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Ingrid Arndt-Brauer
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Frage von Ulrich D. •

Frage an Ingrid Arndt-Brauer von Ulrich D. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Arndt-Brauer,

es dürfte Ihnen bekannt sein, dass der West-Rentner effektiv 1048€ p.m. und die West-Rentnerin 648€ p.m. aus der GRV bekommen und trotzdem teilweise auf Suppenküchen und Sozialkaufhäuser angewiesen sind.
Es ist Ihnen sicher aufgefallen, dass die frischen Lebensmittel fast 4% teurer als Vorjahr sind.
Der Warenkorb der 20 Mill. Rentner und der fast 7 Mill. Menschen mit sehr niedrigen Einkommen sieht ganz anders aus, als das Stat. Bundesamt im Durchschnitt angibt.
Wenn Sie feststellen:" Lebensmittel seien bei uns ohnehin gigantisch billig",hierzu
die erste Frage:
Auf welche Bevölkerungskreise beziehen Sie dieses?

Eine MWSt-Erhöhung um 9% in den Bereichen des täglichen Bedarfs von 7% auf 16% (Ihr Vorschlag) würde gerade Einkommensschwache (fast 25 Mill. Menschen) schwer treffen, das sie zwischen 40% - 50% ihres Einkommens dafür ausgeben müssen und kaum Nutznießer im Auto- und Computerkauf sind.
Die 2. Frage:
Glauben Sie immer noch, dass der einheitliche Satz von 16% "niemanden belasten und niemanden entlasten" (Ihre Behauptung)?

Die 3. Frage:
Soll Ihr Vorschlage das “Umfairteilen” im Wahlkampf der SPD erfüllen?

Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Dißars

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dißars,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich wie folgt beantworte:

Meine Äußerung zu den Lebensmittelpreisen war sehr unglücklich und wurde daher folgerichtig falsch verstanden, was mir sehr leid tut. Im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn sind unsere Preise für Nahrungsmittel kaufkraftbezogen eher günstig. Im Jahre 2012 gaben Bundesbürger im Schnitt ca. 13% ihres Einkommens für Tabak, Nahrungsmittel und Getränke aus.

Mein MwSt.-Vorschlag galt der Steuervereinfachung. Es gibt einen unbestreitbaren erheblichen Wildwuchs bei den Mehrwertsteuersätzen. Dessen mehr als 200 Ausnahmen werden häufig gezielt für steuerliche und wirtschaftliche Gestaltungszwecke zum Schaden der Allgemeinheit ausgenutzt. Daher halte ich die Mehrwert-/Umsatzsteuer grundsätzlich für ein ungeeignetes Instrument Steuergerechtigkeit herzustellen.

Die SPD hat in ihrem Regierungsprogramm zur Bundestagswahl 2013 viele Vorstellungen für mehr Steuergerechtigkeit entwickelt, die wesentlich gezielter wirken. Darunter das Anheben des Spitzensteuersatzes auf 49% und die Erhöhung der Kapitalertragssteuer von 25 auf 32%. Darüber hinaus wollten wir hohe Einkommen auch bei der Erbschafts- und Vermögenssteuer stärker in die Pflicht nehmen. Wie Ihnen bekannt ist, ließen sich alle diese Maßnahmen zur Erhöhung der Steuergerechtigkeit nicht in den Koalitionsvertrag hineinverhandeln - was als 25% Koalitionspartner gegenüber mehr als 41% bei den Unionsparteien auch nicht möglich war.

Was die einkommensschwachen Haushalte (insbesondere die der Bezieher von Transfer- und Hilfsleistungen) betrifft: Hier hat der Gesetzgeber Vorsorge getroffen, damit diese nicht von Preissteigerungen überfordert werden! Sollte es entgegen der Ergebnisse der Studie des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsinstitutes durch einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz zu Mehrbelastungen von Menschen kommen, die wenig Geld haben und auf Transferzahlungen angewiesen sind (Hartz-IV, Sozialhilfe, Grundsicherung), würde dieses durch höhere Regelsätze/Anpassung des Existenzminimums ausgeglichen. Die Höhe der Regelsätze wird regelmäßig überprüft und der Preisentwicklung angepasst. Grundlage ist die statistische Erhebung des Konsumverhaltens der 20% der Haushalte mit dem untersten Einkommen. Dieses geschieht mit der sog. Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (kurz „EVS”). Die EVS wird seit 50 Jahren im Abstand von fünf Jahren durchgeführt und ergibt ein repräsentatives Bild der Lebenssituation der Bevölkerung in Deutschland. Das wichtigste Ziel der EVS ist es, Daten für die Berechnung der Regelsätze für die ALG II/Sozialhilfe/Grundsicherung bereitzustellen.

Um kurzfristige Änderungen der Lebenshaltungskosten zu erfassen, erfolgt zusätzlich eine jährliche Anpassung. Deren Höhe hängt von einem „Mischindex“ ab, in den die Preisentwicklung (zu 70 Prozent) und der Lohnentwicklung (zu 30 Prozent) eingehen. Die Anpassung nach diesem gesetzlich festgeschrieben Mechanismus erfolgt immer zu Jahresbeginn. Preissteigerungen bei Lebensmitteln würden somit kurzfristig ausgeglichen werden können.

Geringverdienern können vor allem gute Löhne helfen. Gegen langjährigen Widerstand werden wir einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn beschließen. Dieser wird gezielt vielen Menschen mit geringem Einkommen zu Gute kommen. Auch Maßnahmen gegen Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen sowie die Aufnahme weiterer Branchen in das Arbeitnehmerentsendegesetz zielen darauf ab, die Einkommenssituation von Geringverdienern zu verbessern.

Ich hoffe, dass ich Ihnen den Hintergrund meines Vorschlages etwas besser erläutern konnte. Die SPD und auch ich selbst werden übrigens weiter am Ziel einer gerechteren Steuer- und Arbeitsmarktpolitik festhalten. Um diese noch besser durchsetzen zu können, bedarf es jedoch anderer Mehrheitsverhältnisse.

Mit freundlichen Grüßen
Ingrid Arndt-Brauer