Markus Rinderspacher
Markus Rinderspacher
SPD
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Frage von Christoph S. •

Frage an Markus Rinderspacher von Christoph S. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen

Kann es sein,
- dass ein begehrtes Siedlungsgebiet VOLL ist und eben nur dann noch Menschen dort neu siedeln können, wenn andere wegziehen?
- dass die Kapazitäten der Bauindustrie und der Baugenehmigungsbehörden trotz aller Anstrengungen eben begrenzt sind und bleiben?
- dass die Erschließung neuer Wohngebiete mittels Straßen, ÖPNV, Kitas, Schulen usw schwierig ist und langsam erfolgt und deswegen die Baulandpreise sehr hoch sind
- dass aus diesen Gründen es physikalisch unmöglich ist, allen Interessenten eine Wohnung im begehrten Gebiet anzubieten?
- dass Beteuerungen der Politik in der Vergangenheit zur Steigerung des Wohnungsbaus nicht hinreichend ausgeführt wurden und hieraus der Beweis erbracht ist, dass es eben nicht möglich ist?
Was halten Sie davon, Bestandsbewohner zu bitten, wegzuziehen und ggf. mit welchem Nachdruck? Was halten Sie davon, dass Freunde und Verwandte sich dabei zusamment un, um gemeinsam in ein billigeres Gebiet umzuziehen? Könnte der Staat dies vielleicht fördern? Verhält sich ein Rentner u.ä., der von München in die Oberfalz umzieht, Ihrer Meinung nach gemeinschaftsdienlich, weil er einem Fernpendler eine Wohnung nahe seiner Arbeit frei macht? Was halten Sie davon, Obdachlosen oder Insassen von Notunterkünften deutlich zu machen, dass sie nur fern des begehrten Gebietes eine Aussicht auf Wohnung haben ung ggf mit welchem Nachdruck? Kann es sein, dass Forderungen und Rechtsansprüche nach einer Wohnung in vollen Gebieten uneinbringlich sind, genauso wie man bei armen Leuten nicht pfänden kann? Hat ihrer Meinung nach jeder das Freiheitsrecht, auch in einem teuren begehrten Gebiet zu siedeln und den Sozialstaat mit den hohen Mehrkosten zu belasten oder könnte Art 11 Abs 2 GG als Begündung zu einem Verbot greifen: nicht "ausreichende Lebensgrundlage" oder weil "der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden" mit der Folge, dass vielen geboten wird, fern dieses Gebietes zu siedeln.

Markus Rinderspacher
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Strebel,

vielen Dank für Ihre Fragen zur Regulierung der Wohnungsmärkte.

Tatsächlich erscheint es aus meiner Sicht nicht sinnvoll, „Bestandsbewohner mit Nachdruck“ aufzufordern, aus Gebieten mit hohen Mietpreisen zur Entlastung des Mietmarktes wegzuziehen. Ein explizites „Siedlungsverbot“, wie Sie es in den Raum stellen, beispielsweise für BürgerInnen in prekären Verhältnissen, RentnerInnen oder Obdachlose, ist im Übrigen mit unserer Verfassung und dem ihr zu Grunde liegenden Menschenbild nicht vereinbar.

Tatsächlich gibt es bereits eine Reihe von Gemeinden, die aber „Zuzugsprämien“, „Babyprämien“, „Bauplatzprämien“ oder ähnliches ausloben, um dem demographischen Wandel zu begegnen und Neubewohner aktiv anzuwerben. Andere Gemeinden werben mit mehr oder weniger Erfolg mit einem besonders familien- und/oder seniorenfreundlichen Wohnumfeld. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass dies zu nennenswerten Abwanderungen weg von den großen Ballungszentren führt.

Gerade die Wohnungsmärkte der bayerischen Großstädte verzeichnen zunehmende Nachfrageüberhänge. Preisgünstiger Wohnraum wird hier zur Mangelware. Richtig ist, dass die staatlichen Wohnungsbaumittel gerade in Bayern seit den 90er Jahren dramatisch zurückgefahren wurden und die Anspannung auf den Wohnungsmärkten auch hierauf zurückzuführen ist. Die Bautätigkeit in Bayern lag stets unter dem Neubaubedarf.

Vor allem der Bestand an Sozialwohnungen in Bayern nimmt ab, weil der Neubau weder Bedarf noch auslaufende Sozialbindungen kompensiert. Zuletzt lag der Negativsaldo von Zu- und Abgängen an Sozialwohnungen im Jahr 2013 bei rund 4.000 Wohnungen. Ohne größere Anstrengungen beim öffentlich geförderten Wohnungsbau wird sich die Situation auf den bayerischen Wohnungsmärkten nicht entspannen.

Die bayerische Landesverfassung schreibt dem Freistaat vor, dass die ‚Förderung des Baues billiger Volkswohnungen‘ eine seiner Aufgaben ist. Dieser Aufgabe kommt Bayern in der Realität nur sehr unzureichend nach,im Gegenteil werden sogar ‚billige Volkswohnungen‘ wie bei der GBW an private Investoren verkauft.

Mit freundlichen Grüßen

Markus Rinderspacher

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