Marion von Wartenberg
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Frage von Rolf L. •

Frage an Marion von Wartenberg von Rolf L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Flüchtlinge.

Der wichtigste Integrationsfaktor ist die ARBEIT. Irgendwie sind sich alle darin einig. Aber jetzt haben wir über eine Million Flüchtlinge in Deutschland, die wir dringend und rasch integrieren sollen/wollen/müssen, und Ihre Partei besteht darauf, daß auch die Flüchtlinge, selbst im vorbereitenden Praktikum, den Mindestlohn bekommen sollen! Das bedient Ihre Wahlklientel sowie die Gewerkschaften, ist aber maximal weltfremd.

Als ehemaliger Unternehmer bin ich seit Oktober durchschnittlich 20 Stunden wöchentlich für und mit Flüchtlingen unterwegs, lerne die fürchterlich ineffektive und ineffiziente Verwaltung dieses Landes kennen, erfinde mit vielen anderen Ehrenamtlichen ständig die berühmten Räder neu (weil wir zwar öffentlich geschätzt, in der Praxis aber i.d.R. alleine gelassen werden) ... und habe mit Menschen aus dem Nahen Osten zu tun, die größtenteils auch in Jahren hier noch nicht in Mindestlohn-Jobs vermittelbar sind. Das ist so glasklar und bestätigt sich mir jedes Mal, wenn ich bei den Flüchtlingen bin.

Das ist die normative Kraft des Faktischen!

Kurz: Die Klientelpolitik der SPD kostet Deutschland schon kurzfristig Milliarden aus dem Sozialtopf, die andererseits aber eingespart werden könnten, wenn die Flüchtlinge die Förderung bekämen, von denen stets geredet wird (aber es gibt ja zB keine Lehrer, Kurse etc.), und wenn insbes. die KMU die Möglichkeit hätten, diese Leute für 'kleines Geld' erst einmal 'mitlaufen' zu lassen und auszubilden. Mit wenigen Ausnahmen hat jeder Unternehmer doch das Interesse, diese Menschen zu integrieren, will sich aber nicht ausbeuten lassen, um freiwillig und bei vollem verstand Ausgaben zu finanzieren, die ihm andere eingebrockt haben!

Gibt es Hoffnung, daß die SPD umschwenkt, oder müssen wir sie dafür aus allen Parlamenten herauswählen?

Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr L.,

zunächst einmal vielen Dank für Ihr außerordentliches ehrenamtliches Engagement im Bereich der Integration der hier ankommenden Menschen.
Sie sprechen von einer Million Menschen bundesweit - gerne möchte ich Ihnen, bezogen auf die in Baden-Württemberg ankommenden Menschen darlegen, welche Maßnahmen die Landesregierung ergreift, damit Integration gelingen kann.
In Baden-Württemberg sind im vergangenen Jahr ungefähr 100 000 Menschen aus Krisen- und Kriegsgebieten angekommen und in den Landeserstaufnahmestellen untergebracht worden. Von den hier ankommenden Menschen sind circa 30-50000
Kinder und Jugendliche, die wir in unseren internationalen Vorbereitungsklassen (an den allgemein bildenden Schulen) und in den Vorbereitungsklassen der beruflichen Schulen
(Vorqualifizierung Arbeit und Beruf ohne Deutschkenntnisse) zunächst durch intensive Sprachförderung auf eine weitere schulische oder berufliche Integration vorbereiten.
Sie haben Recht, Sprache ist die Brücke zur Integration. Wir haben in Baden-Württemberg zwischenzeitlich 2300 Vorbereitungsklassen eingerichtet und mit Mitteln aus dem Nachtragshaushalt hierfür auch die erforderlichen Lehrerstellen zur Verfügung gestellt.

