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Herbert Behrens
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Frage von Benjamin G. •

Frage an Herbert Behrens von Benjamin G. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Behrens,

erst einmal möchte ich mich bei Ihnen für ihre Arbeit als Abgeordneter bedanken. Ich glaube Sie erfüllen eine gesellschaftlich sehr bedeutsame Rolle, auch wenn ich vielleicht nicht immer mit ihrer Partei eine Meinung bin, aber ich finde es wichtig, die Bedeutsamkeit und den Dank für diese teilweise schwierigen Herausforderungen zu formulieren.

Ich habe allerdings auch einige Fragen an Sie zu richten:

1. Was halten Sie von den Vorschlägen einiger ihrer Kollegen aus der Union eine PKW-Maut einzuführen, den auch Verkehrsminister Ramsauer Ende letzten Jahres ins Gespräch gebracht hatte (u.a. hier: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,659372,00.html ) ?

2. Oder schlagen Sie an dieser Stelle einen differenzierteren Vorschlag, insbesondere einen unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten vor?

3. Mit wie viel Mehreinnahmen könnte man im Verkehrsetat jährlich rechnen?

Ich freue mich auf Ihre Antworten.

Mit freundlichen Grüßen,
Benjamin Göhler

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Göhler,

zunächst einmal bedanke ich mich herzlich für Ihre anerkennenden Worte!
Von der Idee von Herrn Ramsauer zur Einführung einer Pkw-Maut halte ich rein gar nichts. Eine Pkw-Maut würde diejenigen besonders treffen, die sich jetzt schon kaum noch ein Auto leisten können. DIE LINKE lehnt deswegen nicht nur eine Pkw-Maut kategorisch ab, sondern widersetzt sich auch vehement allen Bestrebungen, Autobahnen oder andere Straßen zu privatisieren. Die beiden privat finanzierten Tunnel in Rostock und Lübeck sollten Allen, die weiterhin von privaten Straßen träumen, ein mahnendes Beispiel sein. Straßen gehören wie Schienen, Schulen, die Wasserversorgungen usw. als Teil der Daseinsvorsorge klar in die öffentliche Hand. Die Lkw-Maut als Instrument zur Herstellung der Wettbewerbsgleichheit mit der Schiene hingegen wollen wir ausweiten.

Bereits die Grundannahmen, die der Idee einer Pkw-Maut zu Grunde liegen, sind falsch. Die Bundesregierung geht nämlich davon aus, dass der Verkehr auf der Straße weiter erheblich wachsen wird. Dies kann und darf nach meiner festen Überzeugung nicht eintreten, weil Deutschland den Anforderungen des Klimaschutzes nicht gerecht werden kann. Auch mit Elektroautos oder anderen alternativen Antrieben lässt sich das „Problem“ auf absehbare Zeit nicht beheben. Dazu kommt der voraussichtlich massive Anstieg des Ölpreises, wenn die Wirtschaftskrise überwunden ist. Bereits jetzt liegen wir wieder bei etwa 80 Dollar das Fass.

Weil aber der Straßenverkehr aus meiner Sicht eben nicht so stark bzw. eigentlich gar nicht mehr wachsen darf, braucht man auch keine zwei bis drei Milliarden Euro pro Jahr mehr für den Bau neuer Straßen. Genau dafür will die Bundesregierung aber die Pkw-Maut erheben!

Dazu kommt, dass eine Pkw-Maut zwei weitere große Schwächen hat:

Zum einen der Datenschutz: Lkw werden immerhin nur in der Dienstzeit „überwacht“. Anders sieht es aber bei uns BürgerInnen aus. Eine echte Pkw-Maut würde bedeuten, dass alle Autofahrerinnen und Autofahrer ständig geortet werden können.

Zum anderen ist eine Pkw-Maut mit sehr hohen Systemkosten verbunden. Bei Lkw sind die Kosten zwar auch (zu) hoch, hier rechnet es sich aber insgesamt. Denn die Zahl der Lkw auf deutschen Autobahnen ist erheblich niedriger als die von Pkw (ca. 41 Millionen in Deutschland zugelassen). Die Lkw fahren außerdem erheblich mehr, so dass sich die Kosten pro Fahrzeug auf viel mehr gefahrene Kilometer verteilen. Als letztes kommt noch hinzu, dass Pkw eine viel niedrigere Maut zahlen würde. Statt durchschnittlich etwa 18 Cent pro Kilometer wären es bei Pkw nur 3 Cent. Wenn nun jemand, was sicher nicht so selten ist, lediglich 1000 Kilometer im Jahr auf Autobahnen unterwegs ist, müsste er insgesamt nur 30 Euro zahlen. Man kann natürlich sagen, dass das verkraftbar wäre. Ich will aber auf etwas anderes hin weise: die sog. OBUs (On-Board-Unit) in den Lkw kosten pro Stück mit Einbau ein paar hundert Euro. Dazu kommt noch, dass alle 41 Millionen Pkw in eine Datenbank aufgenommen werden müssten und alle vermutlich monatlich eine Rechnung bekommen. Der administrative Aufwand und die Kosten wären enorm – und stünden in keinem Verhältnis zu dem finanziellen Ertrag.
Die einzige theoretisch positive Wirkung einer Pkw-Maut ist der Anreiz, auf Autofahrten zu verzichten. Dies aber nur, wenn es eine echte Maut geben würde. Die ist aber technisch noch gar nicht so weit – weil natürlich auch die Regierung weiß, dass die Systemkosten mit der jetzigen Technik viel zu hoch sind. Deswegen würde es zunächst eine Vignette geben, d.h. man zahlt ca. 200 Euro im Jahr und darf dann fahren so viel man will. Das wäre genau das Gegenteil eines positiven Anreizes, sondern würde eher dazu führen, dass man die 200 Euro wieder „reinfahren“ will. Außerdem wäre dies sozial besonders ungerecht: Diejenigen, die drei Mal im Jahr Verwandte besuchen würden genau so viel zahlen wie ein Geschäftsmann, der fast täglich auf der Autobahn unterwegs ist.
Als Anreiz dafür, weniger zu fahren, gäbe es außerdem eine ganz einfache Lösung, die sogar den Spritverbrauch der Fahrzeuge direkt berücksichtigt: die Mineralölsteuer. Beides aber, sowohl die Pkw-Maut, als auch eine Erhöhung der Mineralölsteuer, würden Geringverdienende überproportional belasten. Zudem hat der vermutlich dauerhaft hohe Ölpreis den gleichen Effekt. Deswegen wollen wir strenge Verbrauchsvorgaben für neue Autos, damit der Verbrauch von Autos deutlich sinkt – und Autofahren zukünftig kein Luxusgut wird.
Statt mehr Straßen brauchen wir eine sozial-ökologische Verkehrswende. Ich will die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen vor allem durch mehr öffentlichen und mehr Schienenverkehr, durch Barrierefreiheit und Sozialtickets befriedigen. All das würde zu deutlich mehr Lebensqualität führen.

Herbert Behrens