Seit 2016 fordern die Bundesländer ein Berufsgesetz für Osteopathie – warum verweigert die Bundesregierung bis heute eine Regelung, die Patientenschutz und Berufsanerkennung sicherstellen würde?
Sehr geehrter Herr Brückner,
seit 2016 fordern die Länder einstimmig ein Berufsgesetz für Osteopathie – bisher ohne Umsetzung.
Wie kann es sein, dass akademisch ausgebildete Osteopath:innen mit Masterabschluss ihren Beruf nur mit zusätzlicher Heilpraktikererlaubnis ausüben dürfen, während Heilpraktiker ohne osteopathische Ausbildung osteopathisch tätig sein dürfen? Wo bleibt hier der Patientenschutz?
Die aktuelle Regelung verstößt gegen Art. 12, 3, 14 GG,gegen EU-Recht (Richtlinie 2005/36/EG, Diskriminierungsverbot,Niederlassungsfreiheit) sowie gegen internationale Standards (WHO-Benchmarks 2010, CEN-Standard 16686:2015).
Folgen:Abwanderung qualifizierter Fachkräfte, fehlende Versorgungssicherheit,verpasste Chancen für Prävention und Entlastung des Gesundheitssystems.
Welche konkreten Schritte planen Sie und der Gesundheitsausschuss,um zeitnah ein Berufsgesetz, gemäß Koalitionsvertrag (!),einzuführen und Patientenschutz wie Berufsanerkennung sicherzustellen?
Mit freundlichen Grüßen

Sehr geehrte Frau E.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Bezüglich der Heilkunde-Ausübung durch Heilpraktiker gebe ich Ihnen recht: diese ist tatsächlich überholt. Sie sprechen in diesem Kontext den Patient*innenschutz an. Genau dieser ist ist für uns als Linke handlungsleitend. Das beinhaltet, dass für eine bestimmte Behandlungsart ausreichende Evidenz zum Nutzen für die Patient*innen vorhanden sein muss. In der Osteopathie ist das derzeit leider (noch) nicht der Fall. Lediglich zur parietalen Behandlung (v. a. gegen Rückenschmerzen) gibt es einige Studien mit recht schwacher Evidenz, die Hinweise auf die Wirksamkeit geben. Die viszerale Behandlung (Erkrankungen der inneren Organe) ist hingegen kaum untersucht. Aus der Osteopathie hervorgegangen ist außerdem die Craniosakral-Therapie, die teilweise eigenständig, teilweise als dritte osteopathische Unterform gehandelt wird, und auch innerhalb der Osteopathie umstritten ist. Wirklich brauchbare Studien zur Wirksamkeit existieren praktisch nicht. Deshalb stellt sich für mich die Frage, welche Anforderungen an die Lehrinhalte in einem solchen Berufsgesetz formuliert werden sollten, wenn unklar ist, welche Behandlungsmethoden den Patient*innen wirklich helfen. Es könnte durch ein Berufsgesetz bei den Patient*innen auch der Anschein erweckt werden, dass die Wirksamkeit der angebotenen Dienstleistung wissenschaftlich nachgewiesen sei.
Ich möchte aber klarstellen: Dass diese Wirksamkeit nicht nachgewiesen ist, bedeutet andererseits nicht notwendigerweise, dass es sie nicht gibt. Dass es bisher nur sehr wenige hochwertige Studien gibt, die unterschiedliche osteopathische Maßnahmen untersucht haben, liegt im Wesentlichen daran, dass solche Studien viel Geld kosten. Bisher hatte kein Akteur ein ausreichend hohes eigenes wirtschaftliches Interesse diese Studien zu finanzieren. Die Linke fordert regelmäßig jedes Jahr in den Haushaltsberatungen des Bundestags, nicht-kommerzielle Pharma- und Methodenforschung mit 2 Mrd. Euro jährlich zu fördern. Aus diesen Mitteln sollen Studien finanziert werden, die Therapieformen untersuchen, für die sich keine kommerzielle Forschung lohnt, wie das bei patentierbaren Produkten in der Regel der Fall ist. Aus diesem Haushaltstitel könnte auch Forschung zu Osteopathie finanziert werden.
Wenn die Wirksamkeit und erst recht die Überlegenheit der Osteopathie gegenüber anderen Therapieansätzen nachgewiesen ist, werden wir uns selbstverständlich für ein Berufsgesetz und auch eine (zuzahlungsfreie) Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung einsetzen. Vor diesem Nachweis aber ein Berufsgesetz mit unklarem Inhalt zu verabschieden, halten wir im Sinne des Patientenschutzes nicht für sinnvoll. Deshalb bemühen wir uns in erster Linie um Wege, wie hochqualitative Studien finanziert und durchgeführt werden können.
Mit freundlichen Grüßen
Maik Brückner