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Joachim Pfeiffer
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Frage von Hans-Joachim M. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Hans-Joachim M. bezüglich Senioren

Sehr geehrter Herr Dr. Pfeiffer,

mit Ihrem Vorschlag kann ich mich nicht einverstanden erklären. Ich bin sicher, dass meine Frage alle westdeutschen Rentner ( Wähler ) und speziell die in Ihrem Wahlkreis, interessieren wird. Es kann doch nicht so schwer sein, auf meine Frage, ob die CDU eine gerechte und ausgeglichene Rentenpolitik bzw. Rentenerhöhung im Koalitionsausschuss verhindert hat, öffentlich zu beantworten.

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Sehr geehrter Herr Machwitz,

es ist ganz und gar nicht schwer, auf Ihre Frage zu antworten. Mein Gedanke war, es Ihnen persönlich zu erläutern, in der Annahme, sich im individuellen Gespräch besser austauschen zu können. Auf Ihren ausdrücklichen Wunsch hin nunmehr eine umfassende schriftliche Antwort zur Rentenerhöhung 2013.

Zunächst ein kurzer historischer Exkurs: Die von Otto von Bismarck 1889 erstmals eingeführte Rentenversicherung wurde als Kapitaldeckungsverfahren gestaltet. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Reserven der Rentenversicherung durch die darauf folgende Hyperinflation weitgehend entwertet. So war das Reinvermögen der Deutschen Rentenbank von 2,12 Mrd. Mark (im Jahre 1914) binnen eines Jahrzehnts auf einen Rest von nur noch 14,6% der Summe zusammengeschmolzen. Das Risiko des Kapitalverlustes war eingetreten. Als Reaktion darauf begann man, in gewissem Umfang Rentenzahlungen aus eingehenden Beiträgen (d.h. nach dem Umlageverfahren) zu finanzieren, und der Staat half mit Steuermitteln aus. Dennoch waren massive Leistungskürzungen unvermeidlich. Von kurzen Perioden abgesehen kam nie eine ausreichende Kapitaldeckung zustande. Insbesondere Inflation und die beiden Weltkriege machten den Versuch zunichte. Daher wurde das Rentensystem auch schon lange vor 1957 faktisch in einer Art Umlageverfahren betrieben. Das System der Kapitaldeckung wurde in der Rentenreform 1957 unter Konrad Adenauer zu einem Umlageverfahren mit dynamischer Rente umgebaut. Hierdurch wurde es möglich, die ökonomische Situation der Rentner schlagartig zu verbessern.

Dieses Konzept des „Solidar-Vertrags zwischen den Generationen“, auch Generationenvertrag genannt, gilt bis heute. Es hat sich auch nach der Wiedervereinigung im Westen wie im Osten bewährt. Nur mit der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung war es möglich, die deutsche Einheit mit einer Eingliederung der ostdeutschen Alterssicherung in das deutsche Rechtssystem zu verbinden. Auf diese Eingliederung können wir sehr stolz sein. Sie gewährleistet ein stabiles und recht hohes Sicherungsniveau im vereinten Deutschland. Die Rente in ihrer heutigen Form trägt sehr erfolgreich dazu bei, dass Altersarmut heute kein großes Thema ist. Nur weniger als 2,6 % der Senioren sind ergänzend auf Grundsicherungsleistungen angewiesen.

Die unterschiedliche Vorgeschichte in Ost und West und das unterschiedliche Lohnniveau erforderten jedoch besondere Regelungen, die sich aus unserer Sicht ebenfalls grundsätzlich bewährt haben. Dies spiegelt sich auch bei der Rentenanpassung wieder.

Wie die Renten anzupassen sind, ist gesetzlich im Sozialgesetzbuch geregelt, und zwar im sechsten Buch - zur gesetzlichen Rentenversicherung (SGB VI). Die dortigen Vorschriften, wie etwa die §§ 67-69, wurden zuletzt unter der rot-grünen Koalition sowie in der großen Koalition geändert. Die grundsätzlichen Regelungsmechanismen gibt es allerdings schon seit vielen Jahren und sie sorgen dafür, dass die Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rente solide bleiben. An dieses geltende Recht war die Bundesregierung bei der Festlegung der Rentenanpassung 2013 gebunden.

