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Kay Gottschalk
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Frage von Linda F. •

Wieso möchte die AfD das Kindergeld, Wohngeld, Kinderzuschlag und andere staatliche Transferleistungen nicht abschaffen?

Sehr geehrter Herr Gottschalk,

eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung behauptet, dass Vollzeitarbeitende mehr verdienen als Bürgergeldempfänger. Allerdings berücksichtigt das Institut staatliche Transferleistungen, was den Lohnabstand verzerrt.

Mir ist aufgefallen, dass das Nettoeinkommen plus Transferleistungen das Bruttolohn ergibt, manchmal sogar mehr. Der Staat nimmt durch Steuern und Sozialabgaben Geld ein, verpackt es als Geschenk und verteilt es an die Bürger.

Als Libertäre frage ich mich: Warum ist unser System nicht Brutto = Netto + extrem Niedrige Verbrauchsteuern. Dies kann die Notwendigkeit zahlreicher Behörden wie der Familienkasse und deren Mitarbeiter überflüssig machen, was Milliarden Euro einspart und den Staat verkleinert. Denn das Geld bliebe in der privaten Hand. Bei der ist das Geld besser aufgehoben. Warum stellt die AfD diese Forderungen nicht? Stattdessen dominieren in Ihrer Partei Kräfte wie Björn Höcke, die einen „Sozialpatriotismus” anstreben.

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Antwort von
AfD

Sehr geehrte Frau F.,

vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an unserer Sicht zum Thema Lohnabstand. Gern gehe ich auch auf Ihren „Verbesserungsvorschlag“ ein, zugegebenermaßen ein disruptiver Ansatz.

Die Hans-Böckler-Stiftung, eine gewerkschaftsnahe Einrichtung, deren Geschäftszweck u.a. in der intensiven Beschäftigung mit Themen wie Löhnen, Einkommensungleichheit und Sozialsystemen besteht, hat durch ihr Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Instituts (WSI) den sogenannten "Lohnabstand" zwischen einer Vollzeitbeschäftigung zum gesetzlichen Mindestlohn und dem Bürgergeld (Grundsicherung) untersucht (https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-stets-hoheres-einkommen-mit-job-67335.htm ). Das Ergebnis der Studie – Arbeit lohnt sich überall -verwundert kaum. 

Aus der Veröffentlichung ist zu ersehen, dass beim Erwerbstätigen zu Nettoeinkommen durchschnittliches Wohngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag und Unterhaltsvorschuss einbezogen wurde. Beim Beim Bürgergeldbezug der Regelsatz, Mehrbedarf für Alleinerziehende, Kosten der Unterkunft und Sofortzuschlag. Krankenversicherung wird schon gleich weggelassen. Das passt ins Bild.

Jedoch eine explizite Studie oder eine veröffentlichte Auswertung zur Anzahl der neben dem Bürgergeld möglichen Sozialleistungen existiert nicht. Wiederum eine Auswahl dazu finden Sie unter:

https://www.betanet.de/sozialhilfe-einmalige-leistungen.html

Wenn Sie einen Überblick gewinnen wollen, dann müssen Sie addieren, was in den Gesetzen und Verordnungen gelistet ist. Nachstehend eine kompakte Orientierung zu den zentralen Rechtsgrundlagen (Fundstellen) für die Leistungen neben dem Bürgergeld in Deutschland:

  • Wohngeld
    • Gesetz: Wohngeldgesetz (WoGeldG)
    • Fundstelle: §§ 1–19 WoGeldG
    • SGB II: Einmalzahlungen (z. B. Miete, bei Eigentum Zinsen, Betriebskosten und Strom-/Heizungs- oder Haushaltsbedarf) in bestimmten Paragrafen
       
  • Kindergeld
    • Gesetz: Einkommensteuergesetz (EStG) mit Nebenregelungen; Verwaltungsvorschriften
    • Fundstelle: §§ 64–66 EStG; Antrag bei der Familienkasse nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)
       
  • Kinderzuschlag
    • Gesetz: Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Verbindung mit SGB VIII
    • Fundstelle: §§ 6a, 6b SGB II; ggf. § 32 SGB VIII
       
  • Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
    • Gesetz: Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII)
    • Fundstelle: §§ 41–46, 61 SGB XII
    • Sozialhilfe / Grundsicherung für Erwerbstätige (Härtefälle, ggf. ergänzende Leistungen), Mehrbedarfszuschläge, z.B. für Schwangere oder Menschen mit bestimmten Behinderungen, Alterssicherung
    • Barbetrag zur persönlichen Verfügung für Menschen, die in einer Einrichtung leben: Sozialhilfe > Taschengeld
    • Übernahme der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (Kranken- und Pflegeversicherung
    • Gesetz: SGB XII (Sozialhilfe) bzw. SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) je nach Leistung
    • Fundstelle: SGB XII, insbesondere §§ 19–23, 43–52
       
  • Reisepass-/Integrations- oder Bildungspassleistungen
    • Rechtsgrundlagen variieren je Leistung:
    • Integrationsleistungen: SGB II, SGB III, ggf. AufenthG in Verbindung mit Integrationskursen
    • Bildungspaket/ Bildung und Teilhabe: SGB II §§ 28 ff., SGB XII ggf. § 16e
    • Fundstellen je nach konkreter Leistung in den genannten Büchern
       
  • Einmalige Hilfen und Härtefallregelungen
    • Rechtsgrundlagen je nach Leistung:
    • Gesetz: SGB II/SGB VIII in Verbindung mit jeweiligen Verordnungen,
       
  • Teilhabe- und Bildungspaket
    • Fundstelle: §§ 28, 30 SGB II; ggf. SGB VIII in Verbindung mit Bund-Länder-Vorgaben

In der Praxis werden viele Leistungen auch durch Verordnungen, Verwaltungsvorschriften und BMF-/BA-Rundschreiben ergänzt.

