Warum veröffentlichen Sie nicht die Namen der Bundestagsabgeordneten, die Transparenzverstöße begangen haben und wie werden diese "Damen und Herren" bestraft?
Im aktuellen Newsletter von Abgeordnetenwatch.de ist zu lesen:
"Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) zählt in einem aktuellen Bericht hunderte Transparenzverstöße von Abgeordneten auf. Was darin nicht erwähnt wird: Sie selbst meldete eine brisante Nebentätigkeit mehr als ein Jahr lang nicht. Es geht um eine frühere Funktion in einem Netzwerkverein, der Konzernen und Lobbyverbänden einen „privilegierten Zugang“ zur Politik verspricht. Nun wird klar: Klöckners Verstoß blieb ohne spürbare Folgen."
Was sagen Sie zu diesem Bericht und Ihrem eigenen Fehlverhalten?
Sie selbst haben jetzt hunderte Verstöße festgestellt. Wer waren diese Personen?
Diese "Volksvertreter" leben genau wie Sie vom Geld der Bürger und Steuerzahler in diesem Land.
Sind Sie der Meinung, dass die Bürger keinen Anspruch auf die Veröffentlichung der Namen derer haben, die die Transparenzregeln verletzt haben?
Wenn ja, warum?
Wie werden diese "Damen und Herren" bestraft?
Sehr geehrter Herr C.,
danke für Ihre Frage. Da Sie sich auf meine Aufgaben als Bundestagspräsidentin beziehen, antworte ich Ihnen nicht in meiner Funktion als Abgeordnete, sondern als Vertreterin des Verfassungsorgans Deutscher Bundestag und der Gesamtheit seiner Mitglieder sowie dank der Zuarbeit der Bundestagsverwaltung:
Sie sprechen ein wichtiges Thema an: Transparenz und Vertrauen in unserer Demokratie. Um Transparenz zu schaffen, sind im Abgeordnetengesetz Verhaltensregeln für Abgeordnete festgelegt. Demnach dürfen Abgeordnete grundsätzlich Nebentätigkeiten ausüben, sie sind aber verpflichtet, diese und etwaige Einkünfte daraus der Bundestagspräsidentin oder dem Bundestagspräsidenten anzuzeigen. Hierzu zählen unter anderem ihre selbständigen und unselbständigen Nebentätigkeiten sowie Mitgliedschaften in Vorständen, Aufsichtsräten oder sonstigen Gremien, Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften sowie die Annahme geldwerter Zuwendungen. Außerdem enthalten die Verhaltensregeln zur Sicherung der Unabhängigkeit der Abgeordneten einige Verbotstatbestände, wie zum Beispiel die Unzulässigkeit bestimmter Tätigkeiten, Spenden und Zuwendungen.
Mögliche Verstöße gegen die Anzeigepflichten und gegen die Regelungen zur Sicherung der Unabhängigkeit des Mandats werden durch die Bundestagsverwaltung geprüft. Im Abgeordnetengesetz ist hierfür ein komplexes Verfahren geregelt. Am Ende eines solchen Prüfverfahrens können (a) die Einstellung eines Verfahrens, (b) bei minder schweren Verstößen oder leichter Fahrlässigkeit die Ermahnung oder (c) die Feststellung eines Verstoßes durch das Bundestagspräsidium und gegebenenfalls die Verhängung eines Ordnungsgeldes stehen. Ein minder schwerer Fall liegt nach dem Gesetz zum Beispiel vor, wenn die Anzeigefrist von drei Monaten um nicht mehr als drei Monate überschritten wurde. Um diese Prüfverfahren handelt es sich bei der Berichterstattung, auf die Sie eingehen.
Im Abgeordnetengesetz ist auch geregelt, dass die Bundestagspräsidentin bzw. der Bundestagspräsident zu Beginn jeder Wahlperiode einen Bericht über alle Prüfverfahren der vergangenen Wahlperiode vorlegt. Dieser Bericht enthält präzise Zahlen über eingeleitete Verfahren, Ermahnungen, festgestellte Verstöße und verhängte Sanktionen. Im Gesetz ist exakt definiert, welche Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Mir ist wichtig zu betonen: Von den 361 Prüfverfahren der vergangenen Wahlperiode führte kein einziges Verfahren zu einem vom Präsidium des Deutschen Bundestages festgestellten Pflichtverstoß. 261 Fälle endeten mit einer Ermahnung, 85 wurden eingestellt. 15 Verfahren konnten in der 20. Wahlperiode nicht abgeschlossen werden. Die Öffentlichkeit erfährt somit transparent über das Ausmaß und die Art aller Prüfverfahren.
Zur Frage nach der Veröffentlichung von Namen bei Transparenzverstößen: Das Abgeordnetengesetz regelt ausdrücklich und abschließend, welcher Personenkreis zu welchem Zeitpunkt Informationen über Prüfverfahren und deren Abschluss erhält. Darüber hinaus kann die Bundestagsverwaltung keine Auskunft geben. Sie kann auch nicht die Namen der Abgeordneten, gegen die Prüfverfahren geführt wurden, veröffentlichen. Außerdem hat auch das Bundesverwaltungsgericht 2016 in einem Urteil klargestellt: Die Bundestagsverwaltung ist zur Auskunft gegenüber Dritten nur verpflichtet, sofern sich die Angaben auf die Gesamtheit der Abgeordneten beziehen, nicht aber auf einzelne Abgeordnete unter Namensnennung. Denn zum einen schützt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung die persönlichen Daten aller Bürger – auch die von Abgeordneten. Zweitens garantiert Artikel 38 des Grundgesetzes die Freiheit des Mandats, die durch die Veröffentlichung personenbezogener Daten rechtlich verletzt werden könnte.
Die gesetzliche Vorgabe, minder schwere Verstöße nur anonym zu veröffentlichen, basiert auf einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an Transparenz und dem Persönlichkeitsrecht der Abgeordneten. Insbesondere bei geringfügigen oder fahrlässigen Verstößen wird der Schutz des Persönlichkeitsrechts höher gewichtet. Bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen, die ein besonderes öffentliches Interesse begründen, erfolgt eine Veröffentlichung als Bundestagsdrucksache – diese würde dann auch den Namen enthalten.
Zu den Berichten über meine eigene Nebentätigkeit kann ich Ihnen ganz persönlich als Abgeordnete sagen: Der Wirtschaftspolitische Club Deutschlands e. V. kooptiert automatisch die wirtschaftspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen qua Amt. Diese Kooptation ist unentgeltlich. Ich persönlich habe die Kooptation nicht in Anspruch genommen und an diesen Sitzungen nicht teilgenommen. Deshalb hatte ich diese qua-Amt-Mitgliedschaft erst nicht angegeben, weil ich sie nicht wahrgenommen hatte. Der Vollständigkeit halber, auch wenn man diese Mitgliedschaften nicht in Anspruch nimmt, ist eine Angabe aber erforderlich – die ich dann auch vorgenommen habe.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass Sie selbstverständlich die Möglichkeit haben, auch auf direktem Weg mit dem Deutschen Bundestag, seinen Abgeordneten oder mir als seiner Präsidentin Kontakt aufzunehmen. Zum Beispiel über: https://www.bundestag.de
Herzliche Grüße
Julia Klöckner