Katalin Gennburg
Katalin Gennburg
DIE LINKE
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Frage von Karola V. •

Frage an Katalin Gennburg von Karola V. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Gennburg,

bis März 2018 soll die Berliner Tourismus Marketing GmbH visit.Berlin ein Konzept "Stadtverträglicher Tourismus" vorlegen. Tourismus ist zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden, die Übernachtungszahlen steigen kontinuierlich. In einigen Innenstadtvierteln regt sich allerdings Widerstand gegen Kneipenmeilen, Ferienwohnungen, Hostels, Touristifizierung und Ballermannisierung. Kiezstrukturen werden zerstört. Exemplarisch für den Ballermann an der Spree ist der Simon-Dach-Kiez in Friedrichshain zu nennen, Anwohner im Reuterkiez Neukölln fordern den Stopp der "Ver-Simon-Dachisierung" ihres Viertels. Bewohner sind Seismographen für negative Entwicklungen in ihrem Kiez. - Wie stehen Sie, als Sprecherin für Tourismus bzw. die Berliner Linke zu einer Beteiligung der Berliner*innen bei der Entwicklung des Konzeptes zu "Stadtverträglichem Tourismus"? Vielen Dank im Voraus für die Beantwortung.

Katalin Gennburg
Antwort von
DIE LINKE

Liebe Frau V.,

zunächst einmal möchte ich mich bei Ihnen für die verspätete Antwort entschuldigen! Ihre Frage spricht einen für mich zentralen Konflikt in der Berliner Stadtentwicklungspolitik an. Darin zeigt sich immer mehr, dass der Tourismusboom, den Berlin seit zehn Jahren erlebt, für diese Stadt und ihre Bewohner*innen zerstörerische Auswirkungen mit sich bringt (die Sie ja bereits angesprochen haben) und - anders als immer wieder behauptet - wie wir wissen auch keine gute Arbeit schafft, sondern mehrheitlich prekäre Niedriglohnjobs mit schlechter oder keiner sozialen Absicherung. Auch die steigende Anzahl von Menschen, die - um ihre eigene Miete oder Lebensunterhalt aufzubringen - WG-Zimmer oder ganze Wohnungen über Plattformen wie AirBnB vermieten, sind Ausdruck der Prekarisierung in unserer Gesellschaft. All diese Folgeprobleme der Tourismusindustrie sind vom Berliner Senat viel zu lange ignoriert oder bestenfalls unter dem Label "Wirtschaftsförderung" behandelt worden. Eine meiner ersten schriftliche Anfrage als Abgeordnete formuliert ich in diesem Sinne zum Thema "Erwerbssituation und Selbstständigkeit nicht dauerhaft in Berlin wohnender Personen in Tourismus und Gastronomie“ und diese finden Sie hier:
http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-10242.pdf
Seit einigen Jahren fordert die LINKE, dass es ein umfassendes stadtweites Konzept für sozial und ökologisch verträglichen Tourismus geben muss, um der Touristifizierung der Berliner Kieze klare Grenzen aufzuzeigen – etwa durch ein Moratorium für weitere Hotelbetten und auch eine strikte raumplanerische Regulierung der Ansiedlung von Beherbergungsbetrieben (etwa gemäß dem Hotelzonenkonzept von Barcelona folgend) und eine wirksamere Bekämpfung von Zweckentfremdung. Dazu gehört aber auch, die Anwohner*innen von stark tourismusbelasteten Kiezen besser vor Lärm und der Verdrängung von Nahversorgung und kieznahem Gewerbe zu schützen. Mit viel Beharrungsvermögen haben wir in die rot-rot-grüne Koalitionsvereinbarung tatsächlich hineinverhandeln können, dass ein Konzept für stadtverträglichen Tourismus erarbeitet wird. Damit soll vonseiten der Senatsverwaltung für Wirtschaft nun begonnen werden. Selbstverständlich fordern wir als LINKE dabei auch die Beteiligung der Anwohner*innen an der Erarbeitung des Konzepts - und zwar sowohl von (in Initiativen etc.) organisierten Anwohner*innen als auch Einzelpersonen! Dies kann nach unserer Vorstellung auf mehreren Ebene passieren: Zum einen soll der Teilnehmer*innenkreis des schon bestehenden "Runden Tischs Tourismus" deutlich erweitert werden, auch um Anwohner*inneninitiativen - wofür ich mich dezidiert stark mache. Zum anderen sollen auch bezirkliche Tourismuskonzepte und Quartiersprofile und -Ziele erarbeitet werden, was meiner Auffassung nach unter intensiver, frühzeitiger und verbindlicher Beteiligung von Anwohner*innen passieren muss. Das gilt es nun auch im entsprechenden Antrag der Koalition zu verankern. Von Ihrer indirekten Forderung nach mehr Beteiligung (so verstehe ich jedenfalls Ihre Frage) fühle ich mich in meiner politischen Arbeit unterstützt. Haben Sie dafür vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen verbleibend,
Katalin Gennburg

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