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Linda Heitmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Christine G. •

Werden Sie sich, falls die Grünen Juniorpartner in einer Regierungskoalition werden, Abstimmungsempfehlungen beugen, auch wenn diese gegen grundlegende grüne Überzeugungen verstoßen?

Sehr geehrte Frau Heitmann,
im Jahr 2011 haben Sie gegen den Antrag, die Gehälter von HSH-Managern weiter zu begrenzen, gestimmt. In dieser Frage hätte ich von einer grünen Abgeordneten eigentlich ein anderes Abstimmungsverhalten erwartet. Angenommen, die Grünen stellen in einer künftigen Regierungskoalition den kleineren Partner: Inwieweit kann ich Ihnen vertrauen, dass Sie in Bundestagsabstimmungen, wenn es beispielweise um Klimapolitik geht, die mir sehr am Herzen liegt, in meinem Sinne abstimmen oder werden Sie sich dann auch der Abstimmungsempfehlung des größeren Koalitionspartners beugen, wie Sie das offensichtlich in den Abstimmungen in der Bürgerschaft von 2009-2011 gemacht haben.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Liebe Frau G.,

entschuldigen Sie bitte die späte Rückmeldung. Aufgrund eines technischen Problems auf Abgeordnetenwatch war Ihre Anfrage für uns nicht sichtbar. Aber besser spät als nie.

Daher möchte ich nun gerne auf Ihre Frage eingehen: Inzwischen ist es ja Fakt, dass wir Grüne in einer Regierungskoalition mit SPD und FDP sind. Koalitionen sind im demokratischen politischen Geschehen Bündnisse auf Zeit und darauf ausgelegt, dass die miteinander koalierenden Parteien Kompromisse schließen und sich keine Partei vollständig in allen Punkten und Themen mit ihrem Programm durchsetzt. Auch in unserer Koalition ist das nun so: in einigen Punkten wie z.B. bei der Einführung eines Tempolimits oder beim Stopp manch eines Autobahnbauprojekts hätten wir Grüne uns gewünscht, mehr im Koalitionsvertrag durchzusetzen. Dafür sind andere uns wichtige Projekte wie z.B. die Einführung der Kindergrundsicherung oder die geplante legale Abgabe von Cannabis in den Koalitionsvertrag reingekommen.
Mit der Verabschiedung des Koalitionsvertrages auf den Parteitagen aller beteiligten Parteien haben die Mitglieder ihren Fraktionen jeweils den Auftrag gegeben, innerhalb dieses Regierungsbündnisses auf Zeit die ausgehandelten Kompromisse umzusetzen. Für mich ist es daher kein "Stimmen gegen Grundüberzeugungen", wenn ich im Zuge der Arbeit in einer Koalition ausgehandelten Kompromissen zustimme - auch wenn sie nicht immer zu 100% meinen Auffassungen entsprechen. Ausgehandelte Kompromisse sind gelebte parlamentarische Demokratie, ohne die unser System sonst nicht funktionieren würde.

Unabhängig davon, ob wir in der Opposition oder in der Regierung waren, haben wir Grüne stets unermüdlich für unsere Grundprinzipien gekämpft. Diesen Kampf werden wir auch weiterhin ungebrochen fortführen und einige Punkte, mit denen wir uns in dieser Koalition nicht durchsetzen konnten, werden wir sicher auch in Zukunft bei Verhandlungen wieder einbringen.
Aber dass wir Grüne nun in der Regierung sind, heißt nicht, dass wir unsere Grundsätze über Bord werfen. Vielmehr sehen wir die Regierungsbeteiligung als eine unschätzbar wertvolle Gelegenheit an, die besonderen Herausforderungen, mit denen wir aktuell konfrontiert sind, möglichst gut zu bewältigen.

Trotz des Koalitionsvertrages, welcher die grundlegenden Kompromisse der Regierungspartien festhält, gibt es dennoch ab und an neue Herausforderungen und Sachverhalte, zu denen die unterschiedlichen Parteien sehr stark voneinander abweichende Positionen vertreten. Für mich persönlich ist eine gesunde Integrität, die mit meinen persönlichen Überzeugen vereinbar ist und gleichzeitig Kompromisse zulässt, sehr wichtig. Daher kann es durchaus zu Situationen kommen, die eine Abwägungsentscheidung zwischen unterschiedlichen Werten erfordern und in denen ich die vorliegenden Handlungsoptionen alle nicht überzeugend finde. Wie ich mich in solchen Situationen verhalte, ist nicht pauschal zu beantworten. Ich schließe nicht aus, in Einzelfällen auch mal anders abzustimmen als die Mehrheit meiner Fraktion und der Koalition. Aber erfreulicherweise gibt es im Bundestag auch die Möglichkeit, persönliche Erklärungen anzugeben und zu hinterlegen, in denen das individuelle Abstimmungsverhalten sowie mögliche Konflikte erläutert werden können und dann öffentlich nachlesbar sind.

In diesem Sinne hoffe ich, dass meine Antwort Ihrer Frage trotz der Wartezeit gerecht wird.

Mit freundlichen Grüßen

Linda Heitmann

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