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Hubertus Zdebel
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Frage von Bertolt H. •

Frage an Hubertus Zdebel von Bertolt H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Zdebel,

Vielleicht können Sie mir in einer Angelegenheit Auskunft geben, die mir in letzter Zeit viel Bauchweh und unruhige Nächte beschert.

Ich habe Angst. Angst vor einem wachsenden Faschismus und der Normalisierung rechter Denkweisen. Der Versuch, die Krise durch Aussitzen zu überwinden, hat sich bisher als nicht effektiv erwiesen. Immer noch liegt die demokratiefeindliche AfD in Umfragen im zweistelligen Bereich und hat große Teile der Medien und etablierten Parteien schon so weit getrieben, dass sie nach ihrer Pfeife tanzen.

Ich wollte demonstrieren und auf die Straße gehen, aber das was ich dort gesehen habe, naja, hat mir auch nicht besonders gefallen. Ich wurde innerhalb weniger Tage Zeuge von Gesten der Einschüchterung, Aufrufen zur Gewalt, und sogenannten „Tankies“. Nach der letzten Demonstration, an der auch Vertreter Ihrer Partei teilnahmen, schrieb ich einen kritischen Brief an das Bündnis „Keinen Meter den Nazis Münster“ auf deren Facebook-Seite, der leider bis heute unbeantwortet geblieben ist.

Aber vielleicht können Sie als Bundestagsabgeordneter eine Stellungnahme zum ganzen Sachverhalt abgeben und Position beziehen. Falls Sie Interesse an einer detaillierteren Darstellung haben, verlinke ich an dieser Stelle noch einmal eine Kopie des Briefs: https://www.facebook.com/bertolt.hyronimus/posts/2155096067850492

In diesem Zusammenhang bitte ich Sie um Stellungnahme zu folgenden Fragen:
Wie ist Ihr Standpunkt gegenüber der Antifa und gegenüber Aktionen und Verhaltensweisen wie oben beschrieben?
Sind Sie der Meinung, dass sich linke Aktivisten und Politiker von den zweifelhaften Elementen ausreichend distanzieren?
Finden Sie, dass antifaschistischer Aktivismus in seiner jetzigen Form noch zeitgemäß ist, oder seine Denk- und Arbeitsweisen grundliegend überdacht und reformiert werden sollten?
Haben Sie Ideen und Vorschläge, wie solche Reformen aussehen könnten?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr H.,

zunächst finde ich es sehr richtig und unterstützenswert, dass Sie sich gegen Rechts engagieren, von Ihrem demokratischen Recht Gebrauch machen und sich dieser gefährlichen Normalisierung von rechten bzw. faschistischen Ideen entgegen stellen.

Ich bin der Meinung, dass wir den Aufstieg der AfD nur stoppen können, wenn es uns gelingt, so breit wie möglich in die Zivilgesellschaft hinein zu mobilisieren. Deshalb unterstütze ich das breite zivilgesellschaftliche Bündnis "Aufstehen gegen Rassismus".

Daher halte ich Vermummungen oder gar Gewaltaufrufe für nicht hilfreich, würde aber anregen, den Begriff "Antifa" weniger pauschal zu verwenden. Die "Antifa" ist schließlich keine Partei mit einem einheitlichen Programm und Herangehen. So verschieden die unterschiedlichen Städte sind, so verschieden ist auch die lokale antifaschistische Bewegung. Die Medienberichterstattung differenziert hier nicht; vielfach werden linke Aktivist*nnen sogar bewusst in die Gewaltecke gerückt, manchmal sogar auf eine Stufe gestellt mit Nazis. Das finde ich falsch: Selbst radikale Autonome sind grundsätzlich von der Gleichheit der Menschen überzeugt, während die zentrale ideologische Säule der Nazis die Ungleichheit der Menschen ist. Und vielerorts sind es gerade autonome antifaschistische Netzwerke, die wertvolle Recherchearbeit über die rechte Gefahr leisten, vor die Schulen gehen und Aufklärungsveranstaltungen anbieten.

Ich trete für gesellschaftlich breite, massenhafte, aber auch entschlossene Proteste gegen die AfD ein. In Dresden ist es beispielsweise vor einigen Jahren gelungen, Europas größten Neonazi-Aufmarsch zu verhindern. Das war möglich, weil sich die antifaschistischen Kräfte nicht spalten ließen, sondern sich auf einen Aktionskonsens einigten: "Von uns geht keine Gewalt aus. Wir sind mit allen solidarisch, die mit uns das Ziel teilen, den Nazi-Aufmarsch zu verhindern." Der Aufmarsch wurde verhindert mittels einer friedlichen Sitzblockade mit Tausenden Leuten, was zu einer Schwächung und Spaltung der Nazi-Szene beigetragen hat. Das finde ich legitim, denn ein starke Nazi-Szene bedeutet, dass Muslime, Geflüchtete, Andersdenkende und alle, die ihrem Weltbild nicht entsprechen, real an Leib und Leben bedroht sind.

Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Zdebel