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Joachim Pfeiffer
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Frage von Fritz E. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Fritz E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Herr Dr. Pfeiffer,

in Deutschland gibt es vielfältige Verknüpfungen von Staat und Kirchen wie Sonderregelungen, Sonderrechte und Finanzierungen. Wie ist Ihre politische Position zu einer Trennung von Staat und Kirche bei folgenden Punkten?

Finanzielle Unterstützung der Kirchen durch den Staat: Erhebung der Kirchensteuer und Zahlung der Staatsleistungen. Wie ist Ihre Haltung zur Ablösung dieser Leistungen?

Religionsbezüge in deutschen Gesetzen wie der Hinweis auf Gott im Grundgesetz oder die gesetzliche Freigabe der religiös motivierten Beschneidung. Sind Sie offen für eine weltanschaulich neutrale Gesetzgebung auf säkularer Basis?

Staatlich geförderte Sonderregelungen für die Amtskirchen wie der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen oder die Militärseelsorge. Wie stehen sie zu der Forderung, diese Sonderrechte abzuschaffen und z. B. den Ethik-Unterricht generell einzuführen?

In kirchlichen Sozialeinrichtungen werden mit dem „Dritten Weg“ wichtige Arbeitnehmerrechte eingeschränkt. Sind Sie dafür, die Gültigkeit des Betriebsverfassungsgesetzes auch auf kirchliche Einrichtungen auszuweiten?

In öffentlich-rechtlichen Medienanstalten sind Kirchenvertreter in den Rundfunkräten überproportional vertreten, was sich auf die Berichterstattung auswirkt. Sind Sie bereit, zukünftig die säkularen Vertreter stärker zu unterstützen?

Bekennen Sie sich zu einer vollständigen Trennung von Staat und Kirche? Können Sie den Satz: „Religion ist Privatsache“ voll unterstützen?

Ich danke Ihnen für eine Antwort und grüße Sie
Fritz Ehret Waiblingen

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Ehret,

grundsätzlich gilt nach unserer Verfassung, dass Staat und Kirche getrennt sind. Dennoch ist aus gutem Grund verfassungsrechtlich die Kooperation in einigen Feldern, so beispielsweise der Anstaltsseelsorge oder bezüglich des Religionsunterrichts an staatlichen Schulen zugelassen. Eine solche Zusammenarbeit verstößt nicht gegen das Verbot einer Staatskirche und auch nicht gegen die staatliche Neutralität, zu der es in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes beispielhaft heißt: „Die dem Staat gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität ist […] als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung.“ (BVerfGE 108, 282 (300).

Zum anderen möchte ich Sie gerne auf grundsätzliche Überlegungen bei den finanziellen Regelungen aufmerksam machen. Für unseren Sozialstaat halten wir am Prinzip der Subsidiarität fest. Freie Träger nehmen gesellschaftliche und staatliche Aufgaben wahr. Dies gilt auch im Bereich der Bildung. Die freien Träger sichern ein plurales Angebot, das den Bürgern ermöglicht, ihr Wahl- und Wunschrecht auszuüben. Die Kirchen sind ein Anbieter, die zahlreiche dieser Aufgaben aus ihrem Auftrag leisten. Für die Erfüllung dieser Aufgaben erhalten die Kirchen staatliche Kostenerstattung – wie im Übrigen auch andere Religionsgemeinschaften und auch Weltanschauungsgemeinschaften, wie beispielsweise Humanistische Verbände im Land Berlin.

So ist bei den finanziellen Regelungen zwischen verschiedenen Ebenen zu unterscheiden; einerseits erhalten die beiden großen christlichen Kirchen so genannte „Staatsleistungen“ im Sinne von Art 140 GG i.V.m. Art. 138 WRV, die ihnen auf Grund von Ansprüchen eingeräumt wurden, die Entschädigung für die massiven Enteignungen vor allem im Zuge der Säkularisierung sind. Der Staat hat sich nach den Enteignungen des Grundbesitzes verpflichtet, den Kirchen das „Notwendige“ zu ihrem Erhalt zu geben. Unter diese Staatsleistungen im eigentlichen Sinne fallen ausschließlich solche wiederkehrende Zahlungen, die auf früheren Gesetzen oder Verträgen zur Entschädigung beruhen.

