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Joachim Herrmann
CSU
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Frage von Nico T. •

Frage an Joachim Herrmann von Nico T. bezüglich Recht

Grüßgott Herr Herrmann,

ich möchte von Ihnen wissen wie es mit gesundem Menschenverstand zu erklären ist, weshalb ein Bürger für den Besitz von neuen Psychoaktiven Stoffen (gem. Paragraph 5 des neue Psychoaktive-Gesetzes aus dem Jahr 2016) nicht bestraft wird (auch nicht als Ordnungswidrigkeit) und beim wesentlich weniger gefährlichen Cannabis (da sind wir uns vermutlich einig), bereits ab dem ersten Krümel an Besitzmenge ein Strafverfahren eröffnet wird?
Können Sie mir das erklären?
Medizinische Gründe können ja offensichtlich nicht für diese Ungleichbehandlung gelten.

Finden Sie es nicht bedenklich, dass Dealer mit dieser Regelung gerade dazu animiert werden statt klassisches Cannabis sogenannte legal highs zu verkaufen, da diese oftmals unter das neue NPS Gesetz fallen und die Bestrafung dort deutlich geringer ist als beim klassischen Cannabis ?Und das obwohl es sich bei NPS um eine weitaus gefährlichere Substanz handelt, die bereits Todesopfer in Deutschland gefordert hat
(Quelle: https://www.google.com/amp/s/www.sueddeutsche.de/panorama/drogentote-legal-highs-nicht-verboten-aber-oft-toedlich-1.3496271!amp)
Gerade bei uns in Bayern wird dies oftmals auch nicht eingestellt auch bei Erstauffälligen. Da nicht eingestellt werden muss durch die Staatsanwaltschaft.

Viele Grüße
Nico Tumpler

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Tumpler,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 19. Januar 2021. Im Folgenden möchte ich Ihre Fragen beantworten und Ihnen weiterführende Informationen zur Drogen- und Suchtpolitik der Bayerischen Staatsregierung zur Verfügung stellen.

Das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) zielt primär darauf ab, die Verbreitung von immer neuen chemischen Varianten bekannter Betäubungsmittel und psychoaktiver Stoffe zu bekämpfen und ihre Verfügbarkeit als Konsum- und Rauschmittel einzuschränken. Die Gesundheit der Bevölkerung und des Einzelnen, vor allem Jugendlicher und junger Erwachsener, soll vor den oft unkalkulierbaren und schwerwiegenden Gefahren, die mit dem Konsum neuer psychoaktiver Stoffe (NpS) verbunden sind, geschützt werden. Im Unterschied zu Betäubungsmitteln, die dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterliegen, wirken NpS aber nicht in jedem Fall zwingend psychoaktiv oder gesundheitsschädigend; sie können je nach chemischer Zusammensetzung unter Umständen auch harmlos bzw. ohne Wirkung sein. Es ist daher aus suchtfachlicher Sicht begründbar, dass das NpSG niedrigere Strafandrohungen enthält und nur der auf Weitergabe zielende Umgang unter Strafe gestellt wird. Das Gesetz nimmt daher hauptsächlich den missbräuchlichen und von Profitinteressen geleiteten Absatz dieser unerforschten und teilweise gefährlichen Chemikalien in den Fokus. An dieser Stelle darf ich Sie darauf hinweisen, dass die Kolleginnen und Kollegen in Österreich zu einer ähnlichen fachlichen Einschätzung gelangt sind und den Besitz bzw. Erwerb dieser Substanzen ebenfalls nicht unter Strafe stellen.

