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Ole Thorben Buschhüter
SPD
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Frage von Holger D. •

Frage an Ole Thorben Buschhüter von Holger D. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Buschhüter,

ich schreibe an Sie, weil Sie der Verkehrsexperte der SPD und mein Wahlkreisabgeordneter sind.
Ich habe auf Ihrer Internetseite mit Freude gelesen, dass die S4 jetzt in die Bauphase geht. Auch die Planungsfortschritte bei U4 und U5 verfolge ich mit Interesse. Planungen bei solchen Verkehrslinien dauern sehr lange, darum ist meine Frage an Sie: Wie geht es dann weiter? Planen Sie bzw. die Landesregierung weitere Linien oder Erweiterungen für Hamburg? Und welche Ideen verfolgen Sie bei dem Problem, die Menschen von den Bahnen an ihr Ziel zu bringen? Ist eine Verdichtung der Buslinien Ihre bevorzugte Lösung, oder rechnen Sie auf längere Sicht mit kleinen autonom direkt zum Ziel fahrenden Verkehrsmitteln?
Der Umstieg vom privaten Autoverkehr auf den öffentlichen Personenverkehr erfordert nicht nur eine größere Attraktivität der öffentlichen, sondern auch eine Verminderung der Attraktivität des Autofahrens. Was planen Sie, um den Hamburgern die Benutzung des eigenen PKW als weniger sinnvolle Lösung erscheinen zu lassen?
Da Abgeordnetenwatch keine Dankesfunktion vorsieht, bedanke ich mich im Voraus für Ihre Antwort.

Mit freundlichem Gruß aus Hamburg-Oldenfelde
Holger Dierks

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dierks,
 
vielen Dank für Ihre Frage. Ich habe heute erst bemerkt, dass meine Antwort im Oktober offenbar nicht rausgegangen ist. Bitte entschuldigen Sie, dass Sie sie daher erst heute (teilweise aktualisiert) erhalten.
 
Es freut mich dass Sie die Fortschritte bei S4, U4 und U5 interessiert verfolgen. Diese Projekte sind Teil einer ganzheitlichen Strategie zur Stärkung des Umweltverbunds, also des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV)
und des Rad- und Fußverkehrs im Stadtverkehr. Der Anteil des ÖPNV am wegebezogenen Modal Split soll im Rahmen des Hamburg-Takts von 22 Prozent im Jahr 2017 auf 30 Prozent im Jahr 2030 gesteigert werden, der
Anteil des Radverkehrs auf 25 bis 30 Prozent. Insgesamt hat sich Hamburg zum Ziel gesetzt, den Anteil der im Umweltverbund zurückgelegten Wege im Lauf des Jahrzehnts auf 80 Prozent zu erhöhen.

 
Der Hamburg-Takt beschreibt einen weitreichenden Paradigmenwechsel im ÖPNV von einer nachfrage- hin zu einer angebotsorientierten Planung. Ziel ist es, mittels erheblicher Angebotsausweitung im Schnellbahn- und Busverkehr sowie durch die Einbindung von On-Demand-Verkehren in den ÖPNV dem Fahrgast bis 2030 binnen 5 Minuten ein adäquates öffentliches Verkehrsangebot bereit zu stellen. Durch massiven Angebotsausbau (dichteres Netz und dichtere Takte)
sollen die Hamburgerinnen und Hamburger überzeugt werden, vom privaten Pkw auf den ÖPNV umzusteigen – oder, wie Sie es formulieren, „die Benutzung des eigenen PKW als weniger sinnvolle Lösung erscheinen zu
lassen“.
 
Die Hamburgerinnen und Hamburger sollen sich dabei auf ein dichtes, gut erreichbares und
hervorragend getaktetes Nahverkehrsangebot verlassen können und künftig an jedem Ort der Stadt von morgens bis in die Abendstunden innerhalb von fünf Minuten ein Nahverkehrsangebot erreichen können. Den klassischen ÖPNV-Angeboten kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Diese werden bei Bedarf in subsidiärer Weise durch On-Demand-Verkehre ergänzt. Damit werden nicht nur der Blick in den Fahrplan überflüssig und der HVV als reale Alternative zum
Auto massiv gestärkt, sondern auch die Fahrkarten im HVV werden deutlich werthaltiger, weil das Angebot, das hinter jedem einzelnen Ticket steht, erheblich attraktiver wird.

 
Die Stadt wird den Hamburg-Takt gemeinsam mit dem HVV, der Metropolregion Hamburg und den Nachbarländern sukzessive in den nächsten Jahren durch weitere Angebotsoffensiven entwickeln und sich
auf Bundesebene dafür einsetzen, das Personenbeförderungsgesetz im Sinne des Hamburg-Takts zu novellieren und dabei insbesondere die Experimentierklausel
weiter zu fassen, um zukunftsorientierten Mobilitätsdiensten mehr Spielräume zu geben.
 
