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Johannes Vogel
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Frage von Lukas F. •

Frage an Johannes Vogel von Lukas F. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Hallo Johannes,

Ich habe eine Frage an Dich bezüglich des liberalen Bürgergeldes.
Dieses Vorhaben scheitert ja bisher vor Allem an der - nicht ganz unberechtigten - Kritik der Gegner, die behaupten, dass dadurch Lohndumping unterstützt würde.
Da ja nun auch Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den Beziehern des Geldes vorgesehen sind, - wäre es nicht möglich, das Konzept um Instrumente gegen den unternehmerischen Missbrauch zu ergänzen?
Ich denke da an eine steuerliche Abgabe für Unternehmen, bei der beispielsweise die Höhe der Lohnzahlungen in Relation zur Unternehmensgröße, zum Kapital oder zum Unternehmensgewinn gesetzt würde. Die Abgabe müsste an denjenigen Unternehmen vorbeigehen, die sich keine höheren Löhne leisten können, müsste jedoch diejenigen treffen, die sich trotz der Fähigkeit zu einer ausreichenden Bezahlung ihre Löhne vom Steuerzahler aufbessern lassen. Der Höchstbetrag der Abgabe müsste in etwa der "Lohnaufbesserung" entsprechen, die der Staat im jeweiligen Fall leistet. So kann der Arbeitgeber das Geld dann auch gleich als Lohn auszahlen, -die Tarifautonomie wäre jedoch faktisch nicht verletzt. Der hierbei entstehende Wettbewerbsvorteil "am Start", könnte zudem den Markt öffnen und den Wettbewerb ankurbeln.

Meine Frage also: Ist eine solche Abgabe überhaupt denkbar, - und wenn ja, wie könnte man sie möglichst einfach und unbürokratisch ausgestalten?
Anstatt komplizierter Tabellen, könnte man ja vielleicht eine Formel erstellen, die die verschiedenen Aspekte in Relation setzt und aus der sich die jeweilige Steuererhebung ergibt.
Solange die Bearbeitungskosten die Einnahmen übersteigen, ist das Unterfangen selbstverständlich sinnlos.

Ich würde mich sehr auf eine Antwort freuen, da ich Deine Meinung außerordentlich schätze.

Liebe Grüße,
Lukas.

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Antwort von
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Lieber Lukas,

ich kann das Argument, dass die Aufstockung von niedrigen Einkommen zu einem niedrigeren Lohnniveau führt, nicht nachvollziehen. Mir ist auch keine empirische Studie bekannt, die diesen Zusammenhang eindeutig belegen würde.

Viele Punkte sprechen auch gegen diese These: Die starke Stellung der Gewerkschaften im deutschen Erfolgsmodell Tarifautonomie, (rechtliche) Regelungen von der Grundsicherung, über die Sittenwidrigkeit bis hin zur Möglichkeit von Allgemeinverbindlichkeiten und natürlich auch das Interesse von Unternehmen an motivierten Mitarbeitern. Sollten also tatsächlich Unternehmen einen reinen Lohnunterbietungswettbewerb führen können und wollen, hätten wir nicht das hohe Lohnniveau, das wir haben. Deswegen ist der Anteil der sogenannten Aufstocker, die wegen eines zu geringen Lohnes ihren eigenen Bedarf nicht decken können, auch verschwindet gering. Die große Zahl der Aufstocker entsteht - entgegen einer häufigen Behauptung - nicht durch zu niedrige Lohnhöhen, sondern weil viele Betroffene nur Teilzeit arbeiten oder weil die Familien durch ihre Kinder einen Anspruch auf ergänzendes Arbeitslosengeld II haben. Insofern subventioniert auch nicht der deutsche Staat niedrige Löhne. Die Aufstockung verbessert das verfügbare Einkommen der betroffenen Personen. Würde sie keine Ergänzung erhalten, stünden sie erheblich schlechter dar, ohne dass sich etwas an ihrem Arbeitslohn ändern würde. Dies ist im aktuellen System der Fall und wäre bei der Umstellung zum Bürgergeld auch nicht anders.

Auch deswegen glaube ich nicht, dass die Idee einer Sondersteuer für bestimmte Unternehmen sinnvoll ist, um das Lohnniveau zu heben. Erstens ist das Lohngefüge mit den sonstigen betriebswirtschaftlichen Faktoren verknüpft und damit extrem dynamisch. Um dies ständig zu kontrollieren, wäre ein gewaltiger bürokratischer Aufwand nötig, der in keinem Verhältnis stehen würde. Aber selbst wenn Derartiges praktisch möglich wäre, würde ich ein solches Vorgehen nicht gutheißen. Letztlich müsste die Politik festlegen, welcher Lohn der richtige wäre. Das ist nach meiner Überzeugung alles andere als liberal.

Herzliche Grüße

Johannes

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