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Jens Zimmermann
SPD
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Frage von Bernd H. •

Frage an Jens Zimmermann von Bernd H. bezüglich Wirtschaft

Hallo Jens,

Ich habe wiederholt widersprüchliche Einzelheiten zum geplanten TTIP Abkommen gelesen. Zwei Dinge wüsste ich gerne näher:
1. Wird hierbei tatsächlich der Primat der Politik in Frage gestellt oder gar beiseite geschoben?
2. Welche Art von "Investitionsschutz" ist für Unternehmen vorgesehen?
Ich weiß, dass das Abkommen noch verhandelt wird, aber bestimmte Regelungen werden in ihrer Richtung doch schon absehbar sein.

Vielen Dank für deine Antwort im Voraus und eine gute Zeit.

Viele Grüße, Bernd Herget

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Herget,

vielen Dank für Ihre Anfrage über Abgeordnetenwatch zum Freihandelsabkommen TTIP.

Das Thema bewegt die Gemüter. So emotional, wie die Debatte über das Freihandelsabkommen häufig geführt wird, hat man den Eindruck: Man kann nur absolut dafür oder absolut dagegen sein.

Die SPD-Bundestagsfraktion versucht stattdessen, in der Debatte eine differenzierte Position zu vertreten, mit der wir uns übrigens auch von allen anderen Bundestagsfraktionen unterscheiden. Als Sozialdemokraten erkennen wir die Möglichkeiten dieses Abkommens an. Gleichzeitig stellen wir wesentliche Forderungen. Denn: Weder ist alles an dem Abkommen schlecht, noch ist es die Lösung aller Probleme.

Wir sprechen uns deshalb unter bestimmten Bedingungen für ein Handelsabkommen mit den USA aus. Die Weltwirtschaft braucht verlässliche Regeln. Wir wollen globale Standards für einen fairen und nachhaltigen Welthandel setzen und den Abbau von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnisse im gegenseitigen Interesse voran bringen.

Wir wollen eine Einigung – aber nicht um jeden Preis. Rote Linien dürfen nicht überschritten werden. Öffentliche Daseinsvorsorge, Arbeitnehmerrechte und Gesundheitsstandards sind nicht verhandelbar. Ebenso stimmen wir keinem Abkommen zu, in dem Schiedsgerichtsverfahren festgeschrieben sind. Der Beschluss gilt. Auch Sigmar Gabriel hat deutlich gemacht, dass er sich nicht über Parteibeschlüsse hinwegsetzen wird.

Die Erfüllung unserer Forderungen wird bei der Analyse des endgültigen Textes als Grundlage für die Entscheidung dienen, ob die SPD-Fraktion ihre Zustimmung zum Abkommen geben kann.

Zu Ihren beiden Fragen:

1.) Wird hierbei tatsächlich der Primat der Politik in Frage gestellt oder gar beiseite geschoben?

Politische Entscheidungen sollen durch TTIP nicht untergraben werden. Dafür setzt sich die Bundesregierung und hier besonders die SPD ein. Es gibt einen Parteikonventsbeschluss der SPD vom 20. September 2014, in dem unsere Forderungen klar formuliert sind. Wir haben als Sozialdemokraten innerhalb der Bundesregierung Zielkriterien für ein gelungenes Transatlantisches Freihandelsabkommen entwickelt.

Das europäische und das US-amerikanische Schutzniveau im Gesundheits-, Lebensmittel- oder Verbraucherbereich sind in TTIP nicht verhandelbar. Diese Sichtweise der Bundesregierung wird von der EU-Kommission uneingeschränkt geteilt und spiegelt sich im TTIP-Verhandlungsmandat wider. Bei keinem der Themen, über die verhandelt wird, steht das bestehende Schutzniveau im Gesundheits-, Lebensmittel- oder Verbraucherbereich zur Disposition. Die EU wird keines ihrer grundlegenden Gesetze zum Schutz von Menschen, Tieren oder Umwelt aufheben.

2.) Welche Art von "Investitionsschutz" ist für Unternehmen vorgesehen?

