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Joachim Pfeiffer
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Frage von Jürgen H. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Jürgen H. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Pfeiffer,
ich habe Ihre Einwendungen zum Vertrauensschutz von Ausbeutern in der Sendung Panorama mit großem Erstaunen gesehen.
http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2012/dumpingloehne109.html
Dazu hätte ich einige Fragen.
1 .Ab welchem Lohn genießen Leiharbeiter Vertrauensschutz?
2. Aus welcher Latrine schöpfen Sie Ihre Weißheiten?
3. Wieviel Erststimmen haben Sie bei der letzten Wahl bekommen?
Nur damit jeder auch in den anderen Bezirken entscheiden kann wo sein Kreuz bei der Zweitstimme hingehört oder auf keinen Fall

Mit freundlichen Grüßen
J.Halfkath

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Helfkath,

vielen Dank für Ihre E-Mail anlässlich der ARD-Sendung „Panorama“ am 26. Januar 2012. Ich kann Ihren Unmut nachvollziehen, denn dieser Bericht ist ein Beispiel für den Missbrauch der Pressefreiheit. Ich gehe davon aus, dass Ihnen an einer Antwort zum Thema gelegen ist und erlaube mir deshalb, unabhängig von Ihren Fragen entsprechend sachorientiert zu antworten.

In der Sendung „Panorama“ wurde nicht nur sehr einseitig und tendenziös über das Thema Zeitarbeit berichtet, sondern auch sachlich falsch: Es wurde suggeriert, die AG Wirtschaft und Technologie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Lohnnachforderungen von Zeitarbeitnehmern verhindern wolle. Das ist nicht zutreffend. Der Beschluss der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Technologie bezieht sich ausschließlich auf die Frage der nachträglichen Forderung von Sozialbeiträgen von den Zeitarbeitsfirmen. Niemand will den Angestellten von Zeitarbeitsfirmen ihre Lohnansprüche wegnehmen. Dies war auch niemals Gegenstand des in der ARD-Sendung genannten AG-Beschlusses. Im Gegenteil: Mit den ab dem 01.01.2012 geltenden Lohnuntergrenzen für Zeitarbeitsfirmen wurde gerade unter der jetzigen Koalition ein starkes Signal für eine angemessene Bezahlung der Beschäftigten in der Zeitarbeitsbranche gesetzt.

Um die falsche bzw. verzerrende Darstellung in der „Panorama“-Sendung richtig zu stellen, lege ich Ihnen hier noch einmal kurz unsere Argumente zur Frage der nachträglichen Forderung von Rentenversicherungsbeiträgen bei Zeitarbeitsfirmen dar:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte im Dezember 2010 entschieden, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) nicht tariffähig ist. Die Tarifverträge der CGZP fanden vor allem in der Zeitarbeitsbranche Anwendung. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts gilt unstrittig ab dem Zeitpunkt der Entscheidung. Nun fordern Sozialversicherungsträger von den Zeitarbeitsfirmen jedoch auch Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vor der Urteilsverkündung. Ob sie dies dürfen, ist rechtlich höchst zweifelhaft und wird derzeit vor den Sozialgerichten verhandelt.

Trotz der noch ungeklärten Rechtslage werden bereits Beitragsbescheide an die Leiharbeitsfirmen versandt. Dieses Vorgehen ist unbillig und gefährdet viele Unternehmen in ihrer Existenz. Im schlimmsten Fall können tausende von Zeitarbeitsfirmen und hunderttausende Arbeitnehmer betroffen sein. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen könnte das die Insolvenz bedeuten. Hier muss es Vertrauensschutz geben. Denn die betroffenen Unternehmen konnten nicht vorhersehen, dass die mit der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge für unwirksam erklärt werden. Zumindest aber sollten die die Sozialversicherungsträger nicht gegen die Firmen vorgehen, solange die Rechtslage und die Frage des Vertrauensschutzes noch ungeklärt ist.

Der Grund, warum ein schutzwürdiges Vertrauen der Zeitarbeitsfirmen auf die Tariffähigkeit der CGZP vorlag, ist einfach: Das BAG hatte in seiner Entscheidung vom Dezember 2010 erstmals neue, zusätzliche formale Voraussetzungen für die Tariffähigkeit eines Spitzenverbandes aufgestellt. Hiernach müssen die Mitglieder des Spitzenverbandes ihre Tarifzuständigkeit vollständig, d.h. nicht nur für die Zeitarbeit, auf den Spitzenverband übertragen. Diese Kriterien stehen nicht im Gesetz. Sie waren auch weder in den vorigen Instanzen noch in der Öffentlichkeit jemals vorher diskutiert worden, konnten somit auch von niemanden vorhergesehen werden. Auch die Bundesagentur für Arbeit hatte die Tarifverträge der Zeitarbeitsfirmen daher bis zur BAG-Entscheidung immer anerkannt und teilweise sogar ihre Anwendung empfohlen. Wenn sogar eine Bundesbehörde auf die Wirksamkeit der CGZP-Tarifverträge vertraut hat, muss dies doch umso mehr für die vielen kleinen und mittleren Firmen gelten, die keine Rechtsabteilung und meistens nicht einmal einen Juristen haben.

Daher ist es auch völlig abwegig, bei der Frage der Nachforderung von Sozialbeiträgen von einer „Amnestie“ für die Zeitarbeitsunternehmen zu sprechen, wie dies in der Presse zum Teil getan wird. Denn das suggeriert, dass sich die Unternehmen quasi strafbar gemacht haben und nun ihrer „gerechten Strafe“ entgehen wollen. Es geht hier aber nicht um „Geschenke“ für die Arbeitgeberseite. Es geht vielmehr um ein verfassungsmäßiges Recht auf Vertrauensschutz, das jedem Bürger und damit auch jedem Unternehmer garantiert wird. Und es geht am Ende um die Zukunft eines wichtigen Job- und Wachstumsmotors. Der Vertrauensschutz liegt damit gerade im Interesse der Arbeitnehmer und der Sozialgemeinschaft.

Ich erlaube mir an dieser Stelle im Gegenzug eine Frage an Sie: Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie Arbeitgeber wären, sich auf bestehende Tarifverträge verlassen hätten, und nun unvorhergesehen mit nicht zu stemmenden Nachforderungen konfrontiert würden, deren Zahlung in letzter Konsequenz zur Vernichtung von Arbeitsplätzen bis hin zu Insolvenzen führen könnte? Gerne höre ich Ihr Feed back, ob Sie angesichts dieser Sachlage unseren Beschluss nun nachvollziehen können?

Einen umfassenden Überblick zu dem Sach- und Rechtsstand sowie zu den Gerichtsbeschlüsse rund um das Thema Tarifunfähigkeit der CGZP finden Sie unter: http://www.cgzp-tarifunfaehigkeit.de/ .

Anfügen möchte ich informationshalber noch eine ganz aktuelle Meldung des Statistischen Bundesamtes vom 30. Januar 2012, nach der die Monatsverdienste in keiner Branche so schnell gewachsen sind wie in der Zeitarbeit. Demnach lagen die Tariflöhne in der Zeitarbeit 2011 um 4,1 Prozent höher als im Vorjahr. Im Durchschnitt aller Wirtschaftszweige betrug der Zuwachs dagegen lediglich 1,5 Prozent. Die Zeitarbeit ist also nicht nur Job-, sondern jetzt auch Lohnmotor.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer MdB