Mithin kommen Sie auf rd. 150 Einzelleistungen.

Nun zu Ihrem Ansatz: Brutto = Netto + niedrige Verbrauchsteuern statt Brutto = Netto + Transferleistungen. 

Ihre Frage bezieht sich auf ein hypothetisches Steuermodell, das statt direkter Transferleistungen (wie Sozialhilfe, Bürgergeld oder andere Umverteilungszahlungen) auf niedrige Verbrauchssteuern setzt. Dies könnte bedeuten, dass der Staat weniger direkte Unterstützung an Haushalte zahlt und stattdessen den Konsum durch niedrigere indirekte Steuern (z. B. auf Benzin, Tabak, Alkohol oder Energie) entlastet, was zu mehr verfügbarem Nettoeinkommen führt. 

Zunächst gehe ich auf mögliche positive Effekte Ihres „Modells“ ein. Da wären einmal erhöhte Anreize zur Arbeit und Produktivität zu verzeichnen, denn Transferleistungen können eine "Faulheitsfalle" erzeugen, da sie den Übergang von Arbeitslosigkeit zu Beschäftigung unattraktiv machen (z. B. wenn zusätzliches Einkommen stark abgeschöpft wird). Ein Modell mit niedrigen Verbrauchssteuern und höheren Nettoeinkommen würde stattdessen jeden verdienten Euro direkt spürbar machen. Volkswirtschaftlich führt das zu höherer Wertschöpfung und potenziell zu mehr Wachstum. 

Niedrige Verbrauchssteuern machen Güter des täglichen Bedarfs günstiger, was den privaten Konsum ankurbelt. Das ist besonders relevant für Haushalte mit niedrigen Einkommen, die einen großen Teil ihres Budgets für Konsum ausgeben 

Wie Sie auch schreiben, Transferleistungen erfordern umfangreiche Verwaltung (z. B. Prüfungen auf Bedürftigkeit). Ein Shift zu niedrigen Verbrauchssteuern reduziert diese Kosten und minimiert Abhängigkeit vom Staat, was langfristig zu einer selbstständigeren Gesellschaft führt. Das könnte auch die Abwanderung von Leistungsträgern verhindern.

Allerdings wären auch negative Auswirkungen zu erwarten. Transferleistungen sind progressiv und umverteilen von Reich zu Arm. Niedrige Verbrauchssteuern sind hingegen regressiv – sie entlasten alle gleichermaßen, belasten aber Niedrigeinkommensgruppen relativ stärker, da diese mehr für besteuerten Konsum ausgeben. 

Ein weiterer Aspekt, ohne Transferleistungen fehlt ein Sicherheitsnetz für Arbeitslose, Kranke oder Familien. Das könnte Armut erhöhen, besonders in Rezessionen, und zu höheren gesundheitlichen oder bildungspolitischen Kosten führen. 

Ein Effekt führt zu einer staatsfinanziellen Belastung: Niedrige Verbrauchssteuern reduzieren Einnahmen, während der Verzicht auf Transfers Ausgaben spart. Netto könnte das Budgetdefizit steigen, wenn keine anderen Steuern (z. B. Einkommensteuer) angehoben werden. Es könnte auch zu einem Verlust an Finanzstabilität führen, was sich wiederum zu höheren Zinsen führen könnte.

Das Modell könnte Innovationen fördern, indem es Abhängigkeit reduziert, aber es birgt Risiken für soziale Kohäsion. In Ländern mit ähnlichen Ansätzen (z. B. USA mit niedrigen Verbrauchssteuern und begrenzten Transfers) ist Wachstum hoch, aber die Ungleichheit ebenfalls.

Mein Fazit: Ein solches Modell könnte volkswirtschaftlich zu mehr Effizienz, höheren Arbeitsanreizen und Wachstum führen, birgt aber Risiken für soziale Gerechtigkeit und Stabilität. 

Nun noch zu Ihrer Bemerkung in Richtung „Sozialpatriotismus“. Die AfD plädiert für eine grundlegende Reform des deutschen Steuersystems. Kernziel ist die Senkung der Steuer- und Abgabenlast, um Abwanderung von Unternehmen und Fachkräften zu stoppen, sowie eine Vereinfachung des Systems. 

Das beinhaltet ein einheitliches Ertragsteuer - Gesetzbuch, das Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer zusammenführt. Wir würden die Freibeträge für Familien und Geringverdiener erhöhen, um den Mittelstand zu entlasten. Pauschalen, die seit Jahren nicht erhöht worden sind, den aktuellen Gegebenheiten anpassen (z.B. Pendlerpauschale).

Wir plädieren für eine Abschaffung oder Reduzierung bestimmter Abgaben (z. B. Solidaritätszuschlag), die Stärkung nationaler Souveränität bei Steuern und Ablehnung EU-weiter Harmonisierungen. Als „Sozialpatriotismus“ könnte die Ablehnung von Zahlungen, wir sprechen da über Milliardenbeträge, ins Ausland gewertet werden. 

Ich denke, dass wir mit unserem Ansatz sowohl dem Einzelnen als auch der Volkswirtschaft in toto einen Mehrwert verschaffen.

Ihr Kay Gottschalk

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