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Matthias W. Birkwald
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Frage von Juergen V. •

Frage an Matthias W. Birkwald von Juergen V. bezüglich Jugend

Sehr geehrter Herr Birkwald,
bezüglich des Projekt "Maramures" in Rumänien möchte ich einige Fragen stellen. In einem Zeit-Artikel vom 28.August diesen Jahres äußert sich die Sprecherin der Bundesregierung Frau Adebahr, dass es "20 Jahre mit diesem Projekt keine Probleme gegeben hätte".
Nun wird in einem Focus-Artikel vom 30-08-2018 ein Junge beschrieben (unter Pseudonym Tim K) der berichtet, dass man Ihm nie bei der Beschreibung dieser Vorfälle geglaubt hätte.
Der Spiegel hatte über eine mögliche Problematik solcher Projekte in Rumänien schon in seiner Ausgabe 2006-44 ("Da muss mann die Notbremse ziehen") berichtet. Deshalb meine Fragen.
Wie kann Frau Adebahr dann feststellen, dass es 20 Jahre keine Probleme gegeben hätte?
Wird dieses Projekt immer noch durch den Bund gefördert?
Wie werden diese Projektbeihilfen überhaupt überprüft, wenn diese Fälle von Missbrauch und Ausbeutung erst nach Jahren durch Zufall bekannt werden?

Für die Beantwortung bedanke ich mich im Voraus mit freundlichen Grüßen

J.V.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter J. V.,

vielen Dank für ihre Anfrage. Als LINKE sehen wir jegliche Form von Auslandsunterbringungen äußerst kritisch. Die Argumente hierfür liegen unübersehbar auf dem Tisch:

- Es gibt kaum Handhabe, einen Einblick in die Situation vor Ort und die Arbeitsweise des Trägers zu erhalten,
- Die Kinder/Jugendliche sind weit weg, sie haben kaum Chancen auf Kontaktaufnahme oder Beschwerden an die zuständigen Stellen zu adressieren,
- Auch wenn eine derartige Trennung von dem sozialen Umfeld in sehr vereinzelten Fällen vielleicht hilfreich sein mag, sind dennoch zahlreiche fachliche Fragen zur "Wiedereingliederung" im heimatlichen sozialen Umfeld ungeklärt.

In der Praxis beobachten wir immer wieder, dass Jugendliche im wahrsten Sinne des Wortes abgeschoben werden. Wir meinen, dass man mit Jugendlichen so nicht umgehen kann. Das ist oftmals ein Ergebnis einer kommunalen Sparpolitik in dem die präventive und vorbeugende Arbeit versagt hat. Zu dem lehnen wir den Einsatz von freiheitsentziehenden Maßnahmen in stationären Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe ab. Jegliche Form der Unterbringung im Ausland und auch in Einrichtungen, die mit freiheitsentziehenden Maßnahmen arbeiten leiden darunter, dass sei im wahrsten Sinne des Wortes junge Menschen von ihrem Umfeld isolieren. Hier wird Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Wir meinen, dass wenn überhaupt eine stationäre Unterbringung tatsächlich erforderlich ist, diese nach Möglichkeit wohnortnah erfolgen sollte und die Einrichtungen über Mitbestimmungs- und Beschwerdestrukturen verfügen sollte.

Zu ihrer Frage nach der Förderung entsprechender Einrichtungen: Nach unserer Kenntnis finanzieren sich die meisten dieser Einrichtungen durch Entgelte, die die Jugendämter für die Unterbringung der Jugendlichen entrichten. Eine Bundeskontrolle ist a dieser Stelle durch die kommunale Zuständigkeit im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe nicht möglich. Hier ist es Aufgabe der Länder, z.B. durch Landesjugendämter, die auf Grund der Föderalismusreform nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben sind, den kommunalen Träger durch Kontrolle und fachliche Unterstützung zu begleiten.

Insbesondere die Frage der Beteiligung und Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe stößt leider bei vielen Beteiligten und der Bundesregierung auf wenig Gegenliebe. Das ist unseres Erachtens ein ernsthaftes Problem: Wollen wir den Gesetzesauftrag ernstnehmen, wonach jeder junge Mensch ein Recht hat auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit (Kinder- und Jugendhilfegesetz - SGB VIII § 1), müssen wir hier im Rahmen einer Novelle des Kinder- und Jugendhilfegesetzes Druck machen. Dies betrifft unserer Meinung nach vor allem die Bereiche Beteiligung und Mitbestimmung, das Verbot freiheitsentziehender Maßnahmen sowie die Einrichtung von Landesjugendämtern als fachliche Behörden der Länder sowie eine bessere finanzielle Ausstattung der Kinder- und Jugendhilfe, um die präventiven und offenen Angebote der Kin der- und Jugendhilfe zu stärken. Auf all diesen Gebieten sind wir als LINKE im Deutschen Bundestag aktiv.

Mit freundlichen Grüßen,

Matthias W. Birkwald

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