Wann wird die Besoldung von Naturwissenschaftlern und Ingenieuren im öffentlichen Dienst auf das Niveau der R-besoldung für Juristen angehoben?
Sehr geehrter Herr von Notz,
Deutschland ist auf naturwissenschaftliche und ingenieurtechnische Innovationen angewiesen. Dennoch werden diese Berufsgruppen im öffentlichen Dienst systematisch schlechter gestellt als Juristen oder Mediziner.
Vielerorts erhalten Jurist:innen mit unter 15 Punkten in beiden Examina bereits die R-Besoldung. Gleichzeitig arbeiten hochqualifizierte Postdoktoranden mit internationaler Erfahrung in KI oder Robotik oft auf befristeten E13-Stellen – ohne Verbeamtungsperspektive. Das führt zu Nettogehalt-Unterschieden von über 70 %.
Im privaten Sektor ist die Lage ähnlich– Industrieforschung wandert dank Überregulierung und hoher Energiepreisen zunehmend ins Ausland ab, während Kanzleien Berufseinsteigern teils 150 000 €/ Jahr Zahlen - ca 50% mehr als ein Boschingenieur mit 20 Jahren Erfahrung verdient.
Halten Sie das für gerecht? Und setzen sich die Grünen für eine Anhebung der Besoldung im ö.D. von Naturwissenschaflern auf das Niveau der R-Besoldung ein?

Sehr geehrter Herr I.,
herzlichen Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse an meiner Arbeit. Über beides habe ich mich gefreut.
Ich teile Ihre Einschätzung, dass naturwissenschaftliche und technische Expertise von zentraler Bedeutung für Deutschlands Innovationsfähigkeit sind, insbesondere, um zeitgerechte Klima- und Zukunftstechnologien entwickeln zu können. Gerade im öffentlichen Dienst sollten besonders gute Rahmenbedingungen bestehen, damit der Bund und die Länder neben dem privatwirtschaftlichen Sektor als Arbeitgeber für Fachkräfte attraktiv bleiben.
Die bestehenden Besoldungsordnungen sind historisch und rechtlich unterschiedlich gewachsen. Den Besoldungsordnungen R sind ausschließlich solche Juristinnen und Juristen zugeordnet, die das Richteramt ergreifen oder als Staatsanwältinnen und Staatsanwälte tätig sind. Dass diese Berufsgruppen eine Sonderstellung haben, hängt nicht zuletzt mit der Sicherung der verfassungsrechtlich garantierten richterlichen Unabhängigkeit zusammen, die einen unverzichtbaren Grundpfeiler für einen funktionierenden Rechtsstaat darstellt.
Gleichwohl stehen wir von Bündnis 90/Die Grünen für bessere Perspektiven, attraktivere Arbeitsbedingungen und eine angemessene Vergütung für hochqualifizierte Fachkräfte im technischen und naturwissenschaftlichen Bereich ein – auch und gerade im Öffentlichen Dienst.
Dazu gehört, Befristungen abzubauen, Verbeamtungsperspektiven zu eröffnen und insgesamt mehr Planungssicherheit zu schaffen. Speziell in Bezug auf an Hochschulen angestellte Postdoktoranden gilt es zugleich, die Interessen der Postdoktoranden in einen angemessenen Ausgleich mit der Wissenschaftsfreiheit zu bringen. Letztere umfasst laut jüngstem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (Az. 1 BvR 268/22) auch die Freiheit der Hochschulen zur Auswahl des wissenschaftlichen Personals, die etwa durch gesetzgeberische Entfristungsvorgaben ungerechtfertigt beschränkt wird.
Für Ihre Frage nochmals besten Dank!
Mit freundlichen Grüßen nach Berlin!
Konstantin v. Notz