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Helge Braun
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Frage von Jörn H. •

Frage an Helge Braun von Jörn H. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Dr. Braun,

in Bezug auf den §1631d BGB, der die Beschneidung des männlichen Kindes regelt, haben Sie sich wie folgt geäußert: "In Hinblick auf die Durchführung ist die Einhaltung ärztlicher Standards für mich zwingend, dazu gehört auch eine angemessene Anästhesie."

Da Sie Arzt sind, nehme ich an, dass Sie wissen, wovon Sie sprechen. Wie sieht Ihrer Ansicht nach eine angemessene Anästhesie bei einem Neugeborenen aus?

Der Emla-Salbe hat das BfArM auf europäischen Druck hin die Zulassung für die Anwendung bei der Beschneidung entzogen ( http://www.sueddeutsche.de/wissen/beschneidung-von-neugeborenen-fragwuerdige-betaeubung-1.1747655 ). Ihr Einsatz wird als absolut unzureichend und "ethisch inakzeptabel" bewertet. Welche konkrete Alternative sehen Sie, so dass eine angemessene Anästhesie gegeben ist und die Beschneidung von Neugeborenen Ihren Anforderungen entspricht?

Weiterhin postulieren Sie eine Rechtssicherheit, die wohl eher dem Wunsch als der Wirklichkeit entspricht. Stellvertretend für die zahlreichen strafrechtlichen juristischen Kommentare (u.a. Isensee, Walter, Paeffgen), sollten Sie den Kommentar von Scheinfeld lesen http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/13-08/index.php?sz=8 ). Die Behauptung, dass Rechtssicherheit herrsche ist fahrlässig und treibt mitunter Menschen dazu, strafrechtlich relevante Handlungen in der Annahme vorzunehmen, dass dies nun ja legal sei. Stellvertretend sei hier der Vorgang um Teichtal/Fleischmann in Berlin zu nennen. Durch §1631d wurde im Gegenteil Rechtsunsicherheit geschaffen, weil er in den entscheidenden Regelungen der Ausführung mehr verklausuliert und vage bleibt. Können Sie begründen, warum Sie trotzdem der Ansicht sind, dass §1631d Rechtssicherheit geschaffen hat? Welche Anästhesie ist bei einer jüdischen Beschneidung an einem 8 Tage alten Kind Ihrer Ansicht nach rechtssicher anzuwenden? Halten Sie angesichts dieser Diskussion Ihre Zustimmung für §1631d noch für angebracht?

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Sehr geehrter Herr Hoos,

persönlich gebe ich Ihnen Recht, dass auch die gegenwärtige gesetzliche Regelung zur religiös motivierten Beschneidung von Jungen in Rechtspraxis nicht ganz einfach ist. Ich war von Anfang an der Überzeugung, dass eine völlig zufriedenstellende Abwägung zwischen dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit, dem elterlichen Sorgerecht und der Religionsfreiheit nicht möglich ist. Dennoch war es notwendig, eine Entscheidung zu treffen, weil Eltern, die ihren Sohn beschneiden lassen, dies in Ausübung ihrer Religion zum Nutzen des Kindes, nämlich seiner Aufnahme in die Religionsgemeinschaft und für seine weltanschauliche Orientierung tun. Auch wenn es Außenstehenden schwer fallen sollte, dies zu akzeptieren oder sogar als stigmatisierend empfinden, ist es nicht Aufgabe des Staates zu entscheiden, was zur Identität einer Religionsgemeinschaft gehört. Aufgrund der bei fachgerechter Durchführung extrem niedrigen Komplikationsrate und des Umstandes, dass mit dem Verlust der Vorhaut keine funktionelle Einschränkung verbunden ist, kann dies meiner Überzeugung nicht vorrangig gegenüber dem Recht auf Religionsausübung sein. Damit sollen Eltern nach meiner Überzeugung rechtssicher in einen solchen Eingriff einwilligen können. Dem dient die rechtliche Klarstellung.
In Hinblick auf die Durchführung ist die Einhaltung ärztlicher Standards für mich zwingend, dazu gehört auch eine angemessene Anästhesie. Insofern präferiere ich eine Durchführung durch Ärzte. Jedenfalls sind durch das neue Gesetz die Religionsgemeinschaften aufgefordert sicherzustellen, dass die Durchführenden in der Lage sind, ärztliche Standards einzuhalten. Die genaue Definition dieser ärztlichen Standards, auf die Sie in ihrer Frage eingehen, ist Aufgabe der medizinischen Fachgesellschaften und stets nach aktuellem Stand der Wissenschaft anzupassen. Da jede Form der Lokal-, Regional- und Allgemeinanästhesie und deren Kombinationen unterschiedliche Indikationen und Kontraindikationen besitzt, erscheint es mir auch eine allgemeine politische Diskussion über das angemessene Anästhesieverfahren nicht sinnvoll möglich.
Selbstverständlich werde ich, sofern die Wähler im Wahlkreis Gießen/Alsfeld mir auch mit ihrer Erststimme für eine weitere Wahlperiode am 22. September das Vertrauen schenken, diese Kernfrage der Einhaltung ärztlicher Standards angesichts der neuen Rechtslage weiter verfolgen und auf der Grundlage meiner Erfahrung in der Anästhesie bewerten. Die Einhaltung dieser Standards ist für mich essentielle Grundlage für die Zustimmung zu dieser Gesetzänderung gewesen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Helge Braun

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