Die wichtigsten Projekte und Aspekte im Zusammenhang mit dem Hamburg-Takt möchte ich hier kurz vorstellen:
 
Neue S-Bahn-Linie S4 Altona - Bad Oldesloe:
Um den Fahrgästen zwischen Hamburg und Bad Oldesloe einen zuverlässigen Nahverkehr bieten zu können, wird auf dieser Strecke die S4 gebaut. Nach dem Bau der separaten S-Bahn-Gleise zwischen Hasselbrook und
Ahrensburg-Gartenholz (ca. 20 km)
verkehrt anstelle der durch den Mischbetrieb (Nah- und Fernverkehre) störungsanfälligen RB81 die neue systemeigene S-Bahn. Zusätzliche
Stationen bieten den Fahrgästen bessere Umsteigemöglichkeiten und kürzere Wege: Viele Ziele innerhalb Hamburgs sind direkt erreichbar, ohne Umstieg am Hauptbahnhof. Im
gesamten Einzugsbereich der neuen Linie S4 profitieren bis zu 250.000 Menschen vom Ausbau und der Einführung der neuen Linie S4. Für den Bau der S4 haben im November 2020 die vorbereitende Arbeiten begonnen.
Für Ende 2025 wird eine Teilinbetriebnahme bis Rahlstedt angestrebt.
 
Verlängerung der U-Bahn-Linie U4 auf die Horner Geest:
Mit der verlängerten U4 wird der Stadtteil Horn an das U-Bahn-Netz angeschlossen. Gebaut
wird eine 1,9 km lange Neubaustrecke, die an der Station Horner Rennbahn aus der U2/U4-Strecle ausfädelt und die die zwei Stationen „Stoltenstraße“ und „Horner Geest“ erhält. 13.000 Anwohnerinnen und Anwohner
profitieren davon. Mit den Bauarbeiten wurde im Februar 2021 offiziell begonnen, 2026 soll die neue U-Bahn eröffnet werden.
Die spätere Verlängerung dieses Linienastes Richtung Jenfeld ist möglich.
 
Neue U-Bahn-Linie U5 Bramfeld – Arenen Volkspark: Mit der U5 bekommt Hamburg eine ganz neue, vollautomatische U-Bahn-Linie (ca. 25 km). Im ersten Abschnitt Bramfeld – Steilshoop – Barmbek-Nord
– City-Nord soll Ende 2021 mit den Bauarbeiten begonnen werden. 2028/2029 soll dieser erste Abschnitt in Betrieb gehen. Im weiteren Verlauf soll die U5 über Winterhude/Uhlenhorst, die Innenstadt, Universität, Hoheluft, UKE und Lokstedt bis zu den Arenen verlaufen.
Mit der Vorentwurfs- und Genehmigungsplanung der U5-Mitte soll 2021 begonnen werden.
Insgesamt soll die vollständige Linie im Endausbau rund 150.000 Personen fußläufig an das Schnellbahnnetz anschließen. Erwartet werden rund 300.000 Fahrgäste täglich.
 
Verlängerung der S-Bahn-Linie S21 nach Kaltenkirchen: Die S21 soll von Eidelstedt bis nach Kaltenkirchen (30 km) verlängert werden, so dass sich umsteigefreie Verbindungen in die Hamburger Innenstadt
ergeben. Hierfür wird die bisher von der AKN befahrene Strecke elektrifiziert und weitestgehend zweigleisig ausgebaut, die Bahnsteige werden umgebaut. Die Station Schnelsen-Süd kommt hinzu. Auf Hamburger Gebiet liegt der Planfeststellungsbeschluss bereits
vor, in Schleswig-Holstein wird der Planfeststellungsbeschluss Ende 2021 erwartet. Mit den Bauarbeiten könnte dann 2023 begonnen werden, Inbetriebnahme könnte dann Ende 2025 erfolgen.
 
Neue S-Bahn-Linie S32 nach Science City (Bahrenfeld)/Lurup/Osdorf: Die 5,8 km lange Strecke soll
aus der Verbindungsbahn westlich der Station Holstenstraße ausgefädelt werden und über die Trabrennbahn Bahrenfeld und Altonaer Volkspark zum Osdorfer
Born
 führen. Gebaut werden sollen sechs neue Stationen, die Strecke soll vollständig unterirdisch trassiert werden.
Die Inbetriebnahme wird für die Mitte der 2030er Jahre angestrebt. Eine spätere Verlängerung nach Schenefeld soll möglich sein.
 
Verlängerung der U-Bahn-Linie U4 auf den Kleinen Grasbrook: Die U-Bahn-Linie U4 soll im Süden von der Station Elbbrücken auf den Kleinen Grasbrook verlängert werden. Für eine weitere Verlängerung
Richtung Wilhelmsburg und Harburg wird eine Machbarkeitsuntersuchung erstellt.
 