Darüber hinaus erhalten die Kirchen Zuschüsse für Leistungen, die sie im oben angeführten Sinne für die Gesamtgesellschaft erbringen. Von diesem unerlässlichen Engagement, das die Kirchen beispielsweise mit ihren Bildungseinrichtungen, Kindertagesstätten, Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen für Seniorinnen und Senioren leisten, profitieren alle Bürgerinnen und Bürger und nicht nur die Angehörigen der Kirchen.

Die Kirchen und andere Religionsgemeinschaften sind ein wesentlicher Faktor in unserem Gemeinwesen. Sie tragen erheblich zum Wertebewusstsein bei und leisten zahlreiche wichtige Beiträge zur kulturellen, pädagogischen und auch sozialen Infrastruktur unseres Landes. Dieses Verständnis haben wir auch in unserem Koalitionsvertrag bekräftigt.

Einen großen Teil ihrer laufenden Ausgaben, vor allem im Personalwesen, die in der jüngsten Diskussion immer wieder angesprochen werden, tragen die Kirchen aus ihren eigenen Mitteln, vor allem aus der Kirchensteuer, die, wie Sie wissen, nur von den Angehörigen der Religionsgemeinschaften selbst erhoben werden. Der Staat ist den Kirchen, wie auch anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts, lediglich organisatorisch über die Finanzämter bei der Erhebung der Kirchensteuer behilflich; dafür zahlen die Kirchen aber ein nicht unerhebliches Entgelt an den Staat.

Ich halte die bewährten Regelungen des Verhältnisses von Staat und Kirche auch auf der finanziellen Ebene für richtig und angemessen.

Der Bezug auf Gott in der Verfassung ist eine klare Absage an Totalitarismus und die ideologische Vereinnahmung der Bürger durch den Staat. Er ist ein ethisches Fundament für unseren Staat, das sich der politischen Verfügungsgewalt entzieht. Das Wissen, dass es Unverfügbares gibt, ist ein Schutz vor Machtmissbrauch und Allmachtsphantasien. Gleichzeitig erinnert der Gottesbezug daran, dass Religion und Glaube ein wertvoller Orientierungsrahmen sind.

Diese Verortung nehmen wir in CDU und CSU ernst. Sie erinnert auch daran, dass unser freiheitlicher Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann. Unser Staat, unser Grundgesetz, unsere Gesellschaft beruhen zu einem großen Teil auf christlichem bzw. christlich-jüdischem Gedankengut. Gleichzeitig betonen wir, dass auch andere Religionen Werte vermitteln können, die für ein gutes Zusammenleben in unserem Land unerlässlich sind.

Die Kirchen haben eine unverzichtbare Rolle in unserer Gesellschaft. Auch aus diesem Grund halten ich daran fest, dass Kirchen und Staat partnerschaftlich zusammenwirken. Ich halte es für gut, dass christliche Symbole in der Öffentlichkeit präsent sind und die christlich geprägten Feiertage erhalten bleiben.

Ebenso stehe ich für die Beibehaltung des konfessionellen christlichen Religionsunterrichts. Die Kenntnis der eigenen Religion ist wichtige Voraussetzung für den Dialog mit anderen Religionen. Der Religionsunterricht ist ein wichtiger Ort der Wertevermittlung. Er stellt die Fragen nach dem Sinn des Lebens und den Regeln unseres Zusammenlebens auf Basis der jeweiligen Religion. Damit regt er auch die kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben an. Dagegen kann der freiheitliche und demokratische Staat selbst keine Werte setzen und darf sich nicht die Entscheidung anmaßen, welche Werte in der Schule vermittelt werden müssen.