Somit folgt die Rentenanpassung nicht einer willkürlichen politischen Entscheidung, sondern entsprechend der Lohnentwicklung und gemäß anderer Faktoren, wie etwa dem Verhältnis Beitragszahler/ Rentenempfänger.

Entsprechend der dem Statistischen Bundesamt und der Deutschen Rentenversicherung Bund vorliegenden Daten sind die gesetzlichen Renten zum 1. Juli 2013 in den alten Ländern um 0,25 Prozent und in den neuen Ländern um 3,29 Prozent angehoben worden. Der aktuelle Rentenwert stieg somit zum 1. Juli 2013 im Westen von 28,07 Euro auf 28,14 Euro. Der aktuelle Rentenwert (Ost) stieg demgegenüber zum 1. Juli 2013 von 24,92 Euro um 3,29 Prozent auf 25,74 Euro. Der aktuelle Rentenwert entspricht einem Entgeltpunkt in der Rentenversicherung. Dieser spiegelt die Monatsrente für ein Jahr rentenversicherungsrechtlicher Beschäftigung mit Durchschnittslohn wieder.

Nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales hat der deutliche Unterschied bei der Rentenanpassung zwischen Ost und West zwei Gründe: Zum einen stiegen die beitragspflichtigen Löhne und Gehälter 2011 im Vergleich zu 2010 im Osten deutlich stärker als im Westen. Zum anderen machen sich im Westen noch Abschläge infolge der Rentengarantie bemerkbar. Wegen der in der Krise eingebrochenen Löhne hätten auch die Renten in der Krise eigentlich sinken müssen, was die 2009 eingeführte Rentengarantie mit nachhaltigem Erfolg verhinderte. Im Gegenzug erhielt die junge Generation die Zusage, dass die Kosten der Rentengarantie in den Folgejahren bei den späteren Rentenanpassungen schrittweise wieder ausgeglichen würden. Dieser Prozess ist im Osten bereits abgeschlossen, weil dort die Rentengarantie weniger stark in Anspruch genommen wurde als im Westen, wo massive Exporteinbrüche auf die Löhne drückten.

Unterschiedliche Lohnentwicklung

Die Lohnentwicklung ist nun nach der Krise wieder sehr erfreulich, aber es gibt in West und Ost größere Unterschiede, die sich auf die Rentenanpassung auswirken: So beträgt die für die Rentenanpassung relevante Lohnsteigerung 1,50 Prozent in den alten Ländern und 4,32 Prozent in den neuen Ländern.

Nachhaltigkeitsfaktor

Neben der Lohnentwicklung ist auch der Nachhaltigkeitsfaktor in der Anpassungsformel relevant, der die Veränderung des Verhältnisses von Rentenbeziehern zu Beitragszahlern auf die Rentenanpassung überträgt. Dies trägt zu einer generationengerechten und demografiefesten Ausgestaltung der Rente bei. Dieser Nachhaltigkeitsfaktor wirkt in diesem Jahr mit 0,72 Prozentpunkten anpassungsdämpfend.

Riester-Faktor

Auch der sogenannte Faktor „Altersvorsorgeaufwendungen“ geht in die Rentenanpassung ein. Er soll die Belastungen der Beschäftigten und Beitragszahler beim Aufbau ihrer zusätzlichen Altersvorsorge ausgleichen. Dieser Faktor wirkt sich dieses Jahr mit 0,26 Prozentpunkten dämpfend auf die Anpassung aus. Diese Wirkung setzt sich zusammen aus einer Dämpfung von rund 0,65 Prozentpunkten aus der nächsten Stufe der sogenannten „Riester-Treppe“ und einer Anpassungssteigerung von rund 0,39 Prozentpunkten durch die Beitragssatzsenkung zum 1. Januar 2012. Letzteres ist vielen nicht bekannt: dass der Beitragssatz auf 18,9% gesunken ist, wirkt sich positiv auf die Rentenanpassung aus.

