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Johannes Kahrs
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Frage von Sabine B. •

Frage an Johannes Kahrs von Sabine B.

Sehr geehrter Herr Kahrs,

vielen Dank für ihren umfangreichen Erklärungsversuch zur Grundgesetzänderung zur Autobahnprivatisierung. Ihre Erläuterungen können mich leider nicht überzeugen.Ihre zentralisierte Autobahngesellschaft kann niemals gut koordiniert das gesamte Autobahnnetz überwachen, in Stand halten und betreiben. Das ist auch nicht gewollt. Die Bundesregierung möchte freie Hand haben, Autobahnabschnitte mittels ÖPP neu zu bauen, auszubauen bzw.zu sanieren und dann auch über 25 bis 30 Jahre betreiben zu lassen. Das bedeutet, zukünftige Mauteinnahmen werden zur Refinanzierung dieser Projekte genutzt. Hier kann man als Staat zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.Das Finanzministerium kann an seiner schwarzen Null festhalten und die Finanzinstitute haben, gemeinsam mit den grossen Baukonzernen lukrative Einnahmequellen über einen Zeitrahmen, den man mit einer Erbpacht vergleichen kann.Über diese ÖPPs wird somit ein Netz an privaten Betreibern enstehen. Aktuelle Beispiele sind die A1 zwischen Bremen und Hamburg und die A 7 zwischen Bockenem und Göttingen. Die Zukunft wird sein wie wir es jetzt schon in Frankreich, Portugal und Spanien erleben. Für ein Wohnmobil bezahlt man dort inzwischen ca. 1,50 Euro pro gefahrene 10 km. Welche Auswirkungen kann man dort auch erleben? Auf den Autobahnen tummelt sich in der Regel nur noch der Frachtverkehr. Private PKW nutzen verstärkt das unterliegende Wegennetz zu Lasten der Städte, Dörfer und Gemeinden.

Jetzt zu meiner Frage : Wo kann ich in diesem Zusammenhang sozialdemokratische Politik erkennen?
Ich warte nun auf den Tag, wo jeder Nutzer der Autobahn in Deutschland Maut bezahlen wird. Auf dem Weg dahin sind wir ja.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Frau Boersma,

vielen Dank für Ihre Fragen.

Wie Sie wissen, ist die Infrastrukturgesellschaft Teil eines umfangreichen Gesetzpaketes. Wenn Sie fragen, wo in diesem Zusammenhang sozialdemokratische Politik zu erkennen ist, lautet die Antwort: Die Infrastrukturgesellschaft war und ist kein Herzensanliegen der SPD – uns waren andere Projekte dieses Gesetzpaketes wichtig:

1.) Wir stellen 3,5 Mrd. Euro für die Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen zur Verfügung. Dadurch können wir den teils massiven Sanierungsstau an deutschen Schulen – zumindest teilweise – abbauen und stärken gleichermaßen finanzschwache Kommunen. Möglich wird das dadurch, dass wir im Grundgesetz das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in Sachen Bildung aufbrechen. Das ist ein wichtiger Erfolg der SPD, um auch zukünftig Bildung von Seiten des Bundes stärker fördern zu können.

2.) Der Unterhaltsvorschuss wird deutlich ausgebaut, was fast einer Million alleinerziehender Eltern und ihren Kindern das Leben deutlich erleichtern wird. Erstens wird die Altersgrenze von jetzt 12 auf 18 Jahre angehoben. Zweitens wird die bisherige zeitliche Befristung von maximal sechs Jahren Bezugsdauer abgeschafft. Der Bund beteiligt sich nach der Ausweitung deutlich mehr an den Kosten des Unterhaltsvorschusses. Da es insbesondere für Alleinerziehende schwer ist, Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung miteinander zu vereinbaren, ist diese Reform ein echtes Plus an sozialer Gerechtigkeit – sozialdemokratische Politik eben.

3.) Es war die SPD, die die Privatisierung der Autobahnen in langen und mühsamen Verhandlungen im Bundestag verhindert hat. Vieles von dem was Sie schreiben, ist nach den Änderungen des Gesetzesantrags durch das parlamentarische Verfahren nämlich sachlich nicht mehr richtig. Für den Bau und die Sanierung von Autobahnen mittels ÖPP beispielsweise, wäre ein solches Gesetz nicht nötig gewesen – ÖPP-Autobahnprojekte waren vorher nämlich unbegrenzt möglich. Wir haben eine Beschränkung auf Einzelprojekte durchgesetzt. Außerdem bleibt der Mautgläubiger der Bund und nicht die Infrastrukturgesellschaft – die Infrastrukturgesellschaft ist damit von dem „CSU-Herzensprojekt PKW-Maut“ entkoppelt. Die Gesellschaft wird außerdem nicht kreditfähig sein – die Gefahr einer Aufnahme von privatem Kapital zu hohen Zinsen ist somit ebenso gebannt, wie die eines Schattenhaushaltes.

Aufgrund dieser und einer Vielzahl anderer Änderungen, die die SPD durchgesetzt hat, bleibt am Ende nicht viel übrig von der großen Privatisierungslegende. Eine Verschlechterung im Vergleich zum Status quo ante jedenfalls, kann ich beim besten Willen nicht erkennen.

Ich erwarte nicht, dass Sie meiner Argumentation eins zu eins folgen, weil ich verstehe, dass es bei einem so komplexen Thema und den vielen unterschiedlichen Interpretationen der verschiedenen politischen Akteure schwierig ist, sich eine abschließende Meinung zu bilden. Aber ich bitte Sie, auch die Argumentation von Frau Wagenknecht und anderen kritisch zu hinterfragen und erst dann abzuwägen.

Mit freundlichem Gruß
Johannes Kahrs