Neue Haltestellen: Im Dezember 2019 wurden bereits die neue U1-Haltestelle Oldenfelde (zwischen Farmsen und Berne) und die neue S3/S31-Haltestelle Elbbrücken (mit Übergang zur U4) eröffnet. Die
neue S1/S11-Haltestelle Ottensen ist im Bau und soll Ende 2021 eröffnet werden. Geprüft wird eine zusätzliche U3-Haltestelle Fuhlsbüttler Straße.

 
Neue S-Bahn-Linie S32 nach Harburg: Nach Schaffung der infrastrukturellen Voraussetzungen auf der Harburger S-Bahn-Strecke durch die Deutsche Bahn soll die S32 als dritte Linie neben der S3 und
der S31 mindestens im 10-Minuten-Takt nach Harburg fahren. Um einen störungsfreien Betrieb zu gewährleisten, sind auf der Strecke zusätzliche Weichen und Signale und ein modernes Stellwerk erforderlich.

 
S-Bahn-Linie S2 nach Bergedorf: Der Betrieb der S2, bislang nur Verstärkerlinie, wird kontinuierlich ausgeweitet und mit mehr Vollzügen ausgestattet. Ziel ist es, die S2 zu einer vollwertigen
S-Bahn-Linie zu machen, die nicht nur in den Hauptverkehrszeiten fährt. Außerdem soll auf der S2 der Einsatz von 9-Wagen-Zügen ermöglicht werden. Hierfür ist eine Anpassung der Infrastruktur (Stromversorgung) notwendig.

 
S-Bahn-Linie S11 Blankenese – Poppenbüttel: Der Betrieb der S11 wird im Rahmen der HVV-Angebotsoffensiven ausgeweitet und mit mehr Vollzügen ausgestattet.
 
Insgesamt: Um die wachsende Zahl an Fahrgästen aufzunehmen, sollen auf möglichst vielen Linien bis 2030 Langzüge zum Einsatz kommen. Auf dem Weg zum Hamburg-Takt sollen als Teil der Angebotsoffensive
alle U-Bahnen in Hamburg werktags zwischen 6 und 21 Uhr mindestens im 5-Minuten-Takt fahren, in der inneren Stadt bis zu alle 3 Minuten.
 
Busverkehr: Mit einem massiven Ausbau des Busangebots sollen Versorgungslücken geschlossen und eine gute Anbindung an das U- und Schnellbahnnetz geschaffen werden. Bis 2030 sollen das MetroBus-
ebenso wie das StadtBus-Netz ausgebaut sowie neue Quartiersbusse und Expressbusverbindungen zwischen bedeutenden Stadtteilzentren geschaffen werden. Auch alle anderen Buslinien sollen ausgebaut und verstärkt werden. Die Anzahl der Haltestellen soll um mehrere
Hundert erhöht werden. Weitere Schnellbuslinien werden in zuschlagfreie Expressbus-, Metrobus- und Stadtbuslinien umgewandelt, so dass der Schnellbuszuschlag vollständig abgeschafft wird. Das Expressbusnetz wird ausgerollt, insbesondere um die Tangentialverbindungen
mit dem ÖPNV zu verstärken. Reisezeit ist ein kritischer Faktor für die Wahl von Verkehrsmitteln, daher sollen, wo es sinnvoll ist, für die Busse im Hamburg-Takt die notwendigen infrastrukturellen Anpassungen wie z. B. Ampelvorrangschaltungen, Kreuzungsumbauten,
Busschleusen und ggf. auch Busspuren vorgenommen werden. 
 
Letzte Meile: Für die Mobilität auf der „letzten Meile“ wurde „hvv switch“ entwickelt. „hvv switch“ soll einen einfachen Zugang zu zusätzlichen Angeboten wie StadtRAD und CarSharing-Anbietern
über eine gemeinsame App ermöglichen. Weitere hvv switch-Punkte werden im Stadtgebiet gebaut. Neue Mobilitätsangebote wie plattformbasierte Shuttle-Dienste bieten die Möglichkeit, die Angebote des öffentlichen Verkehrs weiter auszubauen und in die Fläche auszudehnen.
Hierzu werden mit der Hochbahn und der S-Bahn eigene Konzepte entwickelt und der Dialog mit neuen Anbietern gesucht.
 
Park+Ride: Für Pendlerinnen und Pendler aus dem Hamburger Umland sollen wirksame Anreize für die Nutzung des Park+Ride-Angebots gesetzt werden, um sie möglichst weit außerhalb der Innenstadt
zu einem Umstieg auf den ÖPNV zu bewegen.
 
Viele Grüße
Ole Thorben Buschhüter

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