Seit Januar diesen Jahres erfassen wir in Baden-Württemberg (als einziges Bundesland) die bildungsbiografischen Daten der hier ankommenden Kinder und Jugendlichen im Registrierzentrum Heidelberg. Diese Daten stellen wir den Schulämtern und geschäftsführenden Schulleitern der aufnehmenden Gemeinden und Kommunen zur Verfügung. Für die Erwachsenen ist die Bundesagentur für Arbeit zuständig. Die Bundesagentur erfasst in Heidelberg die berufsbiografischen Daten. Bei den Erwachsenen wird deutlich, und das sprechen Sie ja dezidiert an, dass in vielen Fällen eine rasche Integration in den Arbeitsmarkt an mangelnden Sprach- oder auch berufsspezifischen Kenntnissen scheitert. Vor diesem Hintergrund kommt der Ausbildung, aber vor allem auch der Berufsqualifizierung junger Erwachsener eine große Bedeutung zu.
Viele Kommunen haben im vergangenen Jahr bereits 1.05 Euro Jobs angeboten - das sind wichtige Beschäftigungsformen, die zunächst einmal aus der "Untätigkeit" heraus führen und in manchen Fällen zielführend für die Integration in den Arbeitsmarkt sind.
Der Vorsitzende der Bundesagentur für Arbeit/Regionaldirektion Baden-Württemberg -Christian Rauch - geht bei ausbildungsfähigen Flüchtlingen von einem um zwei Jahre verlängerten Ausbildungszeitraum aus. Deshalb haben etliche baden-württembergische Unternehmen mit Unterstützung des Kultusministeriums und des Wirtschaftsministeriums in einem ersten Schritt entsprechende zusätzliche Fördermaßnahmen angeboten (zusätzliches Förderjahr) oder ermöglichen die sogenannte Einstiegsqualifizierung.
Für die Unterstützungsmaßnahmen seitens des Landes erhalten wir viel Zuspruch der Wirtschaft, aber auch der Kammern, die ja insbesondere die KMU vertreten.
Gleichwohl sehen alle Beteiligten Chancen und Risiken.
Als ehemaliger Unternehmer wissen Sie, dass wir in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren versucht haben, den Fachkräftemangel mit Fachkräften aus den benachbarten EU-Ländern zu lindern. Wir haben als Landesregierung und hier, insbesondere das sozialdemokratisch geführte Wirtschaftsministerium und das Kultusministerium, durch gezielte Maßnahmen deutlich mehr Jugendliche in die duale Ausbildung übermittelt als die Vorgängerregierung.
Zum Maßnahmenpaket gehören Berufsorientierungsmaßnahmen in allen allgemein bildenden Schulen, der Einsatz von Ausbildungsbotschaftern in den Schulen, die Arbeitsvorbereitung Dual.
Diese Strategien werden im Ausbildungsbündnis und in der Fachkräfteallianz mit den Sozialpartnern und den Kammern gemeinsam festgelegt.
Ein außer Kraft setzen des Mindestlohns für Flüchtlinge, die als Angelernte - oder Geringqualifizierte beschäftigt werden, lehnt Südwestmetall ebenso ab wie die Regierungskoalition in Baden-Württemberg. Dies würde zwangsläufig zu einer Konkurrenzsituation in diesem Bereich zwischen den hier schon beschäftigten Arbeitnehmern und den hier Ankommenden führen.
Wenn, wie von Ihnen dargelegt, Asylbewerber oder Geduldete noch keine abgeschlossene Ausbildung haben, haben sie die Möglichkeit im Betrieb ein Berufsorientierungspraktikum - Dauer bis zu 3 Monaten - zu absolvieren. Hier gilt der allgemeine Mindestlohn nicht.
Insbesondere aus dem Bereich des Handwerks erhalten wir ständig die Rückmeldung, dass man die Menschen ohne sprachliche Qualifizierung nicht einfach "mitlaufen" lassen kann. Deshalb ist es unabdingbar, dass wir - gemeinsam mit den Trägern der Erwachsenenbildung - VHSen, kirchliche Erwachsenenbildung, Stadtbibliotheken
entsprechende Angebote übermitteln.
Da Sie außerordentlich engagiert im Bereich der Flüchtlingsintegration sind, kennen Sie die Sorgen und die Ängste unserer Bürgerinnen und Bürger. Diese Sorgen nehmen wir sehr ernst.
Sehr geehrter Herr L., bitte unterstützen Sie die genannten Maßnahmen auch weiterhin mit Ihrer Expertise.

Mit freundlichen Grüßen

Marion v. Wartenberg