Ausgleich der Rentengarantie

Aus der Lohnentwicklung und den vorgenannten Faktoren ergibt sich rechnerisch eine Rentenanpassung von 0,50 Prozent im Westen und von 3,29 Prozent im Osten. Wie bereits beschrieben wirkt in diesem Jahr im Westen zusätzlich der Ausgleichsbedarf aus der Rentengarantie von 2009/2010, der bereits im Osten vollständig abgebaut ist. Der Ausgleichsbedarf beträgt im Westen dagegen derzeit noch 0,71 Prozent. Er muss also dort, wie im Osten schon geschehen, weiter abgebaut werden. Hierzu wird die rein rechnerisch mögliche positive Rentenanpassung halbiert. Die Rentenanpassung West beträgt daher 0,25 Prozent. Der verbleibende Ausgleichsbedarf im Westen verringert sich dementsprechend auf 0,46 Prozent.

Der Abbau des Ausgleichsbedarfs auch im Westen und die damit verbundene dort geringere Rentenanpassung sind im Sinne der Generationengerechtigkeit unerlässlich. Denn während die Rentnerinnen und Rentner in Ost und West auf stabile Renten vertrauen konnten, mussten die Beitragszahler als Arbeitnehmer vielfach durch Kurzarbeit, Wegfall von Weihnachts- und Urlaubsgeld, teilweise auch durch Arbeitslosigkeit zum Teil sehr empfindliche Einkommenseinbußen verkraften. Wir haben den Arbeitnehmern in diesem Zusammenhang versprochen, dass die Kosten für die Rentengarantie dämpfend auf künftige Rentenanpassungen wirken, bis der Ausgleichbedarf abgeschmolzen ist.

Rentenangleichung

Die Rentenanpassung zeigt klar: Der Osten holt auf. Der aktuelle Rentenwert in den neuen Ländern steigt von 88,8 Prozent auf 91,5 Prozent des Wertes in den alten Ländern. Die Angleichung der Renten in Ost und West kommt damit einen wichtigen Schritt voran. Das ist nicht zu kritisieren, sondern zu begrüßen.

Die Entwicklung zeigt auch, dass der Gesetzgeber gut beraten ist, nicht vorschnell künstlich in die Rentenformel einzugreifen, um ein einheitliches Rentenrecht zu schaffen. Denn unterm Strich gleicht für den Osten die stärkere Rentenanpassung ebenso wie eine zusätzliche Hochwertung noch bestehende Nachteile beim Lohnniveau aus. Denn noch herrscht bei den meisten Berufen keine Lohngleichheit in Ost und West. Hinzu kommen eine nach wie vor höhere Arbeitslosigkeit sowie größere demografische Verwerfungen im Osten. Westrentner besitzen häufiger als Ostrentner zusätzliche Einkünfte aus Betriebsrenten und Vermögen.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass voraussichtlich bis Ende des Jahrzehnts, also etwa 2019, die Lebensverhältnisse in Ost und West angeglichen sein werden. Es steht zu erwarten, dass dieser Aufholprozess nicht nur bei den Löhnen, sondern auch bei den Renten voranschreiten wird. Wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, können wir auch das Rentensystem in Ost und West anpassen.

Fazit

Wie Sie sehen, versteckt sich hinter der Rentenanpassungsformel eine sehr komplexe und festgelegte Berechnung verschiedenster Faktoren, die das Gesamtergebnis beeinflusst haben. Wie die Rentenanpassung konkret zum 1. Juli 2013 ausfiel, ist somit keine aktuelle Entscheidung des Deutschen Bundestags, sondern das Ergebnis von Mathematik auf der Basis der statistischen Daten und geltenden Rechts. Ich hoffe, ich konnte Ihnen verdeutlichen, dass jeder der Faktoren seine Bedeutung und auch eine Berechtigung hat.

