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Frage von Alfred K. •

Frage an Jutta Lieske von Alfred K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Wie wird in Brandenburg kontrolliert, ob ein Asylsuchender die Residenzpflicht einhält und welche Konsequenzen hätte es, wenn dagegen verstoßen wird. Gab es in der Vergangenheit Fälle von Residenzpflichtverletzungen und wie wurden diese geahndet. Es wäre schön wenn Sie entsprechende Fallzahlen zur Verfügung stellen könnten.
Wäre es in Brandenburg möglich, dass die Abschiebung von ausreisepflichtigen Asylbewerbern nicht vollzogen wird, weil die Möglichkeit besteht, dass dieser Asylbewerber im Ausland einen Anschlag verüben könnte.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Kuck,

nach unmfangreicher Recherche möchte ich Ihnen nun Antwort auf Ihre Fragen zukommen lassen.

1. Asylsuchende sind i.d.R. verpflichtet, bis zu sechs Monate in der Erstaufnahme-einrichtung zu wohnen (§ 47 AsylG). Ihr Aufenthalt ist auch nach Verteilung in einen Landkreis grds. auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, doch kann ein Asylsuchender für bestimmte Zwecke eine Verlassenserlaubnis erhalten (§§ 56-58 AsylG). Nach drei Monaten darf sich ein Asylsuchender grds. frei bewegen (eine Wohnsitzverpflichtung bleibt aber bestehen), es sei denn, die Ausländerbehörde hat aufgrund besonderer Umstände (z.B. Straftäter, bevorstehende Abschiebung) den Aufenthalt weiter beschränkt (§§ 59a ff. AsylG).Wird ein Ausländer nach Ablehnung seines Asylantrages ausreisepflichtig, darf er das zugewiesene Bundesland bzw. den Bezirk der Ausländerbehörde nicht verlassen (§ 61 AufenthG). Die Ausländerbehörden können bei Verstößen gegen diese Beschränkungen Bußgeldverfahren einleiten oder Strafanzeige stellen.

2. Polizeiliche Maßnahmen bei der Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit gemäß § 56 Aufenthaltsgesetz:

Gemäß § 56 Aufenthaltsgesetz unterliegt ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungs-verfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a Aufenthaltsgesetz besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt.

Grundlage für polizeiliche Maßnahmen im Sachzusammenhang wäre zunächst die Information der zuständigen Ausländerbehörde an die örtlich zuständige Polizeidienststelle über die Erteilung einer Meldeauflage. Auf Basis dieser Information würde die Dokumentation und Überwachung der Meldeauflage erfolgen. Eventuelle Sanktionen ergäben sich aus § 95 Aufenthaltsgesetz. Jedoch gibt es im Land Brandenburg nach gegenwärtigem Erkenntnisstand keine solchen Fälle.

3. Polizeiliche Maßnahmen bei festgestellten Verstößen gegen Beschränkungen nach § 61 Aufenthaltsgesetz:

Wird durch die Polizei ein Verstoß gegen die räumliche Beschränkung gemäß § 61 Aufenthaltsgesetz festgestellt, so werden eine Information an die zuständige Ausländerbehörde sowie eine Ordnungswidrigkeitenanzeige gefertigt. Wiederholte Verstöße stellen gemäß § 95 Absatz 1 Nummer 7 einen Straftatbestand dar. Hierzu ist jedoch grundsätzlich eine entsprechende Information der Ausländerbehörde an die Polizei erforderlich.

4. Bei Verstoß gegen die räumliche Beschränkung entsprechend Aufenthaltsgesetz oder Asylgesetz

wird bei wiederholtem Verstoß mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft (§ 95 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz),
kann eine Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet werden (§ 98 Aufenthaltsgesetz bzw. § 86 Asylgesetz).

Die Sanktionierung straffälliger Personen obliegt der Justiz, abhängig von der zur Last gelegten Straftat.

5. Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik des Landes Brandenburg, die auch am 8. März 2017 mit der Pressekonferenz „Polizeiliche Kriminalstatistik“ veröffentlicht wurden:

Anstieg bei Straftaten gegen das Aufenthalts-, Asyl- und Freizügigkeitsgesetz/EU

Im Jahr 2016 wurden 4.426 Fälle der Straftaten gegen das Aufenthalts-, Asyl- und Freizügigkeitsgesetz/EU erfasst.

6. Die Tatsache, dass jemand einen Anschlag in einem anderen Staat plant, kann einer Abschiebung entgegenstehen. Beispielsweise, wenn ein Ermittlungsverfahren wegen einschlägiger strafrechtlicher Vorschriften anhängig ist.

Gemäß § 72 Absatz 4 Aufenthaltsgesetz darf ein Ausländer, gegen den Klage erhoben oder ein Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, nur im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft abgeschoben oder ausgewiesen werden, Ausnahmen gelten für Delikte mit geringem Unrechtsgehalt.

Eine terroristische Gefahr (auch in anderen Staaten) stellt nach dem Aufenthaltsgesetz auch den Grund für eine Ausweisung oder für eine Abschiebung (§ 58 a Aufenthaltsgesetz) dar. In § 54 Absatz 1 Nummer 2 Aufenthaltsgesetz wird die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Strafgesetzbuch) als ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse beschrieben. Eine Abschiebung kann darüber hinaus in bestimmten Fällen geboten sein, um die Gefahr für einen anderen Staat zu reduzieren oder zu beseitigen. Denkbar ist, dass die terroristische Gefahr in dem Drittstaat dadurch reduziert oder beseitigt wird, dass dem Betroffenen durch die Abschiebung die Basis für die Unterstützung einer terroristischen Organisation entzogen wird (Bergmann/Dienelt Ausländerrecht, Aufenthaltsgesetz § 58a Rn. 21 – 39, beck-online). Andererseits kann die Ausländerbehörde (nicht nur in BB) aber auch die Ausreise eines Ausländers durch Passentzug verhindern (§ 46 Abs. 2 AufenthG).

Letztlich kommt es immer auf eine eingehende Einzelfallbetrachtung an, bei der die beteiligten Behörden alle in Betracht kommenden Möglichkeiten und Risiken bewerten. Eine enge Zusammenarbeit mit den Behörden im Ausland ist hierfür natürlich unerlässlich.

Sehr geehrter Herr Kuck, ich hoffe Ihre Fragen zunäöchst beantwortet zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen,
Jutta Lieske
Mitglied des Landtages Brandenburg