Ihre Auffassung, dass Cannabis weniger gefährlich sei als NpS, teile ich keinesfalls. Es handelt sich bei Cannabis um keine ungefährliche Droge oder eine harmlose Substanz, insbesondere, weil der heutige Wirkstoffgehalt von Cannabis etwa fünfmal so hoch liegt wie noch vor 30 Jahren. Deshalb sind die gesundheitlichen Folgen und die erhöhte Suchtgefahr auch so problematisch. Beim Gebrauch pflanzlicher Cannabinoide bestehen unterschiedlich ausgeprägte Risiken für körperliche Erkrankungen (z. B. Herz-Kreislauf-Beschwerden), kognitive Störungen (Einschränkungen in Gedächtnisleistung, Aufmerksamkeit, Psychomotorik), Abhängigkeitsentwicklung, psychische Störungen (z. B. Psychosen) und psychosoziale Folgen (z. B. verminderte Bildungschancen). Als besondere Risikofaktoren sind unter anderem ein früher Konsumbeginn in der Adoleszenz, intensive Gebrauchsmuster und zusätzlicher Tabakkonsum bekannt. Die unmittelbaren wie langfristigen Auswirkungen des Konsums können nie genau abgeschätzt werden.

Der Drogen- und Suchtbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung von 2019 spricht von 18.710 Menschen in Deutschland, die aufgrund von psychischen oder Verhaltensstörungen aufgrund von Cannabinoiden vollstationär in Kliniken behandelt wurden (abrufbar unter https://www.drogenbeauftragte.de/service/publikationen/).

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch Ihren Blick in die USA lenken, wo seit der Legalisierung von Cannabis in Colorado im Jahr 2013 die Zahl der Besuche von ärztlichen Nothilfeeinrichtungen aufgrund der Wirkung des Cannabiskonsums im Zeitraum bis 2017 um 54 % angestiegen ist. Zudem kam es in demselben Zeitraum auch zu einer Steigerung der Zahl der stationären Aufenthalte in Kliniken aufgrund des Cannabiskonsums um 101 %. Diese Zahlen aus den USA belegen meiner Meinung nach deutlich, welches Gefahrenpotential in Cannabis steckt - gerade auch für junge Leute. Für weiterführende, umfassende diesbezügliche Informationen darf ich Sie auf die Website www.rmhidta.org hinweisen.

Demgegenüber stehen die Erkenntnisse zur Wirksamkeit von repressiven Maßnahmen. Im letzten Jahr wurde vom Institut für Therapieforschung (IFT) Nord eine Studie durchgeführt, zu der mittlerweile eine erste wissenschaftliche Publikation vorliegt (Psychiatry Research, Cessation of cannabis use: A retrospective Cohort Study, 2019). In ihr deutet sich an, dass es zu einer Reduzierung des Cannabiskonsums kommt, wenn ein Ermittlungsverfahren subjektiv als "Warnschuss" erlebt wurde. Von den befragten ehemaligen Konsumentinnen und Konsumenten gab ein substantieller Teil als Grund für die Abstinenz an, keine Schwierigkeiten mit dem Gesetz bekommen zu wollen.

Neben gesundheitspolitischen Aspekten würde sich die Liberalisierung von Cannabis nach meiner Überzeugung auch negativ auf die Sicherheits- und Kriminalitätslage auswirken. Letztlich werden im Ergebnis Präventionsbemühungen konterkariert.

Es ist meiner Auffassung nach daher unverantwortlich, den Cannabiskonsum freizugeben. Ich trete daher entschieden und konsequent einer Verharmlosung bzw. Legalisierung von Cannabis entgegen. Allerdings möchte ich betonen, dass davon unberührt selbstverständlich die Möglichkeit bleibt, Cannabis bei einer vorliegenden schwerwiegenden Erkrankung unter bestimmten Voraussetzungen als Arzneimittel haus- und fachärztlich zu verordnen.

Die Bayerische Staatsregierung setzt grundsätzlich auf eine nachhaltige werteorientierte Suchtpolitik, welche auf den bewährten drei Säulen beruht:

* Prävention (Verhaltens- und Verhältnisprävention),
* Repression im Bereich der illegalen Suchtmittel,
* Hilfe, Beratung und Therapie sowie Nachsorge für Betroffene.

Hier wenden wir uns konsequent gegen einen falsch verstandenen Liberalismus im Umgang mit Suchtmitteln, gegen die Aufweichung von rechtlichen Bestimmungen und Nachgiebigkeit gegenüber gesellschaftlichen Trends.

Ich wünsche Ihnen Gesundheit und alles Gute für Ihre Zukunft.

Mit freundlichen Grüßen
Joachim Herrmann, MdL

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