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Frage von Karsten G. •

Frage an Kersten Artus von Karsten G. bezüglich Staat und Verwaltung

Da die Linke in Hamburg nicht mitregieren will, bzw. auch keine andere Partei mit ihr koalieren will: Wie wollen Sie Ihre Positionen dann eigentlich durchsetzen?

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DIE LINKE

Lieber Karsten Groth,

Vielen Dank für diese Frage - sie ist eine der häufigsten, die mir auf Veranstaltungen und an Infoständen derzeit gestellt wird. Wir werden unsere Positionen durchsetzen, in dem wir sie konsequent thematisieren, die besseren Argumente suchen, finden und vorbringen und außerdem die Bevölkerung in unsere Arbeit einbeziehen werden. Wir werden die Arbeit unserer künftigen Fraktion und die der Bürgerschaft auf ganz neue Art und Weise transparent machen.

Links wirkt zudem bereits jetzt, und deswegen sind wir und unsere Wählerinnen und Wähler überzeugt davon, dass wir auch in der Bürgerschaft inhaltlich wirken werden - und deswegen mit vielen Abgeordneten vertreten sein müssen. Wir sind einerseits die Partei, die als erste aller Hamburger Parteien mit einem umfangreichen Programm zur Bekämpfung der sozialen Not an die Öffentlichkeit getreten ist. Andere - vor allem die SPD - zogen nach und stellten ebenfalls die sozialen Themen an die Spitze. Das ist ein großer Erfolg für uns! Nicht eine einzige Partei hat es gewagt, mit den sonst üblichen Wahlkampfthemen Sicherheit/Kriminalität/Ausländer gegen sozial Schwache zu hetzen. Hamburgerinnen und Hamburger brauchen die Linke in der Bürgerschaft, damit die SPD, aber auch die GAL und die CDU in den sozialen Fragen unter Druck bleiben.

Die GAL hat mit uns viele Schnittmengen, aber kein ausgefeiltes soziales Konzept, um Armut zu bekämpfen. Sie sorgt sich stattdessen zu sehr um die Kreativität der Stadt und findet einige der Prestigeobjekte von Herrn von Beust auch noch toll. Umweltpolitisch haben die Grünen zwar viel drauf, aber es gelingt ihnen nicht, die sozialen Fragen damit zu verbinden. Sonst würden sie sich nicht für eine City-Maut einsetzen. Ihre Forderung müsste daher konsequenterweise heißen: Nur noch Reiche dürfen mit dem Auto in die Stadt. Sollte die GAL mit der SPD koalieren, ständen zudem ihre Positionen zur Elbvertiefung und zur „Schule für alle“ auf der Kippe. Wir werden den Druck zu diesem Thema weiter hochhalten, wenn wir in der Bürgerschaft sind..

Wir glauben zudem, dass wir im Falle eines Regierungswechsels - hin zu rotgrün - beileibe nicht überflüssig sind, im Gegenteil: Wie sieht es nämlich mit der Finanzierung der SPD- und GAL-Wahlversprechen aus?

SPD und GAL versprechen einen Richtungswechsel in der Hamburger Politik. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion spricht, wenn sie ihre Ziele für Rotgrün realisieren will, von Mehrausgaben bis 2011 von 250 Millionen Euro, was rund 60 Millionen Euro mehr pro Jahr bedeutet. Kandidat Naumann macht dann den Unterschied: „Wir reden über aufwachsende Ausgaben von bis zu 250 Millionen Euro im Haushaltsjahr 2011. Das lässt sich über die absehbaren Steuereinnahmen und politisches Umschichten finanzieren."

Wer allerdings allein im letzten Jahr der nächsten Regierungsperiode, also 2011, 250 Millionen. Euro mehr ausgeben will, wird auch in den drei vorhergehenden Jahren über Mehrausgaben disponieren müssen. Die Rückholung der Energieversorger und der Krankenhäuser in öffentliches Eigentum wäre ein Vorgang, der nicht über den „normalen" Haushalt, sondern nur über die Finanzen der Hamburger Gesellschaft für Vermögensverwaltung und -beteiligung (HGV) umzusetzen wäre.