Grundsätzlich handelt es sich bei einem Investitionsschutz-Abkommen um einen völkerrechtlichen Vertrag, der zwischen zwei Staaten geschlossen wird und dem Investor aus einem Staat (Heimatstaat) im anderen Staat (Gaststaat) bestimmte Rechte einräumt. Dabei handelt es sich unter anderem um Gewährleistung von Eigentumsschutz und Schutz vor Enteignung, den freien Transfer von Kapital und Erträgen oder das Recht, wie ein Inländer behandelt zu werden. Diese Fragen werden auch bei TTIP verhandelt.

Bei TTIP werden Investor-Staat-Schiedsverfahren im Zusammenhang mit einem Investitionsschutzvertrag diskutiert. Sie sollen helfen, Investitionsstreitigkeiten auf rechtlichem, d. h. nicht politischem Weg beizulegen. Investor-Staat-Schiedsverfahren ermöglichen dem Investor den Gang vor ein Schiedsgericht. Er kann dort die Rechtmäßigkeit staatlicher Maßnahmen anhand eines Investitionsschutzabkommens überprüfen lassen. Investor-Staat-Schiedsverfahren sollten nur als letztes Mittel, nach Ausschöpfung des Rechtswegs vor nationalen Gerichten, eingeleitet werden können.

Unternehmen können aber selbst mithilfe von Schiedsverfahren unliebsame Gesetze nicht aufheben lassen. Denn Investitionsschutzverträge räumen nur Investitionen Schutz ein, die entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen des Anlagelandes (Gastlandes) getätigt wurden. Gesetze des Gastlandes, die den Schutz der Menschenrechte konkretisieren, Sozial- und Umweltstandards festlegen oder völkerrechtlich verbindliche Beschlüsse umsetzen, müssen daher vom Investor beachtet werden.

Das derzeitige Recht des internationalen Investitionsschutzes und die darauf beruhende Schiedsgerichtsbarkeit bedürfen aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion einer umfassenden Modernisierung. Dafür entwickelt die SPD-Bundestagsfraktion Vorschläge zur Modernisierung des Investitionsschutzes, insbesondere durch Verbesserung der Transparenz, Sicherstellung der Unabhängigkeit der Schiedsgerichte und der Möglichkeit einer Berufungsinstanz, um rechtsstaatliche Grundsätze in Schiedsgerichtsverfahren zu gewährleisten.

Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren halten wir in diesem Abkommen nicht für notwendig, da sowohl Deutschland als auch die USA über ein funktionierendes Rechtssystem verfügen.

Die SPD-Fraktion spricht sich deshalb klar gegen Klauseln für Investorenschutz zwischen den USA und Europa aus. Wir wollen keine Schiedsgerichtsverfahren vor Kammern, deren Zusammensetzung undurchsichtig ist. Auch das Europäische Parlament hat mit den Stimmen der Sozialdemokraten einstimmig entschieden, dass es einem Abkommen nicht zustimmen wird, wenn Investorenschutzklauseln enthalten sind.

Auch die Bundesregierung insgesamt ist der Ansicht, dass spezielle Investitionsschutzvorschriften in einem Abkommen zwischen der EU und den USA nicht erforderlich sind, da beide Partner hinreichenden Rechtsschutz vor nationalen Gerichten gewähren. Sie sind nur dort nötig, wo es keinen funktionierenden Rechtsstaat gibt, was in der EU und in den USA nicht der Fall ist.

Deshalb möchte die Bundesregierung die Schiedsgerichtsverfahren aus den TTIP-Verhandlungen heraushalten. Die Bundesregierung hat dies in den Verhandlungen über das TTIP-Verhandlungsmandat im Rat der Europäischen Union deutlich gemacht. Der Umfang der gegenseitigen Investitionen aus den USA in Deutschland und aus Deutschland in den USA belegt ebenfalls: Auch US-amerikanische und deutsche Investoren erachten den bestehenden Rechtsschutz in beiden Ländern als ausreichend.

Ich hoffe, diese Informationen helfen Ihnen weiter.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Jens Zimmermann

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