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Jan-Christoph Oetjen
FDP
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Frage von Markus K. •

Frage an Jan-Christoph Oetjen von Markus K. bezüglich Medien, Kommunikation und Informationstechnik

Sehr geehrter Herr Oetjen,

Werden der Verordnung gegen terroristische Inhalte Terreg zustimmen?

Die Bekämpfung terroristischer Inhalte ist wichtig.
Jedoch ist meiner Meinung nach diese Verordnung gerade für kleine Plattformbetreiber wie z.B. Foren schwer umsetzbar. Diese werden meist privat betrieben. Sie haben nicht das Geld 27/7 einen Mitarbeiter zu beschäftigen, um der einstündigen Löschfrist nachzukommen. Auch haben sie nicht das Geld einen Uploadfilter einzusetzen.
Setzen sie sich bitte für erleichterte Bedingungen wie einer verlängerten Löschfrist und der Entbindung der Pflicht für Uploadfilter für kleine Plattformen ein.

Mit freundlichen Grüßen
Markus Klingler

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr K.,

vielen Dank für Ihre Anfrage zu Terreg. Zuerst einmal bitte ich um Entschuldigung für die viel zu späte Rückmeldung. Aufgrund von technischen Problemen ist unsere damalige Antwort nicht auf der Webseite erschienen. In der Zwischenzeit hat sich einiges in der Thematik getan.

Das Thema beschäftigt uns im Europäischen Parlament immer noch sehr und wird noch einige Zeit aktuell bleiben. Die Berichterstattung hebt oft den guten Willen hervor, ohne die massiven Gefahren der Grundrechtsverletzung zu betonen. Hier ein paar Hintergrundinformationen, die das ganze verdeutlichen sollen:

Am Mittwoch, den 11.05.2021, hat die Europäische Kommission den Gesetzesvorschlag zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder im Internet vorgelegt. Dem Vorschlag zufolge sollen Anbieter wie Google, Meta (Facebook) und WhatsApp gezwungen werden, die privaten Nachrichten ihrer Nutzer zu überwachen. Der Vorschlag der Kommission sieht in seiner jetzigen Fassung vor, dass die gesamte digitale Kommunikation, d.h. alle privaten Nachrichten, Bilder und Videos, nach bestimmten Merkmalen durchsucht werden sollen. Verdächtige Inhalte müssen automatisch an den Staat gemeldet werden. In letzter Konsequenz würde dies bedeuten, dass jede Familie davon ausgehen müsste, dass Bilder der eigenen Kinder oder Enkelkinder, z.B. aus dem Freibad oder vom Strand, die in der Familien-Chatgruppe geteilt werden, verdächtig eingestuft und an Behörden übermittelt werden können. Dies stellt einen massiven Eingriff in das Grundrecht auf Vertraulichkeit der privaten Kommunikation dar.

Da die EU-Kommission nicht nur gegen Bild- und Videomaterial vorgehen will, sondern auch gegen das so genannte "Grooming", also das gezielte Anschreiben von Minderjährigen durch Erwachsene im Internet, muss auch der Inhalt jeder einzelnen Textnachricht erfasst werden. Nach Ansicht von Experten gibt es die dafür notwendige Technik heute schlichtweg noch nicht. Zudem wäre diese Praxis faktisch das Ende des digitalen Briefgeheimnisses.

Der Entwurf ist ein schwerer und inakzeptabler Angriff auf wichtige Grundrechte und könnte den Weg für eine Totalüberwachung aller Kommunikationsinhalte ebnen. Ich lehne den Vorschlag der Kommission ganz klar ab und werde mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament für eine grundlegende Änderung des Kommissionsvorschlags kämpfen. Auch unsere Parteikollegen in Berlin werden im Bundestag und in der Bundesregierung diese Position klar verfolgen. Dass wir im Koalitionsvertrag das Recht auf Verschlüsselung beschlossen haben, zeigt die klare Richtung, die von der Bundesregierung verfolgt werden muss.

Ich verstehe aber natürlich, dass mehr gegen Kindesmissbrauch getan werden muss. Und es ist richtig, dass die Kommission den Kampf gegen Kindesmissbrauchsmaterial deutlich intensivieren will. Dass die geplanten Überwachungen überzogen sind, zeigt aber sogar die Stellungnahme des Deutschen Kinderschutzbundes zum Gesetzesentwurf. Selbst dieser hält die Chatkontrollen für weder verhältnismäßig noch zielführend.

Statt die abscheulichen Verbrechen des Kindesmissbrauchs mit einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte aller EU-Bürger zu bekämpfen, wäre mein Vorschlag, deutlich mehr in die Ausstattung der Polizei, der europäischen Polizeibehörde Europol und in die zwischenstaatliche Zusammenarbeit der Behörden zu investieren. Auch die Jugendämter müssen effektiver kooperieren und bei konkreten Verdachtsfällen konsequenter handeln.

Mit freundlichen Grüßen

Jan-Christoph Oetjen

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