine Momentaufnahme. Wir alle bleiben aufgefordert, sehr wachsam zu sein.

Denn die zersetzende Politik der AfD und die Niedertracht bei dem „Geheimtreffen von Potsdam“ beunruhigen uns zu Recht.

Mit freundlichen Grüßen

Oliver Krauß MdL

/TK

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