Bleiben wir bei dem Betriebshaushalt der Hansestadt. Rotgrün dürfte mit den angepeilten 60 Millionen Euro nicht weit kommen. So kosten z.B.
- die Abschaffung der Studiengebühren ca. 45 Millionen Euro;
- die Wiederherstellung der Lern- und Lehrmittelfreiheit 12 Millionen Euro;
- die Wiedereinführung des Schülerfahrgelds 13 Millionen Euro;
- ein Sozialticket etwa 50 Millionen Euro.
Es fehlen dabei z.B. noch so wichtige Sofortmaßnahmen wie eine aktive Arbeitsmarktpolitik (Abschaffung der Ein-Euro-Jobs, Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen), kostenlose Mahlzeit und Betreuung für Kinder.

Während die SPD sich immerhin im Jahr 2011 schon einmal 250 Millionen Euro Mehrausgaben vorstellen kann, schweigt sich die GAL in der Frage der Kosten ihres Wahlprogramms und seiner Finanzierung aus. Einzig bei der geforderten Förderung sozial benachteiligte Stadtviertel werden Kosten in Cent und Euro ausgewiesen. Die GAL will für diesen Zweck 100 Millionen Euro ausgeben, von denen allerdings 60 Millionen Euro nicht aus dem Haushalt, sondern von der Bundesagentur für Arbeit kommen sollen. Damit sollen laut GAL 5.000 „gemeinnützige Jobs" geschaffen werden, deren Ausgestaltung (z.B. Lohnhöhe, Sozialversicherungspflichtigkeit) nicht weiter konkretisiert wird. Mit den dann verbleibenden 40 Millionen Euro liegt die GAL in etwa in der Dimension des gerade von Ole von Beust um 10 Millionen Euro jährlich aufgestockten Programms „lebenswerte Stadt". Die Kritik der zu geringen finanziellen Ausstattung des CDU- bekommt so beim genauen Nachrechnen einen faden Beigeschmack.

Wie alles andere finanziert werden soll (z.B. die Eine Schule für alle), darüber gibt die GAL keine Auskunft. Noch in Erinnerung ist, dass die Grünen in der Debatte um den Haushalt 2007/2008 von einem Umschichtungsvolumen von 125 Millionen Euro gesprochen haben. Umgeschichtet werden sollte dabei allerdings nicht etwa durch Stornierungen oder Kürzungen bei den „Leuchtturmprojekten" des CDU-Senats (Hafencity, Elbphilharmonie oder auch Hafenausbau), zu deren Fans auch die GAL gehört, sondern vor allem durch den kompletten Verkauf der HHLA. Dies ist in einer rotgrünen Koalition aber nicht machbar, weil die SPD den Stop aller Privatisierungsvorhaben versprochen hat.

Wir haben unser Landesprogramm Arbeit, das Aktionsprogramm gegen Armut und überfälligen Verbesserungen der Schul- und Ausbildungssituation seriös durchgerechnet. Alles wäre ohne Neuverschuldung finanzierbar, wenn die haushaltspolitischen Prioritäten verändert werden. Das ist machbar
- durch Rückgriff auf die in den vergangenen Jahren aus Steuermehreinnahmen gespeisten Rücklagenfonds;
- durch veränderte Prioritäten im Investitionshaushalt, vor allem durch Abstriche und Streichungen bei den Luxusprojekten des Senats wie z.B. Elbphilharmonie, Luxus-U-Bahn U4, HafenCity oder Hafenausbau. Der CDU-Senat hat in den letzten Wochen die künftige Bürgerschaft in vielen Finanzentscheidungen festgelegt. Es muss rücksichtslos aufgedeckt werden, welche „Investitionen" mit welchen Folgekosten rückgängig gemacht werden können.

Wir hoffen also, unsere Positionen durchzusetzen, indem wir vernünftige Finanzierungskonzepte anbieten - falls sich SPD und GAL sich weiterhin "verrechnen" werden. Wir werden die Kraft sein, die die Wahlversprechen der neuen Regierungsparteien immer wieder thematisieren wird.

Mit freundlichen Grüßen

Kersten Artus