Dürfen durch Spionage, also illegal, erworbene Informationen überhaupt vor einem deutschen Gericht, also in einem Rechtsstaat, verwertet werden?
Sehr geehrter Herr von Notz,
auch ich habe eine Frage zum Wirken von Geheimdiensten.
Sind deutsche Geheimdienste beim "Ausspähen" an deutsche Gesetze gebunden?
Wie steht es mit Informationen ausländischer Geheimdienste an uns, die illegal durch Spionage bei uns abgeschöpft wurden? Dürfen durch Spionage, also illegal, erworbene Informationen überhaupt vor Gericht in einem Rechtsstaat verwertet werden?
Mit freundlichem Gruß
Sonja N.

Sehr geehrte Frau N,
vielen Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse an meiner Arbeit. Über beides habe ich mich sehr gefreut. Die Antwort auf Ihre Frage ist keineswegs trivial und rechtlich ausgesprochen spannend.
Gern gebe ich Ihnen einen, notgedrungenen holzschnittartigen, Einblick in meine Gedanken dazu.
Zunächst gilt es festzustellen, dass selbstverständlich nicht sämtliche nachrichtendienstlich erlangten Informationen illegal erworben sind. In einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik unterliegen auch die Nachrichtendienste klaren rechtlichen Regeln und müssen das staatliche Interesse an der Informationsgewinnung verhältnismäßig gegen die Eingriffe in Persönlichkeitsrechte abwägen.
Tun sie das, handeln die Dienste legal und die im Vorfeld konkreter Gefahren durch sie heimlich gewonnenen Daten und Informationen können unter bestimmten, vom Bundesverfassungsgericht in diversen Urteilen festgelegten und ausformulierten Grundsätzen und Anforderungen, auch im Rahmen von sogenannten "Behördenzeugnissen" oder manchmal auch offen klassifiziert in Gerichtsverfahren eingebracht und verwertet werden.
Sollten rechtswidrig erlangte Informationen gleichwohl Eingang in ein Strafverfahren gefunden haben, führt auch das nach ständiger Rechtsprechung unserer höchsten Gerichte nicht zwangsläufig dazu, dass Beweise nicht verwertet werden dürfen. Entscheidend ist vielmehr eine weitere Abwägung, und zwar zwischen dem sog. "Strafverfolgungsinteresse des Staates" und dem Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten.
Ein Beispiel aus der jüngeren Zeit, das viele Schlagzeilen gemacht hat, waren die sog. „EncroChat“-Dateien. Dort ging es zwar nicht um Spionage im Sinne nachrichtendienstlicher Tätigkeit, aber letztlich doch genau um die Frage, die Sie gestellt hatten: Französische Polizeibehörden hatten einen Messengerdienst zu infiltrieren, der insbesondere auch von vielen Akteuren der organisierten Kriminalität genutzt wurde. Nach deutschen Maßstäben wäre das Handeln der französischen Behörden so nicht möglich gewesen, nach französischem Recht war es dies aber schon.
Mit den so gewonnenen Informationen konnten aber zahlreiche schwerste Straftaten sowie hochrangige Vertreter der organisierten Kriminalität verfolgt und diese letztlich verhaftet bzw. zur Anklage gebracht werden. Letztlich hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden, ob die erlangten Beweise im Gerichtsverfahren verwertbar sein sollen - und hat das bejaht. Diese Entscheidung war juristisch durchaus umstritten, denn letztlich kommt es immer darauf an, wie man Eingriffe in Persönlichkeitsrechte und Vertraulichkeit von Kommunikation gegen Sicherheitsinteressen des Staates abwägt. Politisch ist das eine Frage, die mich viel beschäftigt und bei der ich mich regelmäßig dafür einsetze, dass man die Bürger- und Freiheitsrechte immer im Auge behält und schützt.
Rechtlich hat in diesem Fall der Bundesgerichtshof zugunsten der Sicherheit entschieden (maßgeblich mit der Begründung, dass es ausreiche, dass das Handeln der französischen Behörde, nach französischem Recht ok war, zudem ging es dabei um schwerste Straftaten durch OK-Strukturen).
Sie sehen: Unter bestimmten Voraussetzungen ist es durchaus möglich, dass auch rechtswidrig - oder zumindest nach deutschem Recht rechtmäßig - erlangte Informationen von deutschen Gerichten verwertet werden können. Gleichwohl sollten sich die Bearbeiter in den Sicherheitsbehörden immer von dem Grundsatz leiten lassen, dass die Grundrechte Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat sind und auch mögliche Straftäter Grundrechte und insbesondere auch ein Recht auf den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung haben, den es stets zu achten und abzuwägen gilt.
Haben Sie nochmals vielen Dank für ihre ausgesprochen interessante Frage!
Herzliche Grüße
Konstantin v. Notz