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Frage von Constantin M. •

Frage an Katja Kipping von Constantin M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Kipping,

Okkupation und Annexion der Halbinsel Krim in die Russische Föderation stellen einen gravierenden Verstoß gegen zahlreiche völkerrechtliche Normen (Gewaltverbot, territoriale Souveränität etc.) dar.

Es mag dahinstehen, inwieweit der EGMR unter dem Blickwinkel menschenrechtlicher Fragestellungen im Rahmen einer Staatenbeschwerde der Ukraine die Frage der Annexion bewerten darf (Vgl. etwa Ilașcu und Banković).

Wer es mit der Stärke des Rechts ernst meint, der kommt nicht umhin, auf eine Klärung anhand völkerrechtlicher Maßstäbe zu drängen. Dass eine solche Klärung auch im Falle von Streitigkeiten über territoriale Ansprüche Erfolg zeitigen kann, beweist etwa das Urteil des Int. Seegerichtshofs über den Verlauf der Seegrenze zwischen Bangladesch und Myanmar.

Einzig zur autoritativen Entscheidung der Streitigkeit über die völkerrechtliche Nichtigkeit der Annexion der Krim berufen ist der Internationale Gerichtshof. Das Problem hierbei besteht jedoch darin, dass der IGH derzeit keine Gerichtsbarkeit haben dürfte, da Russland eine generelle Unterwerfungserklärung nach Art. 36 Abs. 2 IGH-Statut nicht abgegeben hat und weder eine Zuständigkeitsklausel in einem völkerrechtlichen Vertrag (evtl. das Truppenstatut der Streitkräfte in Sevastopol) noch die russische Zustimmung zu einer ad-hoc Vereinbarung nach Art. 36 Abs. 1 IGH-Statut ersichtlich sind.

Die russische Seite hat stets auf völkerrechtliche Argumente verwiesen, die ihr Vorgehen in Bezug auf die Krim rechtfertigen sollen. Wenn Russland jedoch der Auffassung ist, Völkerrecht nicht gebrochen zu haben, dann sollte es sich auch dem IGH stellen.

Daher frage ich Sie:

1. Werden Sie in Gesprächen mit russischen Gesprächspartnern darauf drängen, dass sich Russland in der Krim-Frage der Gerichtsbarkeit des IGH unterwirft?

2. Werden Sie öffentlich dafür eintreten, dass eine Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit des IGH für die Aufhebung der bestehenden Sanktionen notwendige Bedingung ist?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Merlan,

es gibt in der Tat sehr ernst zu nehmende Einwände gegen die Gültigkeit des Referendums, auf das sich die Russische Föderation beruft. Ich teile diese ausdrücklich. Der Umgang der Russischen Föderation mit dem Völkerrecht in dieser Frage wird auch nicht dadurch besser, dass das Völkerrecht in der Vergangenheit durch Deutschland während des Kosovokriegs und durch die USA während des Irakkriegs gebrochen wurde.

Weder die Ukraine noch Russland haben die Zuständigkeit des IGH nach Artikel 36, Absatz 2 des Statuts des IGH von Rechts wegen und ohne besondere Übereinkunft als obligatorisch anerkannt. Im Ergebnis werden je nach politischer Interessenlage oder nach vermuteten Erfolgschancen Rechtsstreite vor den IGH gebracht werden oder Zuständigkeitserklärungen verweigert.

1) Ich begrüße es daher, wenn Staaten auf oben genannter Grundlage (und ohne einschränkende Klauseln) die Jurisdiktion des IGH als verbindlich anerkennen. Gesprächspartner würde ich daher immer davon zu überzeugen suchen, dass diese Art der Verrechtlichung zwischenstaatlicher Konflikte sinnvoll ist.

2) Man kann sich trefflich darüber streiten, ob Wirtschaftssanktionen helfen, den Konflikt in der Ukraine beizulegen. Sanktionen zu verhängen, um ein spezifisches politisches Ziel zu erreichen – die Abgabe einer Zuständigkeitserklärung des IGH gemäß Artikel 36, Absatz des Statuts des Internationalen Gerichtshofs – wäre selbst völkerrechtswidrig und zudem willkürlich. Schließlich haben neben Russland und der Ukraine viele Staaten der Weltgemeinschaft eine solche Erklärung nicht abgegeben. (Darunter viele EU-Staaten und wichtige Partnerländer der Bundesrepublik. Diese hat eine solche Erklärung im Übrigen ebenfalls erst 2008 abgegeben.)

Freundliche Grüße
Katja Kipping