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Lisa Badum
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Frage von Ulrike P. •

Frage an Lisa Badum von Ulrike P. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Frau Badum,
mit Erschrecken verfolge ich in den Medien, dass einige Politiker erneut (wie bereits 2009) eine Kaufprämie für Autos in Erwägung ziehen und die Autokonzerne diese massiv einfordern, was sie am Dienstag, 02.06.2020 beim Autogipfel untermauern werden. Ich halte das vor allem in Zeiten der Klimaerwärmung für den völlig falschen Weg. Wie stehen Sie stattdessen zu einer Mobilitätsprämie für alle, die unter anderem auch in Busse, Bahnen, Fahrradverkehr usw. investiert werden kann?
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Freundliche Grüße
U. P.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Petry-Färber,

Vielen Dank für Ihre Nachricht vom 30. Mai zu einer möglichen Abwrackprämie und der Position der GRÜNEN dazu.

Ich gebe Ihnen vollkommen Recht, dass es auf keinen Fall jemals wieder zu einer Abwrackprämie nach dem Gießkannenprinzip kommen darf, wie sie die schwarz-gelbe Regierung 2009 als Antwort auf die Finanzkrise eingeführt hat. Die Abwrackprämie von 2009 war ökonomisch, ökologisch und sozial fatal: dass die CO2-Emissionen im Verkehrssektor bis jetzt jedes Jahr weiter gestiegen sind, liegt zu einem großen Teil an dieser Fehlentscheidung, ebenso hat sie eine rückwärtsgewandte Geschäftspolitik begünstigt, die den deutschen Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie schadet, und dadurch, dass viele Menschen gar keine deutschen Automodelle gekauft haben, letzten Endes nicht einmal die gewünschten ökonomischen Ergebnisse gebracht. Eine Abwrackprämie in der Coronakrise wäre eine reine Umverteilung von Steuergeldern zu den Aktionär*innen und Aufsichträt*innen.

Was wir jetzt dringend brauchen, sind die richtigen Hilfen für die Automobilindustrie: Dieses Mal müssen wir gezielt in die Zukunft investieren.

Schon lange vor der Corona-Rezession zeichnete sich mehr und mehr eine Strukturkrise in der Autoindustrie ab. Schon zuvor waren die Kapazitäten an den Produktionsstandorten nicht ausgelastet. Seit Jahren steht fest, dass mit Benzin und Diesel betriebene Verbrennungsmotoren bald nur noch in Auslaufmodellen Platz finden.

Moderne Mobilität basiert auf sauberer Energie und ist von Dienstleistungen und dem intelligenten Mix verschiedener Verkehrsangebote geprägt. Für die deutsche Automobilindustrie liegt die Herausforderung darin, die bestimmenden Trends der Dekarbonisierung, Urbanisierung, Digitalisierung und Automatisierung aufzunehmen und entsprechend neue Angebote für sich weltweit wandelnde Mobilitätsmärkte bereitzustellen.

Wir GRÜNE im Bundestag halten es deshalb für unumgänglich und richtig, über sinnvolle Hilfen für die Automobilwirtschaft nachzudenken. Verfehlt wäre es allerdings, wenn die Autoindustrie eine Förderung erfährt, die in erster Linie an die alte fossile Welt anschließt. Das würde uns beim Erreichen unserer Klimaschutzziele weit zurückwerfen.

Wenn wir wollen, dass die deutschen Autos auf dem Weltmarkt für die Zukunft wettbewerbsfähig sind und wir ökonomischen Erfolg und ökologische Zukunft miteinander verbinden, dann ist klar: Unterstützungsfähig sind die Autos, die zukunftsfähig sind und keine klima- und umweltschädlichen Emissionen verursachen.

Wer in der Corona-Rezession der Automobilwirtschaft helfen will, wählt am besten einen breiten Ansatz und bringt mit unterschiedlichen Partnern den Umbau in ein zukunftsfähiges Verkehrssystem und zukunftsfähige Fahrzeuge in Stadt und Land voran.

Sehen Sie dazu auch die Aufzeichnung unseres Video-Fachgesprächs vom 29. April 2020 "Autoindustrie in Corona- und Klimakrise. Wie sichern wir Beschäftigung und schaffen die Transformation?": https://www.gruene-bundestag.de/termine/vergangene-veranstaltungen/autoindustrie-in-corona-und-klimakrise-wie-sichern-wir-beschaeftigung-und-schaffen-die-transformation

Dass die Abwrackprämie es nun nicht ins Konjunkturpaket der Bundesregierung geschafft hat, ist ein großer Erfolg der vielfältigen Klimabewegung und des Drucks von der Straße, auf den alle Beteiligten sehr stolz sein können, zeigt er doch, dass unsere Demokratie ganz und gar keine Fassade ist, sondern von unserer aller Beteiligung lebt.

Als klimapolitische Sprecherin von Bündnis 90/die Grünen im Bundestag sind Klimaschutz, die Verpflichtungen des Pariser Abkommens und das Recht künftiger Generationen auf einen bewohnbaren Planeten die Grundpfeiler meiner täglichen Arbeit und die Basis meines politischen Handelns. Es ist von elementarer Bedeutung für das Überleben unserer Zivilisation, dass wir eine klimaneutrale Welt noch deutlich vor 2050 erreichen müssen. Hierfür stehe ich ein, und da eine Abwrackprämie diesem Ziel konträr entgegensteht, hätte ich bei einer Abstimmung niemals dafür gestimmt.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen unsere GRÜNE Haltung dazu näherbringen.

Bleiben Sie gesund!

Mit freundlichen Grüßen

Lisa Badum

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