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Karl Bär
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Frage von Christian M. •

Frage an Karl Bär von Christian M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Bär,

da ja immer mehr für die Sicherheit getan wird, möchte ich Sie fragen, welche Schritte planen Sie um das entstandene Ungleichgewicht bei der Freiheit der Bürger zu beseitigen?

Im öffentlichen Bereich kann ich mich beispielsweise inzwischen nicht mehr bewegen, ohne an vielen Orten von Kameras überwacht zu werden - und das, wo inzwischen erwiesen ist, dass Kameras die Sicherheit nicht erhöhen, d.h. Straftaten nicht verhindern und den Opfern auch keine unmittelbare Hilfe leisten können.
Ist hier der Eingriff in mein Persönlichkeitsrecht noch verhältnismäßig?

Wie stehen Sie zum s.g. Staatstrojaner, d.h. einer staatlichen Software die Sicherheitslücken in Computern und Handys ausnützt um deren Nutzer zu überwachen?
Müsste der Staat nicht alle Sicherheitslücken die ihm bekannt werden an die Hersteller melden, damit diese geschlossen werden können, so dass die Geräte der Bevölkerung hierüber nicht mehr angegriffen werden können?
Sehen Sie hier den Schutz der Bevölkerung vor Schadsoftware oder das Interesse des Staats an Überwachung wichtiger?

Vielen Dank für Ihre Antworten,
C. M.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr M.,

ich stimme Ihnen zu, dass hier ein Ungleichgewicht herrscht. Mehr Überwachung bringt nicht mehr Sicherheit und schadet der Demokratie, da sich die Menschen in überwachter Umgebung nachweislich selbst einschränken und vorsichtiger Verhalten. Demokratie braucht aber aktive BürgerInnen, keine sich duckenden Untertanen.

Eine flächendeckende Kameraüberwachung, die alle unter Pauschalverdacht stellt, ist vollkommen unangebracht. Wir Grüne wollen eine bürgernahe Polizei, die dafür sorgt, dass es in Städten keine nächtlichen Angstzonen mehr gibt. Denn im Ernstfall schütz nämlich sie die Menschen – und nicht Videokameras. Eine gut ausgebildete, personell gut und divers ausgestattete Polizei hilft wirklich für Sicherheit. Das kostet aber mehr als Videokameras.

Einen Staatstrojaner lehne ich ab. Bis heute konnte der verfassungskonforme Einsatz eines Staatstrojaners nicht nachgewiesen werden. Trotzdem hält die Bundesregierung an diesem grundrechtlich hoch umstrittenen Instrument fest und greift noch immer auf das Know-How höchst zweifelhafter Firmen zurück, die eine Prüfung der Verfassungskonformität durch Einblick in den Quellcode der Software mit Hinweis auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verwehren. Ich setze mich dagegen ein, dass staatliche oder private Akteur*innen IT- Sicherheitslücken für den eigenen Nutzen und zum Schaden der Allgemeinheit geheimalten. Vielmehr müssen sie diese Lücke melden, damit sie rasch geschlossen werden können.

Wir Grüne setzen uns gegen eine Massenüberwachung ein und gegen eine Vorratsdatenspeicherung. Wer ständig überwacht wird, ist nicht frei. Selbst wer glaubt, „nichts zu verbergen zu haben“, ist angreifbar. Effektiver Grundrechteschutz ist das Fundament einer freien Gesellschaft. Dies gilt auch im digitalen Zeitalter. Menschen müssen wissen, wer wann was über sie weiß. Datenschutz ist aber mehr als nur informationelle Selbstbestimmung. Die Wahrung von Grundrechten im Digitalen darf keinesfalls auf den oder die Einzelne*n abgewälzt werden. Vielmehr bleibt der Staat in der Pflicht, private Kommunikation, persönliche Daten, Beschäftigtendaten und digitale Infrastrukturen effektiv zu schützen.

Das Thema Datenschutz und Überwachung wird in diesem Wahlkampf leider viel zu wenig diskutiert. Wir versuchen das, hier vor Ort zumindest einmal groß aufzugreifen. Am kommenden Mittwoch habe ich den Europaabgeordneten Jan Philipp Albrecht in Wolfratshausen (ab 19:00 in der Flößerei) und Holzkirchen (ab 20:30 im FoolsTheater) im Wahlkreis zu Gast. Jan hat im Europäischen Parlament als Berichterstatter über die Datenschutzverordnung mitverhandelt. Über die Entstehung der Verordnung und den Lobbyismus dahinter gibt es den Film "Democracy - im Rausch der Daten", den wir jeweils kostenlos zeigen. Wenn Sie daran interessiert sind, kommen Sie gerne vorbei.

Mit freundlich Grüßen,
Karl Bär

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