Unterm Strich ist unsere gesetzliche Rente damit zukunftsfest und generationengerecht ausgestattet. Die umlagefinanzierte Rente hat sich auch mit diesen Anpassungsmechanismen in der Krise wie in guten Zeiten über viele Jahrzehnte und gerade auch in den letzten Jahren und Monaten sehr bewährt, während viele unserer europäischen Nachbarn mit ihren Vorsorgesystemen größte Probleme haben. Das sollten wir nicht vergessen.

Natürlich kann ich Ihren Unmut über eine geringe Rentenanpassung bei steigenden Lebenshaltungskosten verstehen und versichere Ihnen, dass wir die weitere Entwicklung genau beobachten und weiteren Handlungsbedarf prüfen werden. Aber haben Sie sich schon einmal ganz konkret Gedanken darüber gemacht, welche Lasten der heutige Beitragszahler schultern muss, um die derzeitigen – und nicht zu vergessen – künftigen Renten zahlbar zu machen? Der gültige Generationenvertrag regelt ein Umlageverfahren: Wer Beiträge aufgrund einer Versicherungspflicht oder einer freiwilligen Versicherung einzahlt, bezahlt die Renten der derzeit aus dem Arbeitsleben Ausgeschiedenen und erwirbt einen "Anspruch" auf seine eigene künftige Rente. Wie hoch diese sein wird, regelt er nicht.

Glauben Sie, dass der heutige Beitragszahler, der in vielleicht 40 Jahren in Rente geht, ein ebensolches prozentuales Niveau aus der Gesetzlichen Rentenversicherung ausgezahlt bekommt wie der heutige Rentner? Dass er also all das, was er die vielen Arbeitsjahre bis zum Renteneintritt frühestens im 67. Lebensjahr an Beiträgen geleistet hat, zurück erhält? Angesichts der demografischen Situation ist das nahezu unmöglich. Der heutige Beitragszahler zahlt doppelt, seien wir so ehrlich. Er sorgt mit seinen Beiträgen dafür, dass die heutigen Rentenempfänger entsprechend des Generationenvertrages ihr monatliches Salaire bekommen, und er muss gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass er selbst später im eigenen Ruhestand auf ein angemessenes finanzielles Polster zurückgreifen kann – welches dann zu einem Großteil aus der dritten Säule der Rentenversicherung (nach dem Kapitaldeckungsverfahren) getragen wird. Ohne diese private Vorsorge wird es dem heutigen Beitragszahler nämlich in 40 Jahren erheblich schlechter ergehen als dem heutigen Rentner, der oftmals noch ohne private Vorsorge auskommen kann.

Aus diesem Grund müssen wir ganz besonderes Augenmerk darauf richten, dass die generationengerechte Ausgestaltung und gleichzeitig die langfristige Stabilität der Gesetzlichen Rentenversicherung gewahrt bleiben. Grundlegendes Ziel aller Maßnahmen im Bereich der Alterssicherung muss es sein, jüngeren Menschen eine ausreichend sichere Lebensplanung zu ermöglichen und gleichzeitig älteren Menschen ein hohes Maß an Verlässlichkeit zu bieten. Dazu müssen die Lasten der Alterssicherung fair auf Rentner und Beitragszahler verteilt werden.

Abschließend noch ein Zitat aus dem aktuellen Regierungsprogramm der Union:

„Die Rentenanpassung in diesem Jahr zeigt, dass eine Angleichung der Renten in Ost und West mit dem geltenden Recht zu erreichen ist. Die gestärkte Wirtschaft im Osten führt voraussichtlich auch in den kommenden Jahren zu weiteren Anpassungsschritten, die dazu führen werden, dass das jetzige Niveau von 92 Prozent des Westniveaus sich rasch weiterentwickeln wird. Dies wollen wir nicht gefährden. Daher halten wir an der Rentenberechnung nach geltendem Recht fest.“

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer MdB