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Julia Klöckner
CDU
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Frage von christian f. •

Glauben Sie als designierte Bundestagspräsidentin, dass ein Christenmensch sich mancher politischer Themen enthalten sollte, wenn Sie öffentlich den Kirchen politische Kompetenzen absprechen?

Sehr geehrter Frau Klöckner,

ich kann mir kaum vorstellen, welcher Verantwortung eine Bundestagspräsidentin entgegensehen muss, zumal in der aktuellen Konstellation im Deutschen Bundestag. Daher kann ich auch nicht verstehen, weshalb Sie diese Aussage zur politischen Beteiligung der Kirche(n) in der Öffentlichkeit gemacht haben könnten. Denn die Tatsache, dass nachgerade die protestantischen Kirchen in der ehemaligen DDR durch ihre (riskanten) Formen politischer Beteiligung einen durchaus demokratischen "Systemwechsel" begünstigt hat, ist wohl unbestritten. - Das werden Sie, Frau Klöckner, auch nicht anzweifeln.

Allerdings sollte doch politische Beteiligung von jedem Bürger ausgehen können, was irgendwo im Grundgesetz zum Stichwort "Macht" näher bestimmt wird. Wieso sollten da Bürger und andere Menschen nicht auch im Rahmen des Kirchentags Formen politischer Beteiligung ausprobieren? Oder unterstellen Sie, Frau Klöckner, den Kirchen, dass diese ihre Mitglieder manipulieren?

C. F.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr F.,

danke für Ihre Frage. Da Sie sich auf meine Aufgaben als Bundestagspräsidentin beziehen, antworte ich Ihnen nicht in meiner Funktion als Abgeordnete, sondern als Vertreterin des Verfassungsorgans Deutscher Bundestag und der Gesamtheit seiner Mitglieder sowie dank der Zuarbeit der Bundestagsverwaltung: 

Als Christin in politischer Verantwortung orientiere ich mich am christlichen Menschenbild und an christlichen Werten. Mein Glaube gibt mir einen inneren Kompass, bestimmt jedoch nicht unmittelbar meine politischen Entscheidungen. Auch wenn Religion immer politisch war, Politik und Religion unterscheiden sich grundlegend: Die Religion sucht nach Wahrheit, die Politik nach Mehrheiten. Das erfordert Kompromisse jenseits moralischer Absolutheitsansprüche.

Ich freue mich über die lebendige Debatte, die ich angestoßen habe. Im Übrigen aus der Kirche heraus und nicht nur in die Kirche hinein. Denn ich selbst bin Teil der katholischen Kirche. Das Echo auf meine Kritik zeigt mir: Ich habe einen wunden Punkt berührt. Diese Debatte war überfällig. Viele Menschen erwarten von der Kirche spirituelle Impulse, keine politischen Handlungsanweisungen.

Auch in einem modernen Land wie Deutschland bleibt der Glaube für viele Menschen lebenswichtig. Dennoch verzeichnen wir rekordverdächtige Kirchenaustritte. Dieser Widerspruch muss doch den Kirchen zu denken geben! 

Die Kirche entfaltet ihre größte Kraft, wenn sie sich auf ihren spirituellen Kern besinnt und von dort aus in die Gesellschaft wirkt. Wenn kirchliche Stellungnahmen primär als tagespolitische Kommentare wahrgenommen werden, verschwimmt ihre eigentliche Botschaft.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass Sie selbstverständlich die Möglichkeit haben, auch auf direktem Weg mit dem Deutschen Bundestag, seinen Abgeordneten oder mir als seiner Präsidentin Kontakt aufzunehmen. Zum Beispiel über: https://www.bundestag.de

Herzliche Grüße
Julia Klöckner

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