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Michael Schrodi
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Frage von Carsten K. •

Warum ist ein Familiensplitting aus dem letzten Jahrtausend und nationalistisch?

Sehr geehrter Herr Schrodi,

Ich las soeben, dass sie das Familiensplitting als Anachronismus sehen und aufgrund eines Antrages der Afd auch irgendwie in die rechte Ecke stellen wollen. Ich habe mit der Afd nix am Hut, aber ihre Aussage finde ich sehr befremdlich. Ich als Vater von mehr als 3 Kindern, würde dies begrüßen, da nicht nur die Ehe, sondern die Familie unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stehen. Ein Familiensplitting würde große Familien, die ohne Transferleistungen auskommen, deutlich unter die Arme greifen. Warum also gönnen sie das den Familien nicht? Warum ist Familie nur Ehe und nicht alles was eine Versorgungsgemeinschaft ist?

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Sehr geehrter Herr K.,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Die AfD fordert in ihrem Antrag im Bundestag vom 01.12.2022 die Ausweitung des Ehegattensplittings zu einem Familiensplitting, indem auch Kinder in das Splitting mit einbezogen werden sollen. Das Familiensplitting soll dabei so ausgestaltet werden, dass Familien ab dem dritten Kind bis zu einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro keine Einkommenssteuer zahlen.

Ich befürworte jede Unterstützung für Familien, die dazu beiträgt, dass Kinder gute Entwicklungs- und Teilhabechancen bekommen und die es Eltern ermöglicht, Erwerbs-und Familienarbeit partnerschaftlich und für ihre Familie passend zu teilen. Genau das tut das von der AfD vorgeschlagene Modell jedoch nicht. Im Gegenteil: Das Modell entspricht nicht der Realität der meisten Familien, sondern wäre besonders für Alleinverdienerehen – unabhängig von der Kinderzahl - profitabel, in denen ein Elternteil nicht oder nur geringfügig berufstätig ist. Das ist gleichstellungspolitisch kontraproduktiv, da es überwiegend Frauen in der Rolle der Nicht- oder Zuverdienerin hält. Das Modell ist aber auch verteilungspolitisch falsch: Die unteren 20 Prozent, die Familien mit dem geringsten Einkommen, würden davon gar nicht profitieren, weil sie unter dem Grundfreibetrag liegen. Stattdessen erreicht dieses Modell die Bezieher höchster Einkommen, die hier am stärksten entlastet würden. Mit einem Haushaltsjahreseinkommen von 100.000 Euro netto gehört eine Familie mit drei Kindern in Deutschland zu den obersten 10 Prozent der Einkommen. Die Kosten (67 Milliarden Euro) wären immens und ein Geschenk für Gutverdienende, während diese Steuergelder an anderer Stelle fehlen, wo sie gebraucht würden, um Familien mit kleinen und mittleren Einkommen zu entlasten.

Das von der AfD vorgeschlagene Modell wiederholt und verstärkt somit die Probleme, die im Modell des Ehegattensplittings bestehen. Es ist eine überholte Regelung, die aus familienpolitischer Sicht höchst ineffizient und aus gleichstellungspolitischer Sicht ebenso wie für den Arbeitsmarkt äußerst hinderlich ist. Wir haben deshalb im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir die Familienbesteuerung so weiterentwickeln wollen, dass die partnerschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Unabhängigkeit mit Blick auf alle Familienformen gestärkt werden. Gleichzeitig wird es einen Neustart in der Familienförderung geben, indem wir die bisherigen finanziellen Unterstützungen in der neuen Kindergrundsicherung bündeln. Die Kindergrundsicherung soll aus zwei Komponenten bestehen: Einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der für alle Kinder und Jugendlichen gleich hoch ist, und einem vom Elterneinkommen abhängigen, gestaffelten Zusatzbetrag.

Abschließend möchte ich noch auf den von Ihnen angesprochenen Vorwurf des Nationalismus in den beiden Anträgen der AfD eingehen. Die AfD spricht dort vom Geburtendefizit, „ohne Zuwanderung“ und der „Schrumpfung der angestammten Bevölkerung“. Es geht ihnen um den „biologischen Fortbestand der nächsten Generation“, den „Erhalt des deutsches Staatsvolks“. Die AfD reduziert die Frau damit auf die Rolle der Gebärenden und stellt ihre Familienpolitik in den Dienst ihrer nationalistischen Bevölkerungsideologie. In ihrem Fokus steht nicht die Unterstützung von Familien, sondern allein die Anhebung der Geburtenrate zum Erhalt der, wie sie es formulieren, „angestammten Bevölkerung“. Mit einer modernen Familienpolitik, wie alle anderen Parteien sie verstehen, hat das nichts zu tun.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Schrodi

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