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Matthias W. Birkwald
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Frage von Tara S. •

Frage an Matthias W. Birkwald von Tara S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Birkwald,

im Hinblick auf die öffentliche Anhörung des Petitionsausschusses am 8.11.2010 zur Petition für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens möchte ich Sie im Namen der Grundrechtsschutz-Initiative darauf aufmerksam machen, dass eine bedingungslose Grundsicherung für alle Bürger längst durch das Grundgesetz geboten und damit überfällig ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verpflichtung des Staates zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus den Artikeln 1 und 20 des Grundgesetzes abgeleitet. So heißt es beispielsweise in dem Hartz IV-Regelsatz-Urteil vom 9.2.2010 (unter Rnn 133, 136, 137):

"Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG.
Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG wiederum erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern."
"Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein. Dies verlangt bereits unmittelbar der Schutzgehalt des Art. 1 Abs. 1 GG."
"Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt."

Dieser Verpflichtung kommt der Staat nur nach, wenn er das menschenwürdige Existenzminimum jedem Einzelnen bedingungslos sichert. Die derzeitige Regierungspraxis in Bezug auf die Erwerbslosen, die den Anspruch auf staatliche Unterstützung an die Voraussetzung der Unterwerfung unter die Vorstellungen der Arbeitsmarktverwaltung bindet, stellt einen Hohn gegenüber dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums dar.

Ein Menschenrecht, das unter Bedingungen steht, ist kein Menschenrecht. Werden Sie sich für den Schutz der Menschenrechte einsetzen?

Mit freundlichen Grüßen
T. Scharmann

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Scharmann,

Sie haben mich und DIE LINKE auf Ihrer Seite, wenn Sie sich dafür einsetzen, dass allen Menschen ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleistet wird. Denn Teilhabe an der Gesellschaft, ob nun sozial, ökonomisch oder kulturell, und Teilnahme an der Gesellschaft, ob in Vereinen, Parteien, Verbänden oder Initiativen, wird erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht, wem es an einer finanziellen und auch infrastrukturellen Grundausstattung mangelt. An der Gesellschaft teilhaben zu können und an ihrer Gestaltung teilnehmen zu können - das ist das Grundversprechen der Demokratie. Doch dieses Grundversprechen wird derzeit mit Füßen getreten. Die ständigen Tritte haben einen Namen: Hartz IV. DIE LINKE kämpft dafür, dass Teilhabe und Teilnahme für alle möglich wird. Deswegen sind wir der Meinung: Hartz IV muss weg! Das ist auch der Titel eines Antrages, den wir Anfang 2010 in den Bundestag eingebracht haben (BT-Drs. 17/659). Wir fordern darin gute Arbeit und eine sanktionsfreie, bedarfsdeckende und armutsfeste Mindestsicherung.

Wir setzen uns für menschenwürdige Bedingungen sowohl außerhalb der Arbeit als auch in der Arbeit ein. Denn Demokratie darf nicht vor den Werkstoren und Bürotüren halt machen müssen! Wir fordern daher konsequent eine sanktionsfreie, bedarfsdeckende und armutsfeste Mindestsicherung, einen gesetzlichen, flächendeckenden Mindestlohn von zehn Euro als untere Grenze für gute Löhne (BT-Drs. 17/890), gute Arbeit (BT-Drs. 17/1396) und nicht zuletzt eine gute Absicherung im Alter (siehe z.B. BT-Drs. 17/1116, BT-Drs. 17/1735).

Darüberhinaus wird in der LINKEN auch über das bedingungslose Grundeinkommen diskutiert.

Mit freundlichen Grüßen
Matthias W. Birkwald, MdB

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