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Johannes Fechner
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Frage von Nadine Z. •

Was bedeutet das Selbstbestimmungsgesetz für den staatlichen Verfassungsauftrag im Hinblick auf die Durchsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau ?

Sehr geehrter Herr Dr. Fechner,
was ist eine Frau, wenn sich mit dem Selbstbestimmungsgesetz zukünftig jeder Mann zur Frau erklären kann ( https://www.emma.de/artikel/trans-gesetz-ein-fall-fuer-karlsruhe-340315 ) ? Und was bedeutet die Antwort hierauf für den Verfassungsauftrag ? Der Staat hat ja die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau zu fördern ( Art. 3 Abs. 2 GG ). Wie funktioniert dies verfassungskonform auf Basis des Selbstbestimmungsgesetzes ?

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Z.,

vielen Dank für Ihre Frage zum Selbstbestimmungsgesetz. Dieses beinhaltet Regelungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen bei Auseinanderfallen des Geschlechtseintrags und der Geschlechtsidentität. Das steht nicht im Widerspruch zum verfassungsgemäßen Auftrag der Gleichstellung der Geschlechter. Ganz im Gegenteil wird hier ein derzeit recht bürokratisches Verfahren durch ein vereinheitlichtes, entbürokratisierendes und selbstbestimmtes Verfahren ersetzt. Dadurch kommen wir einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nach (Http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2017/10/rs20171010_1bvr201916.html ). Darin heißt es: "Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt danach auch die geschlechtliche Identität, die regelmäßig ein konstituierender Aspekt der eigenen Persönlichkeit ist. Der Zuordnung zu einem Geschlecht kommt für die individuelle Identität unter den gegebenen Bedingungen herausragende Bedeutung zu." Im von Ihnen zitierten Art. 3 des Grundgesetzes heißt es in Absatz 3 unter anderem, dass niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf.

Ihre Frage zielt möglicherweise darauf ab, dass Sie befürchten, dass Männer künftig in geschützte Räume von Frauen eindringen können oder von Quotenregelungen Vorteile erlangen könnten, indem sie einfach nur ihren Geschlechtseintrag ändern. Dazu gebe ich zu Bedenken, dass es mit großem Aufwand verbunden ist, sämtliche Dokumente (zum Beispiel Zeugnisse, Führerscheine, EC- oder Versicherungskarten) umschreiben zu lassen und sich Menschen diese Entscheidung keinesfalls leicht machen. Wenn es beispielsweise um Plätze in Frauenhäusern geht, entscheidet dort qualifiziertes Personal in jedem Einzelfall über den Zugang. Ein Blick ins Ausland bestätigt diese Annahme. Argentinien, Malta, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Irland, Portugal, Island, Neuseeland, Norwegen, Uruguay und die Schweiz haben bereits (zum Teil seit zehn Jahren) ähnliche Regelungen zur Änderung des Geschlechtseintrags. In diesen Ländern sind keine Fälle bekannt, dass Personen die Regelungen aus anderen Gründen nutzen, als um die Geschlechtsidentität mit dem Geschlechtseintrag in Einklang zu bringen. Sollte es entgegen dieser Annahmen und Erfahrungen doch zu individuellem Fehlverhalten kommen, wäre dies ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Denn betrügerisches oder gewalttätiges Verhalten ist strafbar – unabhängig vom Geschlechtseintrag.

Mit freundlichen Grüßen

Johannes Fechner

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