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Julian Schwarze
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Ivonne G. •

Hallo Herr Schwarze, wie erklären Sie sich, dass der Wahlkreis 6 mit immer mehr Betonblöcken zugepflastert wird, die oft Büros enthalten, die nicht gewollt sind, die uns die Luft und das Licht nehmen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Hallo Frau G.,

vielen Dank für Ihre Frage. Die Antwort fällt leider etwas länger aus, da hier Vorgaben des Baugesetzbuches (BauGB) und der Baunutzungsverordnung (BauNVO) eine entscheidende Rolle spielen. Es handelt sich bei beiden um Regelungen von der Bundesebene, die auch für Berlin gelten und an die sich die jeweils zuständigen Ämter halten müssen.

Insbesondere der § 34 des Baugesetzbuches ist für die Beantwortung Ihrer Frage wichtig. Denn insbesondere in Friedrichshain darf mangels gültiger Bebauungspläne häufig nach § 34 des Baugesetzbuches gebaut werden. Der Paragraph sagt – vereinfacht ausgedrückt – aus, dass innerstädtisch (bzw. im sog. Innenbereich) Baurecht besteht. Orientiert wird sich dabei an der umliegenden Bebauung. Das heißt nichts anderes, als dass Bauherr*innen ohne jegliche Beteiligung oder Einflussmöglichkeit des Bezirks oder der Öffentlichkeit bauen können. Wenn sich ein Gebäude in der Art (z. B. „Wohnen“) und im Maß (u.a. der Höhe) der Nutzung in die nähere Umgebung einfügt, muss es genehmigt werden. Weitere Auflagen, etwa zur Errichtung sozialer Infrastruktur, für Grünflächen oder sozialverträgliche Mieten können nicht gemacht werden. Das muss der Bund ändern, indem auch hier verbindliche Vorgaben gegenüber den Bauherr*innen gemacht werden können oder der § 34 BauGB ganz abgeschafft wird.

Da Sie nach Bürogebäuden fragen ist noch zu ergänzen, dass über die Baunutzungsverordnung geregelt ist, welche sogenannte Art der Nutzung wo zuzulassen ist. In Mischgebieten und teils auch in allgemeinen Wohngebieten (beide Begriffe sind Gebietseinteilungen der BauNVO) sind Bürogebäude grob gesagt baurechtlich zulässig. Beide Gebiete sind am häufigsten in Friedrichshain. Damit haben die Bauherr*innen einen Anspruch, ihre Grundstücke entsprechend zu bebauen. Somit ist die Entscheidung, ob ein weiteres Bürogebäude gebaut wird in erster Linie keine rein politische Entscheidung, sondern eine baurechtliche. Es gab in der Vergangenheit auch gerade in Friedrichshain immer wieder Fälle, wo das Bezirksamt und die Mehrheit der Verordneten im Bezirksparlament lieber Wohnungsbau oder den Erhalt von Freiflächen gesehen hätten. Die jeweiligen Investor*innen sich aber auf ihr rechtlich bestehendes Baurecht berufen und es dann auch genutzt haben.

Das ist oft sehr ärgerlich. Denn wenn gebaut wird, dann sollte auch das gebaut werden, was dringend benötigt wird. Und das sind preiswerte Wohnungen oder bezahlbarer Gewerberaum. Eine Möglichkeit, hier steuernd einzugreifen, sind Bebauungspläne. Mit Ihnen können die Bezirke oder das Land regeln, was wo gebaut werden darf. Hierfür fehlt es aber oft an Personal und Kapazitäten in den Bezirken, um Bebauungspläne für sehr kleinteilige Flächen aufzustellen. Hinzu kommt, dass bei einer Änderung der Bebauungsmöglichkeiten durch einen Bebauungsplan Entschädigungsansprüche für die Eigentümer*innen entstehen (also wenn z.B. weniger gebaut werden darf als nach § 34 BauGB möglich, weil eine Teilfläche zur Grünfläche wird oder eine bestimmte Nutzung ausgeschlossen wird). Dafür wiederum fehlt den Bezirken das Geld und auch das Land unterstützt hier nicht ausreichend. Das wollen wir ändern. Denn es muss möglich sein, dass bestehende Planungsinstrumente auch eingesetzt werden können. Dazu gehört auch, Grün- und Freiflächen zu sichern. Denn gerade sie fehlen im dicht bebauten und stark versiegelten Friedrichshain. Als Grüne setzte wir uns generell dafür ein, dass die letzten Grün- und Freiflächen im Bezirk erhalten bleiben und dass neue Bauprojekte möglichst nur noch auf bereits versiegelten Flächen entstehen können.

Der Bezirk hat das z.B. auch in Friedrichshain an verschiedenen Stellen gemacht. Ein Beispiel wäre Friedrichshain-West, wo durch durch die Ankündigung von Bebauungsplänen die ursprünglichen Planungen für Nachverdichtungen zusammen mit den Bürger*innen vor Ort überarbeitet und angepasst werden konnten.

Es gibt aber auch Beispiele, wo der Bezirk sich bewusst entschieden hat, eine gewerbliche Nutzung festzulegen und Wohnungsbau nicht zuzulassen. Ein Beispiel hierfür wären die Flächen südlich der S-Bahntrasse zwischen den Bahnhöfen Warschauer Straße und Ostkreuz. Dort würde eine heranrückende Wohnbebauung zu Lärmkonflikten und damit zur Verdrängung von bestehenden Gewerbe führen können, ebenso wäre das für clubkulturelle Nutzungen vor Ort ein Problem. Aber auch der Sportplatz könnte in der Folge eingeschränkte Nutzungszeiten bekommen.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage beantworten.

Viele Grüße
Julian Schwarze

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