Die Militärseelsorge ist der von den Kirchen geleistete, vom Staat gewünschte und unterstützte Beitrag zur Sicherung der freien religiösen Betätigung in den Streitkräften. Sie stellt sich die Aufgabe, unter Wahrung der freiwilligen Entscheidung des einzelnen das religiöse Leben zu wecken, zu festigen und zu vertiefen. Dadurch fördert sie zugleich die charakterlichen und sittlichen Werte in den Streitkräften und hilft die Verantwortung zu tragen, vor die der Soldat als Waffenträger gestellt ist. Der große Zuspruch, den die Militärseelsorge bei Soldatinnen und Soldaten genießt, zeigt die Notwendigkeit, den Einsatz von Militärseelsorgern beizubehalten.

Wir in der Union achten die verfassungsrechtliche Bestimmung, nach der die Kirchen und Religionsgemeinschaften ihre Angelegenheiten selbständig ordnen und verwalten können (Art. 140 GG i.V. Art 137 Abs. 3 WRV). Zur Wahrnehmung dieses kirchlichen Selbstbestimmungsrechtes gehört auch die Ausgestaltung ihrer Dienstverhältnisse, wie durch die Rechtsprechung wiederholt bestätigt wurde. An dieser bewährten staatskirchenrechtlichen Regelung halte ich fest. § 118 Abs. 2 BetrVG dient dazu, die verfassungsrechtlich garantierte Autonomie der Kirchen auch für den Bereich der eigenständigen Gestaltung der Mitbestimmung ihrer Dienstgemeinschaft zu ermöglichen. Sie wissen sicherlich, dass daraus nicht folgt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst in ihrer Mitbestimmung gegenüber Angestellten im weltlichen Bereich schlechter gestellt wären. So folgt aus § 118 Abs. 2 BetrVG keinesfalls, dass kirchlichen Mitarbeitern mitbestimmungsrechtlicher Schutz versagt bliebe, sondern dass eigenes Mitarbeitervertretungsrecht (die MVG.EKD bzw. die MAVO) greift. Durch das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht wird erreicht, dass in 85-90 Prozent der mitarbeitervertretungsfähigen Einrichtungen tatsächlich Mitarbeitervertretungen bestehen (die Dichte ist also deutlich höher als im Geltungsbereich des staatlichen BetrVG, wo gerade einmal in 30 Prozent der Betriebe Betriebsräte gebildet sind). Darüber hinaus steht es Mitarbeitenden in kirchlichen Einrichtungen offen, sich gemäß der verfassungsrechtlich garantierten Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG Gewerkschaften oder Mitarbeiterverbänden anzuschließen. Mitunter geht das kirchliche Mitbestimmungsrecht über staatliche und tarifvertragliche Mitbestimmungsordnungen hinaus. So bedarf beispielsweise die Einstellung von Leiharbeitern über sechs Monate hinaus der Zustimmung der kirchlichen Mitarbeitervertretungen vor Ort.

Entsprechend dem Rundfunkstaatsvertrag sitzen in den Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Vertreter der in den Landesrundfunkgesetzen der Länder festgelegten gesellschaftlich relevanten Gruppen wie politische Parteien, Gewerkschaften, Sozialverbände und Kirchen, wobei die politischen Parteien nicht mehr als 30 Prozent der Sitze stellen. Die Besetzung der Rundfunkräte soll einen Querschnitt der Bevölkerung wiederspiegeln. Ich halte das Verhältnis daher für ausgewogen, immerhin sind über 60 Prozent der deutschen Bevölkerung Christen. Darüber hinaus hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk das Gebot der Staatsferne sowie einen Bildungsauftrag zu erfüllen, der neben der Wissens- und Kulturvermittlung auch die religiöse und politische Bildung beinhaltet. Daran ist festzuhalten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer MdB