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Lisa Badum
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Frage von Richard G. •

Warum wurde die Zertifizierungspflicht für Solaranlagen über 135 kW bis 1000 kW, die erst 2019 eingeführt wurde, angesichts der Energiekriese nicht vorläufig komplett ausgesetzt?

Wie auf Spiegel.de unter dem Titel "Wie die Bürokratie die Energiewende behindert" in einer 17-minütigen Doku zu sehen ist, scheitert die Inbetriebnahme von ca. 1000 Solaranlagen, welche jeweils 200 bis 300 Haushalte versorgen könnten, nach der technischen Abnahme häufig jahrelang daran, dass es an Zertifizierern fehlt, obgleich diese Zertifizierungspflicht erst 2019 eingeführt wurde. Warum wurde diese Pflicht jetzt nur vereinfacht und angesichts der momentanen Energiekriese nicht einfach vorläufig komplett ausgesetzt? Stattdessen wird mit der rückwirkenden Gewinnabschöpfung der Ausbau Erneuerbarer wieder ausgebremst, nachdem er sich nun wieder lohnte.

Im Übrigen danke ich für die Prüfung meiner Idee zur Genehmigung von Drehstrom-Steckersolaranlagen mit dann 3-facher Leistung. Ich fürchte nur, dies wird an den Interessen der Versorger-Lobby scheitern, da diese den Strom lieber selbst an die Endkunden verkaufen, als ihn bei zuviel Selbstversorgern in Pumpspeicherseen zwischenzulagern.

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Sehr geehrter Herr G.,

mit dem Anlagenzertifikat werden die elektrischen Eigenschaften und die Netzkonformität einer Anlage bescheinigt. Bei mittelgroßen Anlagen, die mittlerweile 20% der Erzeugung ausmachen, ist ein solches Zertifikat für die Gewährleistung der Systemstabilität unabdingbar.

Den Schwellenwert von 135 kW, ab der ein vereinfachtes Zertifikat B nötig ist, hat die Bundesnetzagentur gemeinsam mit den Übertragungsnetzbetreibern festgelegt. Ob eine weitere Absenkung / ein vollständiger Verzicht auf die Zertifikate möglich ist, muss vor dem Hintergrund der jeweiligen Stromerzeugungsstruktur regelmäßig evaluiert werden. 

Nicht nur vor dem Hintergrund der Energiekrise ist es ärgerlich, dass viele Anlagen durch Verzögerungen im Zertifizierungsprozess nicht ans Netz gehen können. Um kurzfristig für Entlastung zu sorgen, haben wir deshalb die rechtliche Grundlage für die Zertifizierung, die „Verordnung zum Nachweis von elektrotechnischen Eigenschaften von Energieanlagen (NELEV)“ angepasst. 

Die Novellierung ermöglicht, dass innerhalb eines Übergangszeitraums Stromerzeugungsanlagen von 135 bis 950 Kilowatt schon vorläufig ans Netz angeschlossen werden dürfen, auch ohne alle notwendigen Nachweise eingereicht zu haben. Das gilt für alle Photovoltaik-Anlagen, also auch jene, die bereits installiert sind, wegen des fehlenden Anlagenzertifikats jedoch noch nicht ans Netz gehen und Solarstrom einspeisen konnten. So können erneuerbare Kapazitäten schnell aufgebaut werden, ohne systemdienliche Zertifizierungs- und Prüfverfahren gänzlich in Frage zu stellen.

Unter Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums wird im „Branchendialog Beschleunigung Netzanschlüsse“ über weiteren Möglichkeiten zur Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens diskutiert.

Grundsätzlich gilt: Die Kosten- und Versorgungskrise der fossilen Energieträger darf nicht zulasten der Energieträger gehen, die die Strompreise schon heute senken und für die Einhaltung der Klimaziele unverzichtbar sind. Von der Abschöpfung der Zufallsgewinne werden besonders fossile Großunternehmen betroffen sein, die die Krisen mit verursacht haben. Das finde ich richtig!

Bei der Abschöpfung der Zufallsgewinne der Erneuerbaren-Branche muss es sich ausdrücklich um ein befristetes Instrument angesichts einer Notlage handeln. Ich setze mich dafür ein, dass wir die Entlastungen zielgerichteter einsetzen und Anlagenbetreiber*innen vor unbilliger Härte schützen. 

Mit besten Grüßen

Lisa Badum

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